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Vertragsänderung: Klausel, Entgelt, Verlängerung - Wer schweigt, stimmt zu?

Schweigen, nicken, zustimmen? Mit der sogenannten Erklärungsfiktion setzen viele Firmen auf die schweigende Zustimmung ihrer Kunden. Da geht es um wichtige Veränderungen von Klauseln in den AGB, höhere Entgelte oder um die Verlängerung des Vertrages. Nicht immer zu Recht.

Eine Bank möchte von ihren Kunden ein ­Zusatzentgelt für bestimmte Leistungen, ein Handyanbieter kreiert eine Servicepauschale, der Fitnessstudiobetreiber versucht, Kunden zur Verlängerung ihres Jahresabos zu bewegen. Alle drei Beispiele sind typische Fälle, bei denen Anbieter gern die sogenannte ­Erklärungs- oder Zustimmungsfiktion zur Anwendung bringen.

Stillschweigende Zustimmung ...

Hinter dem juristischen Fachbegriff verbirgt sich nichts anderes als die stillschweigende Zustimmung zu vom Anbieter gewünschten vertraglichen Änderungen. Diese werden den Kunden per Brief oder online zur Kenntnis gebracht. Erfolgt bis zu einem angegebenen Datum keine schriftlichen Reaktion beziehungsweise kein Einspruch, sind sie genauso gültig, als hätte der Kunde sie mit seiner Unterschrift akzeptiert. So die Sicht der Unternehmer – nach der Rechtsprechung sind so manche Änderungen aber gar nicht wirksam.

... gilt nur unter bestimmten Bedingungen

Grundsätzlich gilt: Schweigen ist keine ­Zustimmung. Wer eine unverlangte Warenzusendung bekommt, muss diese nicht zurücksenden. Aber es gibt eine wesentliche Ausnahme: Wenn Unternehmer und Verbraucher es vereinbaren, dann kann – unter bestimmten Bedingungen – Schweigen als Zustimmung gedeutet werden.

Erklärungsfiktion ...

Beispiele, in denen die Erklärungsfiktion zur Anwendung kommt, finden sich mittlerweile zuhauf. Betroffen sind alle möglichen Branchen, von Banken über Telekommunika­tionsunternehmen bis hin zu Partnervermittlungen, Versicherungen oder Fitnesscentern. Meist begründen die Unternehmen ihr Vorgehen damit, dass die Anpassungen sowohl notwendig seien als auch dem Wohl des ­Konsumenten dienten. Auf den ersten Blick erscheint dies tatsächlich für beide Seiten vorteilhaft und bequem.

... muss vertragskonform kommuniziert werden

So muss etwa nicht jede unbedeutende oder rechtlich notwen­dige Anpassung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen mittels Unterschrift akzeptiert werden. Auch bei Vertragsverlängerungen kann die Erklärungsfiktion sinnvolle Dienste leisten, etwa wenn die Verlängerung vom Konsumenten ohnehin gewünscht wird. ­Voraussetzung ist allerdings, dass sie formal korrekt und vertragskonform kommuniziert wird.

Welche Änderungsmöglichkeiten sind zulässig?

Im Vertrag vereinbart, angemessene Frist

Zum einen verlangt das Konsumentenschutzgesetz, dass solch eine Erklärungs­fiktion im Vertrag überhaupt vereinbart sein muss. Zum anderen muss der Unternehmer den Kunden aber auch noch gesondert da­rauf hinweisen und eine angemessene Frist für eine ausdrückliche Erklärung einräumen. Werden Vertragsänderungen nur versteckt oder intransparent mitgeteilt, dann sind sie unwirksam.

Änderungsmöglichkeiten müssen beschränkt sein

Schließlich fragt sich auch noch, was da geändert werden soll. Der Oberste Gerichtshof hat Bedenken gegen Klauseln, mit denen der Unternehmer ein schranken­loses Änderungsrecht bekommt. Nach deutscher Judikatur sind Änderungen der Hauptpunkte des Vertrages (Entgelt und Haupt­leistung) über eine Erklärungsfiktion nicht zulässig. In Österreich müssten solche Änderungen jedenfalls inhaltlich klar beschränkt sein. In den Fällen in der Praxis sind daher so manche Änderungen unwirksam.

