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Schöner Bahnhof mit modernem rotem Pendlerzug
Seit Juni gelten neue Bahn-Fahrgastrechte, z.B. bei der Fahrradbeförderung, der Entschädigung bei Verspätung, höherer Gewalt oder Reiseinformationen. Bild: Denis Belitsky/Shutterstock

Fahrgastrechte bei der Bahn: Keine Entschädigung bei höherer Gewalt

, aktualisiert am

Die neuen Bahn-Fahrgastrechte sind in Kraft getreten. Sie bringen Reisenden auch Verschlechterungen.

Am 7.6.2023 ist die neue EU-Verordnung über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr (VO 2021/782) in Kraft getreten.

Fahrräder im Zug und andere Verbesserungen

Sie bringt folgende Verbesserungen:

  • Fahrradbeförderung: Züge müssen mindestens vier Plätze bereithalten. Das ist in Österreich weitgehend erfüllt, in der Praxis aber meist zu wenig.
  • Infos: Bahnunternehmen müssen Reiseinformationen („Zug XX ist um 8 Minuten verspätet“) in Echtzeit zur Verfügung stellen – den Kund:innen und anderen Bahnunternehmen.
  • Voranmeldung: Menschen mit eingeschränkter Mobilität müssen sich, wenn sie Hilfe möchten, 24 Stunden vor Fahrtantritt melden (zuvor 48).

Entschädigung bei Verspätung

Pünktlichkeit ist bei Bahnreisen ein großes Thema. So hatte die Westbahn nach eigenen Angaben 2022 eine Pünktlichkeit von 89,4 Prozent. Die ÖBB geben für die ersten fünf Monate 2023 die Pünktlichkeit mit 95,8 (Nahverkehr) und im Fernverkehr mit 81,7 Prozent an. Wobei 40 Prozent dieser Verspätungen auf die Deutsche Bahn zurückzuführen sind. Schon bisher hatten Reisende mit Einzelfahrschein bei Verspätungen ein Recht auf Entschädigung:

  • ab 60 Minuten 25 Prozent und
  • ab 120 Minuten 50 Prozent des Fahrpreises.

Für internationale Passangebote (Interrail), Pauschalangebote, das Klimaticket sowie Zeitkarten gelten eigene Entschädigungsregeln.

Verschlechterung bei höherer Gewalt

Neu sind die Ausnahmen bei höherer Gewalt – zu Lasten der Kund:innen, zum Vorteil der Bahn. Das Eisenbahnunternehmen muss nun keine Entschädigung mehr zahlen, wenn die Verspätung durch folgende Ursachen entstanden ist:

  • Extremwetter
  • große Naturkatastrophen
  • schwere Krisen in der öffentlichen Gesundheit
  • Verschulden des Fahrgasts
  • Polizeieinsatz
  • Notfälle im Zug
  • Personen auf den Gleisen
  • Kabeldiebstahl
  • Sabotage oder Terrorismus

Höhere Gewalt (also keine Entschädigung) liegt nur dann vor, wenn das Ereignis trotz aller Sorgfalt unvermeidbar war. Klar ist aber auch: Macht zum Beispiel ein betrunkener Fahrgast Ärger und führt das zu massiver Verspätung, bekommt niemand im Zug eine Entschädigung. Das gilt auch bei Notfällen im Zug. Wann ein Extremwetter vorliegt (= keine Entschädigung), ist nicht definiert. Die ÖBB wollen aber die neuen Regelungen kulant auslegen. Einiges werden aber doch die Gerichte klären müssen. Klar ist hingegen: Eisenbahn-Streiks sind keine höhere Gewalt. Bahnreisende haben Anspruch auf Entschädigung.

Kostenlose Speisen und Getränke

Beträgt die Verspätung mehr als 60 Minuten, muss die Bahn Speisen und Getränke zur Verfügung stellen und eine kostenlose Umbuchung auf einen späteren Zug oder auf ein anderes Bahnunternehmen ermöglichen. Unter bestimmten Bedingungen können Fahrgäste eine alternative Weiterreise selbst organisieren und dem Bahnunternehmen in Rechnung stellen. Die Richtlinie nennt für diese alternative Weiterreise Bahn und Bus, nicht aber das Flugzeug.

