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Behandlungsfehler: Patientenrechte - Finanzielles Trostpflaster

Eine umfassende Dokumentation ist bei einem Behandlungsfehler das Um und Auf, damit Sie auch vor Gericht zu Ihrem Recht kommen.

Zum Thema Behandlungsfehler fällt wohl vielen als Erstes der Tupfer ein, der bei einer Operation im Körper des Patienten vergessen wurde. Oder die Beinoperation, die ­irrtümlich am gesunden Bein erfolgte. Hier liegt der Fall klar.

Rechtswidriger Behandlungs­fehler

Doch nicht jede subjektiv als misslungen empfundene Behandlung ist als Behandlungsfehler im juristischen Sinn einzustufen. Damit ein Arzt die Haftung für einen rechtswidrigen Behandlungs­fehler zu übernehmen hat, müssen folgende Voraussetzungen kumulativ (also alle vier) vorliegen:

1. Schaden: Es ist ein (Vermögens- oder Nichtvermögens-)Schaden entstanden.
2. Kausalität: Der Schaden wurde vom Schädiger (durch eine Handlung oder eine Unterlassung) verursacht.
3. Verschulden: Der Schaden wurde wenigstens leicht fahrlässig, also schuldhaft, zugefügt.
4. Rechtswidrigkeit: Das Verhalten des Schädigers stellt einen Normverstoß dar.

Tritt kein Schaden ein, so hat selbst der gröbs­te Behandlungsfehler keine Konsequenzen für den Arzt.

Weit gefasster Begriff

Da es keine gesetzliche Definition des Behandlungsfehlers gibt, blieb es der Rechtsprechung vorbehalten, geeignete Grundsätze zu entwickeln. Ein Behandlungsfehler (umgangssprachlich auch Kunstfehler) ist nach zivilrechtlichem wie strafrechtlichem Verständnis jede ärztliche Maßnahme, die nach dem Standard der medizinischen ­Wissenschaft und Erfahrung die gebotene Sorgfalt vermissen lässt und darum unsachgemäß erscheint.

Der Begriff des Behandlungsfehlers wird dabei als weit und um­fassend verstanden. Das heißt, der Arzt muss nicht nur die Behandlung an sich sorgfältig durchführen, sondern er ist auch vor und nach der Maßnahme zur Beachtung der ­gebotenen Sorgfalt verpflichtet.

Schwere Behandlungsfehler und grobe Fahrlässigkeit

Ein schwerer (oder grober) Behandlungs­fehler ist anzunehmen, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler ­begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf. Ein schwerer Behandlungsfehler setzt aber keine grobe Fahrlässigkeit voraus.


Lesen Sie auch die Artikel unserer Rubrik "Aus der Patientenanwaltschaft" - Hier berichten wir über konkrete Fälle, Interventionen und Ergebnisse aus dem Bereich Patientenrecht.

Beweislastumkehr bei schweren Kunstfehlern

Die Differenzierung zwischen einem "einfachen" und einem "schweren" Behandlungsfehler ist indes für die materiell-rechtliche Seite, das heißt für die Anspruchsbegründung, nicht relevant. Der Arzt hat einem ­Patienten in jedem Fall den durch einen ­Behandlungsfehler verursachten Schaden zu ersetzen, ungeachtet der Frage, ob der Fehler einfach oder schwer war.

Beweislastumkehr bei schweren Behandlungsfehlern

Bei einem Prozess kann die Unterscheidung aber insofern von Bedeutung sein, als es bei schweren Behandlungsfehlern zu einer Beweislastumkehr kommt: Nicht der Patient muss den Fehler des Arztes beweisen, sondern der Arzt muss den Vorwurf widerlegen.

In zivilrechtlicher Hinsicht kann sich der Arzt nicht mit dem Argument entlasten, er habe eine medizinische Maßnahme noch nie durchgeführt, wenn diese schon zum Standard in der betreffenden Disziplin zählt. Auch die Aussage des Arztes, er sei schlecht ausgebildet worden, entlastet ihn nicht.

Rechtspflicht zur Fortbildung

In strafrechtlicher Hinsicht könnten sich solche Umstände möglicherweise für den Arzt positiv auswirken. Damit der Arzt die gebotene berufsfachliche Sorgfalt beachten kann, muss er den aktuellen medizinischen Standard kennen und beherrschen. Aufgrund der schnell voranschreitenden medizinischen Wissenschaft entsteht für den Arzt somit eine Rechtspflicht zur Fortbildung. Dieser genügt der in der Allgemeinmedizin tätige Arzt in der Regel dann, wenn er die inländischen Allgemeinfach-Periodika liest.

Von anderen Fachärzten (z.B. Internisten, Kardiologen, Chirurgen etc.) kann darüber hinaus grundsätzlich noch die Lektüre der methodenspezifischen auslän­dischen Literatur erwartet werden.

Verschulden und Beweise

Verschulden: Leichte oder grobe Fahrlässigkeit

Meist ist im Streitfall der Arzt dem Vorwurf der Fahrlässigkeit ausgesetzt. Fahrlässig ­handelt ein Arzt dann, wenn er vom Sorgfaltsmaßstab eines sorgfältigen Arztes abweicht. Es handelt sich also um ein vorwerfbares, weil vermeidbares Verhalten, aus dem ein Schaden zwar bloß aus Versehen, aber immerhin durch schuldhafte Unwissenheit oder infolge zu geringer Aufmerksamkeit entsteht. Von Verschulden kann aber nur gesprochen werden, wenn sich der betroffene Arzt rechtmäßig hätte verhalten können.