Raiffeisenbank: Zinsaufschlag bei Fremdwährungskrediten

Die Raiffeisenbank Graz-Straßgang etwa versuchte per Erklärungsfiktion einen Zinszuschlag auf laufende Fremdwährungs­kredite durchzusetzen. Die Bank zog das vom VKI – im Auftrag der AK Steiermark – angestrengte Verfahren bis vor den Obers­ten Gerichtshof (OGH). Auch dieser attes­tierte der Raiffeisenbank, wie die unter­geordneten Gerichte zuvor, gesetzwidriges Vorgehen. Ein Auszug aus dem Schreiben der Raiffeisenbank:

Bild: VKI  

Volksbank: Kontoführungsspesen

Auch die Volksbank Graz-Bruck scheiterte vor dem OGH mit dem Versuch, ihre Kontoführungsspesen mithilfe der Zustimmungsfiktion zu erhöhen. Hier die entsprechende Klausel:

Bild: VKI 

Tariferhöhungen und Pauschalen

Kostenpflichtige Zusatzangebote per SMS 

Im Telekommunikationsbereich ist die Erklärungsfiktion ebenfalls weit verbreitet. Im Mai 2011 überraschte T-Mobile seine Handykunden mit einer SMS folgenden Inhalts: "Lieber T-Mobile Kunde! Ab 15.05. telefonieren Sie mit der Option Sonderrufnummern um nur zwei Euro (ohne Bindung) unlimitiert zu Banken, Behörden und Firmen ... Benötigen Sie die Option nicht, antworten Sie mit NEIN bis 14.05." Der VKI klagte und bekam recht. Der OGH stufte das Zusenden von ­kostenpflichtigen Zusatzangeboten per SMS mit dem Hinweis, dass diese per SMS ab­bestellt werden müssen, als Belästigung und daher als unzulässige aggressive Werbung ein.

Vertragsänderung aufgedrängt

Dem Kunden werde eine Vertragsänderung aufgedrängt, die er nicht akzeptiert ­hätte, wenn er nur eine Information über ­eine Änderungsmöglichkeit erhalten hätte. Die Änderung führe zu einem Gebühren­zuschlag für eine nicht bestellte Leistung. Zudem liege eine unzulässige Beeinflussung im Sinn des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) vor, da der Eindruck vermittelt werde, es handle sich um eine Verbilligung. Es komme nicht deutlich genug zum Ausdruck, dass mangels Widerspruch eine Preiserhöhung in Kraft trete – jedenfalls dann, wenn künftig keine (oder nur wenige) Sonderrufnummern gewählt würden.

Vertragsverlängerungen

Neben höheren beziehungsweise neuen Tarifen kommt die Erklärungsfiktion auch gerne bei Vertragsverlängerungen zum Einsatz. Dies kann, wie eingangs erwähnt, im Sinne des Konsumenten sein, so es denn rechts­konform geschieht. Und nicht wie bei der Partnervermittlung EliteMedianet GmbH mit Sitz in Hamburg. Dieses Unternehmen "beglückte" seine Kunden mit der Verlängerung ihrer "Premium-Mitgliedschaft" um ganze zwölf Monate. Wer nicht acht Wochen vor Ablauf des alten Vertrages kündigte, bei dem wurde die Mitgliedschaft zum Preis von ­monatlich 39,90 Euro verlängert.

Allerdings fehlten in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen gesetzeskonforme Klauseln, die ein derartiges Vorgehen legitimiert hätten. Das Oberlandesgericht Wien gab der Klage des VKI deshalb statt. Die Partnerbörse ist dabei allerdings nur ein Beispiel unter vielen.

