Der erste Eindruck war positiv: Zwei Drittel unserer Tester erhielten innerhalb von zehn Minuten einen Termin, und nicht ganz die Hälfte der Gespräche fand in geschlossenen Beratungskojen statt – ein nicht zu unterschätzender Vorteil, denn ein ständiges Hin und Her rund um den Beratungstisch, ratternde Münzautomaten in unmittelbarer Nähe und Kundengespräche dicht an dicht können die Aufnahmefähigkeit gehörig beeinträchtigen. Außerdem: Wer offenbart schon gern persönliche Angaben, wenn Umstehende und in der Nähe Sitzende alles mithören können?
Erstberatung benötigt viele Informationen
Bei unserer Erhebung ging es um eine Erstberatung, ein Abschluss war noch keineswegs vorgesehen und wurde auch von den Bankmitarbeitern zum überwiegenden Teil nicht forciert. Um zu wissen, woran der Berater mit dem Kunden ist, braucht er einiges an Informationen. Das Alter kann bei der Produktwahl hilfreich sein; die Angabe von Wohnadresse, Telefonnummer oder E-Mail sind in diesem Stadium aber nicht erforderlich. Trotzdem wurden sie relativ häufig abgefragt, Übereifrige kopierten sogar den Führerschein.
Keine falsche Scham bei Finanzfragen
Weit wichtiger sind die finanziellen Rahmenbedingungen, also neben der Höhe des Veranlagungsbetrags die Frage, ob bereits andere Anlageprodukte vorhanden sind, ob vor allem schon ein Notgroschen (Reserve in Höhe von rund drei Monatsgehältern für Reparaturen und sonstige unerwartete Ausgaben) angespart wurde. Auch die Frage nach dem Veranlagungszweck – Auto- oder Wohnungskauf, Finanzierung des Studiums der Kinder, Hausbau oder Pensionsvorsorge – liefert dem Berater wichtige Hinweise auf das passende Produkt, vor allem hinsichtlich Laufzeit und Risikobereitschaft.
Anlegerprofil erstellen hilfreich aber nicht Pflicht
Die Erstellung eines Anlegerprofils, wie es das Gesetz vor dem Abschluss eines Wertpapiergeschäfts vorschreibt, ist bei einem Erstgespräch nicht Pflicht, aber hilfreiche Kür, weil es bereits die wichtigsten Informationen zu allen anlagerelevanten Fragen liefert. Bedauerlicherweise ist ein Anlegerprofil bei den Beratungsgesprächen in den Wiener Banken in nur 10 von 36 Fällen beim Erstgespräch ausgefüllt worden.
Hier top, dort Flop
Wie weit Beratungsgespräche in die Tiefe gehen, wie gut Kunden informiert und auf ihre Bedürfnisse hin beraten werden, hängt augenscheinlich ganz vom Wissen und Können der jeweils beratenden Personen ab. So wiesen manche Berater ganz offensichtliche Informationslücken auf („Da kenn’ ich mich nicht aus!“).
Bedarfserhebung
Bei der Bedarfserhebung schnitten insgesamt BAWAG P.S.K und Hypo NÖ am besten ab; die einzelnen Beratungsgespräche in deren Filialen unterschieden sich hinsichtlich Bedarfserhebung aber von „weniger zufriedenstellend“ bis „sehr gut“.
Am wenigsten zufrieden waren unsere Tester mit der Bedarfserhebung in den Filialen der Erste Bank sowie der Bank Austria, die vor allem bei den Berufseinsteigern komplett ausließen.
Beratungsqualität
Wie stark die Beratungsqualität vom jeweiligen Bankmitarbeiter abhängt, zeigte sich auch bei der Volksbank: Während einer der Berater mit 95 von 100 Punkten sehr gut abschnitt, wurden bei drei anderen Beratungen nur Werte zwischen 20 und 30 Punkten erzielt. Bei der Bedarfserhebung kann also durchaus noch mehr in die Tiefe gegangen und genauer nach finanziellen Verpflichtungen, sonstigen Vermögenswerten und anderen Rahmenbedingungen gefragt werden.
Produktberatung
Ähnlich durchmischt war die Produktberatung, wobei die Berater der BAWAG insgesamt am besten scorten, am schlechtesten die von unseren Testern aufgesuchten Filialen der Erste Bank und Bank Austria. Kritisiert wurden vor allem fehlende oder nicht ausreichende schriftliche Unterlagen.