Grobe Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn ein Arzt ungewöhnlich und auffallend nachlässig gehandelt hat und der Eintritt des Schadens wahrscheinlich vorhersehbar war. Das wäre anzunehmen, wenn er etwa einem Neugeborenen eine falsche Injektion verabreicht. Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn es sich um eine gewöhnliche Nachlässigkeit handelt, die auch einem an und für sich sorgfältigen Menschen unterlaufen kann; so, wenn beispielsweise ein Pfleger nach einer schwierigen endoskopischen Untersuchung das künstliche Gebiss einer Patientin zusammen mit diversem Abfall versehentlich in den Müllkübel befördert.

Beweismittel frühzeitig sichern!

Ein nicht unerheblicher Teil der Arzthaftungsprozesse wird verloren, weil der Patient die tatsächlich gegebenen Behandlungsfehler nicht beweisen kann. Sichern Sie beim gerings­ten Behandlungsfehlerverdacht möglichst frühzeitig und umfassend alle Beweismittel! Geben Sie diese möglichst nicht mehr aus der Hand. Falls Sie jedoch eine Rückgabe nicht vermeiden können, empfiehlt sich dringend die vorherige Anfertigung von Fotos oder ­Videos – im Idealfall durch neutrale Dritte (= optimale Zeugen).

Auf Fehler achten

Auf Fehler achten

Lesen Sie die Arztbriefe und andere Krankenunterlagen sorgfältig (oder lassen Sie sich diese erläutern) und achten Sie auf eine ­lückenhafte oder unzutreffende Darstellung Ihres Gesundheitszustandes oder Ihrer ­Äußerungen. Falls Sie Fehler (z.B. sind Untersuchungen eingetragen, die gar nicht durchgeführt wurden) in den Unterlagen entdecken, bestehen Sie den Ärzten gegenüber hart­näckig auf einer umgehenden Korrektur.

An Klinikleitung und Krankenkasse wenden

Falls man dem nicht nachkommen möchte, weisen Sie die Klinikleitung und Ihre Krankenkasse umgehend schriftlich auf die unzutreffende Darstellung hin, und zwar so, dass diese sich dazu äußern müssen (z.B. in Form einer Frage, was nun weiter zu tun sei etc.). Lassen Sie von einem anderen Arzt in engem zeitlichen Zusammenhang Ihren aktuellen Zustand feststellen und sich dessen Befund in Kopie aushändigen.

Hohe - zu hohe - Erwartungen

Trotz des rasanten medizinischen Fortschrittes übersteigen die Erwartungen in die medizinische Heilkunst häufig das, was die Medizin tatsächlich zu leisten vermag. Es ist daher Vorsicht dabei geboten, übereilt eine ärztliche Fehlleistung anzunehmen. Eine ungünstige Konstitution (schlechter Allgemeinzustand, Immunschwäche etc.) senkt nun einmal die Erfolgsaussichten einer Behandlung.

Prozess vorbereiten

Vorbereitung eines Prozesses

Der Gang zu Gericht stellt für medizinische und juristische Laien auch bei bester Vor­bereitung ein Wagnis dar. Rascher, nervenschonender und ohne finanzielles Risiko geht es auf dem Weg der außergerichtlichen ­Einigung über die Patientenanwaltschaft – die Zuständigkeit richtet sich nach dem Standort des Spitals (Bundesland) bzw. der Arztpraxis (nicht in allen Bundesländern). Als weitere Option stehen Ihnen die Schieds­stellen der Ärztekammern zur Verfügung.

Beratungsstelle aufsuchen

Damit die Erfolgsaussichten einer zivilrechtlichen Klage einigermaßen bewertet werden können, empfiehlt es sich in jedem Fall, eine Beratungsstelle aufzusuchen. Diese gewährt Hilfestellung bei allen Vorarbeiten und ­bemüht sich, eine gütliche Einigung mit dem Arzt herbeizuführen. Sie können aber auch einen Rechtsanwalt damit beauftragen, außergerichtliche Vergleichsverhandlungen mit dem Arzt bzw. mit dessen Haftpflicht­versicherung aufzunehmen oder Schaden­ersatzklage einzubringen.

Buchtipp: "Mein Recht als Patient"

Patienten haben häufig das Gefühl, ihren Ärzten ausgeliefert zu sein. Doch wer krank ist, ist durchaus nicht schutzlos – vorausgesetzt, er kennt seine Rechte. Unser Buch zeigt anhand konkreter Beispiele, welche Rechte Patienten im Gesundheitsbetrieb haben und welche Möglichkeiten bestehen, diese durchzusetzen.

www.konsument.at/patient-recht

Aus dem Inhalt

  • Krankenkasse und freie Arztwahl
  • Welche Behandlung steht mir zu?
  • Das Recht auf Selbstbestimmung
  • Behandlungsfehler und Haftung des Arztes
  • Psychiatrie und Heimunterbringung
  • Gesundheitsakte, Krankengeschichte, Datenschutz

196 Seiten, 14,90 € + Versand

KONSUMENT-Buch: Mein Recht als Patient 

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