Prämienerhöhung, Generalvollmacht

Skandia: Prämienerhöhung

Kreativ auch der Versuch der Skandia Lebensversicherung AG, die ihren Versicherungs­nehmern im Mai 2012 eine an die Inflations­rate gekoppelte "Indexanpassung" anbot, um sie so "vor einem Kaufkraftverlust" zu schützen. Für die Kunden hätte sich daraus jedoch unabhängig von der Inflationsrate ­eine fixe jährliche Prämienerhöhung um drei Prozent ergeben – und für die Skandia Ver­sicherung ein gutes Geschäft. Hier die entsprechende Klausel:

Bild: VKI 

Zürich Versicherung strebte Generalvollmacht an

Quasi eine Generalvollmacht strebte die ­Zürich Versicherung an, als sie versuchte, ­ihren Kunden folgende Klausel unterzujubeln: "Änderungen bei bestehenden Verträgen müssen zwischen Ihnen und Zürich vereinbart werden. Zürich kann Ihnen dazu jederzeit, ­allerdings frühestens nach Ablauf des ersten Versicherungsjahres, ein Angebot auf Änderung des bestehenden Vertrages unterbreiten. Wenn Sie ein solches, unter Berufung auf diese Klausel gemachtes Angebot zur ­Vertragsänderung nicht innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt des Angebotes ausdrücklich ablehnen, gilt Ihr Schweigen als ­Zustimmung zu diesem Änderungsangebot und wird die von Zürich angebotene Vertragsänderung Vertragsinhalt."

VKI klagte erfolgreich

Für die Versicherungsnehmer hätte dies bedeutet, dass sie jedes Schreiben der Versicherung genaues­tens unter die Lupe hätten nehmen müssen, um festzustellen, ob sich nicht ein "Angebot" darin verbirgt. Der Verein für Konsumenten­information klagte vor dem Handelsgericht Wien und bekam recht.

Schreiben gut durchlesen

Zustimmungsfiktion nicht generell abzulehnen

Für den VKI ist also die Erklärungs- oder ­Zustimmungsfiktion, so sie nicht geltendes Recht verletzt, nicht per se abzulehnen. In bestimmten Fällen kann sie für beide Seiten von Vorteil sein. Voraussetzung ist, dass das Vorgehen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart ist, dem Konsumenten eine ausreichende Frist zum Widerspruch eingeräumt wird und dass es sich bei den Änderungen um keine wesentlichen Vertragsbedingungen handelt.

Grundsätzlich von der Erklärungsfiktion auszunehmen sind Leistungseinschränkungen sowie deutliche Tarif- oder Gebührenerhöhungen.

Lesen Sie die Schreiben gut durch

Die Grenze, ab wann gesetzliche Vorgaben überschritten werden, ist jedoch nicht immer eindeutig zu ziehen. Es muss von Fall zu Fall entschieden werden. Deshalb sollten Kon­sumenten alle Schreiben, die sie von Unternehmen erhalten, mit denen ein Vertragsverhältnis besteht (z.B. Banken, Versicherungen, Telekommunikationsunternehmen), im Hinblick auf Vertragsänderungen oder Kosten­erhöhungen aufmerksam lesen.

Einspruch möglich, Kündigung auch

In der Regel besteht die Möglichkeit zu einem Einspruch. Dabei sollte man allerdings im Auge behalten, dass dies eine Kündigung des Vertrages durch den Anbieter zur Folge haben kann.

Zusammenfassung

  • Erklärungsfiktion. Eine sogenannte Erklärungs- oder Zustimmungsfiktion bedeutet die stillschweigende Zustimmung zu Vertragsänderungen. Sie ist lediglich auf bestehende Ver­träge anwendbar und gilt keinesfalls im Zu­sammenhang mit unverlangt erhal­tener Werbung.
  • Anwendbarkeit. Die vom VKI erwirkten Gerichtsurteile zeigen, dass eine Erklärungsfiktion unzulässig ist, wenn diese Möglichkeit nicht in den AGBs festgehalten ist, die Einspruchsfrist zu kurz gesetzt wurde und wenn wesentliche Vertragspunkte berührt sind.
  • Genau durchlesen. Erhalten Sie Post von einem Unternehmen, mit dem Sie in Geschäftsbeziehung stehen, sollten Sie diese immer genau durchlesen. Unbedeutendere Vertragsänderungen können nämlich durchaus per Erklärungsfiktion vereinbart werden.

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