Zum Inhalt

Alkoholvergiftung - Vorschnelle Diagnose

Ein Patient zieht sich bei einem Sturz eine Kopfverletzung zu. Im Spital wird in der Krankenakte eine Alkoholintoxikation vermerkt, obwohl entsprechende Untersuchungen gar nicht vorgenommen wurden.

Der Fall: Kopfverletzung nach Sturz in leicht alkoholisiertem Zustand

Herr W. kommt nach dem Besuch eines Festes in leicht alkoholisiertem Zustand nach Hause. Er verletzt sich bei einem Sturz am Kopf und ist für kurze Zeit bewusstlos. Seine Lebensgefährtin verständigt deshalb die Rettung und der Patient wird ins Krankenhaus transportiert. Dort wird eine Gehirnerschütterung und Alkoholintoxikation (Alkoholvergiftung) diagnostiziert; eine Feststellung des Promillegehaltes erfolgt dabei nicht (weder über eine Atemalkoholbestimmung noch durch eine Blutuntersuchung).

Krankenversicherung lehnt Kostenübernahme ab

Nach einer gewissen Beobachtungszeit wird der Patient wieder aus dem Spital entlassen. In der Folge erlebt Herr W. eine böse Überraschung: Seine private Krankenversicherung (er ist als Grenzgänger im Ausland beschäftigt) lehnt die Übernahme der Kosten mit der Begründung ab, dass die stationäre Behandlung Folge der Alkoholintoxikation und somit selbst verschuldet gewesen sei.

Intervention: Ohne Untersuchung keine Diagnose tätigen

Die vom Geschädigten angerufene Patientenanwaltschaft Vorarlberg weist den Krankenhausträger darauf hin, dass es unzulässig ist, ohne entsprechende Untersuchung eine Alkoholintoxikation zu diagnostizieren. Im vorliegenden Fall könne demnach lediglich ein entsprechender Verdacht geäußert werden. Patientenanwaltschaft und Krankenhausträger einigen sich darauf, zur Klärung des Sachverhaltes einen externen fachärztlichen Gutachter (der als Abteilungsleiter in einem anderen Krankenhaus tätig ist) beizuziehen.

Spitalsaufenthalt wegen Gehirnerschütterung

Ergebnis: Gutachter gibt Patientenanwaltschaft recht

Der Gutachter gibt der Patientenanwaltschaft recht. Er bestätigt, dass von einer Alkoholintoxikation nur dann gesprochen werden könne, wenn nachweislich eine Alkoholisierung vorliege und die Körperfunktionen dadurch drastisch beeinträchtigt seien.

Spitalsaufenthalt nur wegen Kopfverletzung

Aufgrund der fehlenden Blutalkoholbestimmung hätte keinesfalls die fixe Diagnose Alkoholintoxikation gestellt werden dürfen. Zudem ergebe sich aus den Unterlagen, dass der Spitalsaufenthalt ausschließlich auf die Gehirnerschütterung zurückging.

Schaden wird ausgeglichen

Auf Basis des vorliegenden Gutachtens erklärt sich der Krankenhausträger bereit, die Sonderklasserechnung in eine Allgemeine-Klasse-Rechnung umzuwandeln. Der für den Patienten aufgrund der unzulässigen Diagnose aufgetretene Schaden wird ausgeglichen.

Fazit: Alkohol-Untersuchungen haben gefehlt

Die Patientenanwaltschaft Vorarlberg stellt fest, dass die Diagnose Alkoholintoxikation prinzipiell nur dann gestellt werden darf, wenn sie durch entsprechende Untersuchungen (Atem- bzw. Blutalkoholbestimmung) belegt ist. Bei Fehlen derartiger Befunde kann lediglich ein „Verdacht auf Alkoholintoxikation“ geäußert werden.

Bei Alkoholkonsum: Versicherung kann Kostenübernahme verweigern

Liegt nämlich eine Alkoholintoxikation vor, können Krankenversicherungen die Übernahme der Behandlungskosten verweigern bzw. im Nachhinein Regressansprüche geltend machen, da von einem selbst verschuldeten Krankheitsfall auszugehen ist. Dem Patienten darf jedoch aufgrund einer unzureichend abgesicherten Diagnose kein Schaden erwachsen.

VKI-Kooperation mit Patientenanwaltschaft Vorarlberg

In unserer Rubrik "Patientenanwaltschaft" berichten wir über Fälle, mit denen österreichische Patientenanwältinnen und -anwälte befasst sind.

Die Patientenanwaltschaft Vorarlberg weist darauf hin, dass Diagnosen in Patientenunterlagen nur dann gestellt werden dürfen, wenn sie durch Untersuchungen medizinisch zweifelsfrei belegt sind. Im vorliegenden Fall wurde eine Alkoholintoxikation dokumentiert, ohne dass dafür relevante Untersuchungen vorgenommen worden wären. Dies führte dazu, dass die Krankenversicherung von einem Eigenverschulden des Patienten ausging und die Kostenübernahme verweigerte.

Vorarlberg
Patientenanwaltschaft für das Land Vorarlberg
Marktplatz 8,
6800 Feldkirch,
Tel. 05522 815 53,
Fax 05522 815 53-15
E-Mail: anwalt@patientenanwalt-vbg.at  
Patientenanwalt Vorarlberg

 

Buchtipp: "Mein Recht als Patient"

Patienten haben häufig das Gefühl, ihren Ärzten ausgeliefert zu sein. Doch wer krank ist, ist durchaus nicht schutzlos – vorausgesetzt, er kennt seine Rechte. Unser Buch zeigt anhand konkreter Beispiele, welche Rechte Patienten im Gesundheitsbetrieb haben und welche Möglichkeiten bestehen, diese durchzusetzen.

www.konsument.at/patient-recht

Aus dem Inhalt

  • Krankenkasse und freie Arztwahl
  • Welche Behandlung steht mir zu?
  • Das Recht auf Selbstbestimmung
  • Behandlungsfehler und Haftung des Arztes
  • Psychiatrie und Heimunterbringung
  • Gesundheitsakte, Krankengeschichte, Datenschutz

196 Seiten, 14,90 € + Versand

KONSUMENT-Buch: Mein Recht als Patient 

Buchtipp: "100 Medizin-Mythen"

Helfen probiotische Joghurts bei Depressionen, schützt Aspirin vor Krebs und ist das tägliche Glas Rotwein tatsächlich gesund? Das Buch beantwortet jene Fragen, die durch die Gazetten geistern und nicht nur Aufsehen erregen, sondern auch Verunsicherung schaffen. Auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse erfahren Sie, ob es sich bei solchen Meldungen um leere Versprechungen handelt, sie nur ein Körnchen Wahrheit enthalten oder einer strengen Prüfung standhalten.

www.konsument.at/medizinmythen

Aus dem Inhalt

  • Wirkstoffe, Verfahren und Therapien unter der Lupe
  • Fundierte Antworten auf 100 Fragen
  • Verständliche Bewertungen

220 Seiten, 14,90 € + Versand

 KONSUMENT-Buch: 100 Medizin-Mythen

 

Links zum Thema

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

Gefördert aus Mitteln des Sozialministeriums 

Sozialministerium

Zum Seitenanfang