Reise zwecklos geworden

Ist die Reise zwecklos geworden, kann der vollständige Fahrpreis von der Bahn zurückgefordert werden. Wird die Reise aufgrund der Verspätung nicht fortgesetzt, kann die Bahnreise abgebrochen und ein kostenloser Transport zum Ausgangsbahnhof erfolgen. Für die nicht gefahrene Teilstrecke steht Refundierung in voller Höhe zu.

Durchgangsfahrkarte: Eine für alle

Neu ist die Durchgangsfahrkarte für längere Verbindungen. Bahnunternehmen sind nun verpflichtet, für alle Teilstrecken mit Fern- und Regionalzügen eine einheitliche Fahrkarte auszustellen – die Durchgangsfahrkarte. Voraussetzung: Das Unternehmen muss die Teilstrecken selbst oder über hundertprozentige Tochtergesellschaften anbieten. Die in Teilen absolvierte Reise zählt wie ein einziger Beförderungsvertrag. Die Durchgangsfahrkarte bringt Reisenden bessere Fahrgastrechte, ist im Detail aber kompliziert. Verpassen Reisende bei einer Durchgangsfahrkarte einen Anschluss, haftet das Eisenbahnunternehmen bei Rückzahlung, Weiterfahrt mit geänderter Streckenführung, Entschädigung und Hilfeleistungen. Wer gezielt Einzeltickets stückelt, kann zwar unter Umständen billiger aussteigen, hat aber im Fall der Fälle schlechtere Fahrgastrechte.

Reiseveranstalter

Komplizierter wird es, wenn die Durchgangsfahrkarte bei einem Fahrkartenverkäufer oder Reiseveranstalter, der die Fahrkarten kombiniert hat, erworben wird. Vermittlungs- und Bearbeitungsgebühren sowie die Weiterleitung von Verspätungsinformation sind hier unklar.

Chance nicht gut genutzt

Hintergrund für die Änderung ist, dass die Fahrgastrechte von Bahnkund:innen an die der Fluglinien angepasst werden sollten. Bahnkenner:innen beanstanden allerdings: „Die Chance wurde nicht gut genützt“ (siehe auch: Fahrplanwirrwarr - Rückschritt bei Bahnreise durch Europa). Massive nationalstaatliche Interessen behindern bessere EU-Regeln, denn die Nationalstaaten, so die Kritik, hätten kein Interesse, Fahrgastrechte zu verbessern. Bahnunternehmen würden immer noch in nationalen Kategorien denken und das sei schlecht, "wenn man mit Fluglinien konkurrieren will."

Verspätung: Bericht eines Kunden

Leser Franz L. zum Report Fahrgastrechte aus KONSUMENT 8/2023

Verspätung. Ich bin mit den ÖBB von St. Pölten nach Baden bei Wien mit Umstieg in Meidling gefahren. Die normale Fahrzeit beträgt ca. 1 Stunde und 20 Minuten. Nun, es war so: Mein Zug hatte bereits in St. Pölten Verspätung. Ich musste warten. Deshalb habe ich auch meinen Anschlusszug in Meidling verpasst. Ich musste wiederum warten. Der Folgezug war ebenfalls verspätet. Ich habe erneut warten müssen. Eine Kettenreaktion
von Verspätungen sozusagen. Meine Fahrzeit von normalerweise 1 Stunde 20 hat sich auf über 2 Stunden erhöht. Ich habe die ÖBB gefragt, nach welchem Verfahren sie ihre Verspätungen messen, aber keine Antwort, sondern nur Ausreden erhalten: Man meinte, man könne nicht wissen, wann und wie ich gefahren bin. Das stimmt aber nicht. Ich muss bei der Lösung eines Fahrscheins genau angeben, wann und mit welchen Zügen ich fahren will. Mein Fahrverhalten ist also den ÖBB elektronisch gespeichert bekannt. Auf den Einwand, dass ich die geplante Abfahrtszeit innerhalb von 2 Stunden frei wählen kann, antworte ich, dass dies nur ein Statistikproblem ist, das sich in Bezug auf das Verspätungsverfahren lösen lässt. Ich habe den Eindruck, dass die ÖBB ein Verfahren gewählt haben, mit dem sie in der Öffentlichkeit ihre Verspätungen „schönt“.
Dr. Franz L., per E-Mail

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