Zum Inhalt

Empfehlungen von Ärzten - Augenarzt als Brillenverkäufer

Wenn Ärzte in der Ordination für bestimmte Produkte oder Dienstleistungen werben, ist dies nicht unproblematisch. Patienten sollten sich nicht zu einer Kaufentscheidung drängen lassen, sondern in Ruhe darüber nachdenken.

Der Fall: Empfehlung für den Optiker im Haus

Frau M. ist 74 Jahre alt und braucht zum Lesen eine Brille. Bei der Kontrolle stellt ihr Augenarzt fest, ihre Sehstärke habe sich verschlechtert, und er verschreibt ihr stärkere Brillengläser. Er empfiehlt ihr, die neue Brille in seinem Optikergeschäft anfertigen zu lassen, das sich praktischerweise gleich einen Stock tiefer befindet. Als Frau M. erwähnt, dass sie ihre Brille sonst gerne bei der Handelskette XY kaufe, meint der Arzt – so erinnert sich zumindest die rüstige Seniorin –, diese habe keine Brillen mehr im Sortiment. Frau M. folgt also seinem Rat und bestellt die neue Brille im Optikergeschäft ihres Augenarztes.

Keine Verschlechterung der Sehstärke

Schon beim Abholen der Brille fällt ihr auf, dass nicht überprüft wird, ob sie mit den neuen Gläsern gut sehen kann. Auch die Bügel werden nicht angepasst. Da die Patientin mit ihrer neuen Brille schlechter lesen kann als zuvor und sie ihr außerdem von der Nase rutscht, sucht sie noch einmal ihren Augenarzt auf. Dieser veranlasst zwar, dass die Bügel zurechtgebogen werden, auf den Hinweis der Patientin, die Stärke der Gläser sei falsch, geht er jedoch nicht ein. Frau M. sucht sich daraufhin einen neuen Augenarzt und auch einen anderen Optiker. Beide kommen zu dem Schluss, sie hätte überhaupt keine neue Brille gebraucht, da sich ihre Sehstärke nicht wesentlich verändert habe. Jetzt ist Frau M. richtig verärgert und sie beschwert sich bei der Wiener Pflege-, Patientinnen- und Patientenanwaltschaft (WPPA).

Verbot von Werbung durch Ärzte

Intervention und Ergebnis: Rückerstattung der Kosten

Die WPPA kann erreichen, dass der Augenarzt Frau M. die Kosten der nicht benötigten Brille rückerstattet. Den Vorwurf der Patientin, der Arzt habe sie „manipuliert“, indem er fälschlicherweise behauptet habe, die Handelskette XY führe keine Brillen mehr, bestreitet der Augenarzt. Da es keine Zeugen gibt, kann der Vorwurf im Nachhinein auch nicht mehr geklärt werden.

Werbung oder sachliche Information

Die Patientenanwaltschaft weist darauf hin, dass es Ärzten untersagt ist, für ein bestimmtes Produkt oder Geschäft „Werbung“ zu machen. Seit Ende letzten Jahres ist es Ärzten laut Werberichtlinie der Österreichischen Ärztekammer aber erlaubt, „sachliche und wahre Information über Arzneimittel, Heilbehelfe und sonstige Medizinprodukte sowie über deren Hersteller und Vertreiber“ zu verbreiten. Die WPPA weist darauf hin, dass in vielen Fällen eine Abgrenzung zwischen „Information“ und „Werbung“ jedoch sehr schwierig sei.

Fazit: Zum Kauf gedrängt

Die Patientenanwaltschaft betont, dass es für Patientinnen und Patienten oft nicht einfach ist, eine kritische Konsumentensicht zu bewahren, wenn ihnen ihre Ärzte Produkte anbieten. Die WPPA ist immer wieder mit Fällen konfrontiert, in denen sich Patienten zum Kauf von Nahrungsergänzungsmitteln, Orthopädie- oder Hygienebedarf oder eben Brillen und Hörgeräten bei bestimmten Händlern gedrängt fühlen. Die WPPA rät allen Patientinnen und Patienten, in solchen Fällen „einen Schritt zurückzutreten“ und sich Zeit zu lassen. Es handelt sich schließlich um eine Kaufentscheidung. Mit den Worten „Ich muss mir das noch überlegen“ kann der Druck verringert werden, sofort eine Entscheidung treffen zu müssen. Zu Hause kann man die Angelegenheit dann in Ruhe überdenken und auch andere Meinungen und Angebote einholen. Hält man nach reiflicher Überlegung das Produkt und den Preis für attraktiv, kann man es zu einem späteren Zeitpunkt immer noch kaufen – ohne das ungute Gefühl, vom Arzt seines Vertrauens vielleicht etwas aufgeschwatzt bekommen zu haben, das man gar nicht braucht.

VKI-Kooperation mit der Patientenanwaltschaft Wien

In unserer Rubrik berichten wir über Fälle, mit denen österreichische Patientenanwältinnen und -anwälte befasst sind.

Die Wiener Pflege-, Patientinnen- und Patientenanwaltschaft weist darauf hin, dass es Ärzten untersagt ist, ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Dienstleistung zu bewerben. Patienten sollten sich nicht zu einer Kaufentscheidung drängen lassen, sondern diese in Ruhe zu Hause treffen.

 

Wien
Wiener Pflege-, Patientinnen- und Patientenanwaltschaft
Schönbrunner Straße 108,
1050 Wien,
Tel. 01 587 12 04
Fax 015863699
E-Mail:Kontakt Wiener Pflege-, Patientinnen- und Patientenanwaltschaft
Patientenanwalt Wien

 

Buchtipp: "Mein Recht als Patient"

Patienten haben häufig das Gefühl, ihren Ärzten ausgeliefert zu sein. Doch wer krank ist, ist durchaus nicht schutzlos – vorausgesetzt, er kennt seine Rechte. Unser Buch zeigt anhand konkreter Beispiele, welche Rechte Patienten im Gesundheitsbetrieb haben und welche Möglichkeiten bestehen, diese durchzusetzen.

www.konsument.at/patient-recht

Aus dem Inhalt

  • Krankenkasse und freie Arztwahl
  • Welche Behandlung steht mir zu?
  • Das Recht auf Selbstbestimmung
  • Behandlungsfehler und Haftung des Arztes
  • Psychiatrie und Heimunterbringung
  • Gesundheitsakte, Krankengeschichte, Datenschutz

196 Seiten, 14,90 € + Versand

KONSUMENT-Buch: Mein Recht als Patient 

Links zum Thema

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

Baby-Anfangsnahrung - Werbeverbot

Baby-Anfangsnahrung - Werbeverbot

Werbeverbot für Baby-Anfangsnahrung: So sehr die Hersteller sich bei Baby-Anfangsnahrung bemühen, an Muttermilch kommt sie nicht heran.

Gefördert aus Mitteln des Sozialministeriums 

Sozialministerium

Zum Seitenanfang