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Supermarktkassen - Süße Versuchung

Naschereien im Kassabereich sind ein Ärgernis für viele Eltern. Die Meinungen dazu gehen auseinander.

Viele Eltern kennen das: Man hat es geschafft, den Supermarkt mit dem Kind ohne Geschrei zu durchqueren, hat wohlweislich

Naschereien im Kassenbereich ärgern viele Eltern. Bild: Pitter 

die Süß­warenabteilung umrundet und hängt dann in der Schlange vor der Kassa fest. Und spä­testens da ist es vorbei mit dem zufriedenen Kind: Die Süßigkeiten auf Augenhöhe der ­Kinder sind einfach zu verlockend. Eine Quengelei oder einen Wutausbruch später hat das Kind, was es wollte. Die Eltern bleiben oft mit dem Gefühl der Hilflosigkeit zurück.

Änderungen geplant

Schokoriegel, Kaugummis und andere Süßigkeiten prägen das Bild vieler Ständer im ­Kassabereich. Nach einer Umfrage, in der Kunden sich mehrheitlich gegen Süßigkeiten an der Kassa ausgesprochen hatten, begann die Supermarktkette Lidl in Großbritannien, zuckerhaltige Süßwaren und Schokolade­riegel aus dem Kassenbereich zu entfernen. Auch in Österreich sind Änderungen geplant: „Wir werden noch in diesem Sommer die ­Filialen in ganz Österreich testweise um­rüsten und Süßigkeiten an jeweils einer Kassa durch frisches Obst und Gemüse ersetzen“, erklärt Alexander Deopito, Vorsitzender der Geschäftsleitung von Lidl Österreich.

Verantwortung der Lebensmittelketten

Was des einen Leid, ist des anderen Freud: „Neben Eltern mit Kindern gibt es auch Kunden, die schnell in einen Supermarkt laufen und sich an der Kassa ein Getränk und eine Süßigkeit mitnehmen wollen“, erklärt Mag. Nicole Berkmann von Spar. „Diese Kunden empfinden es als Ärgernis, wenn sie den ganzen Laden durchkreuzen müssen.“ Das Unternehmen hat mehrmals den Versuch unternommen, Kassen ohne Süßigkeiten einzuführen. „Wann immer wir süßigkeitenfreie Kassen angeboten und deutlich ausgeschildert haben, stellten sich die Eltern mit Kindern trotzdem an der Kassa mit der kürzeren Warteschlange an“, fügt Berkmann hinzu.

Gesündere Alternativen

Auch andere Lebensmittelketten haben einzelne Kassen bereits süßigkeitenfrei gemacht: Bei Billa gibt es Kassen, die ausschließlich mit Healthy Choices bestückt sind. „Das sind kleine Snacks, die so portioniert sind, dass sie sich für eine gesunde Zwischenmahlzeit eignen“, erklärt Mag. Katharina Krovat von Rewe International. Dazu gehören Frucht­riegel oder gesunde Knabberprodukte. „Auch bei Merkur wurden gesündere Artikel an der Kassa bereits getestet – aber von den Kunden nicht angenommen“ ergänzt Krovat. „Dennoch sind letztes Jahr die Süßwaren reduziert und dafür diverse Geschenkkarten an den Kassenständern platziert worden.“

Auch ­Hofer bietet schon seit längerer Zeit gesunde Alternativen wie Fruchtsnacks oder Studentenfutter bei der Kassa an. „Eine Ausweitung der gesunden Produkte im Kassenbereich ist geplant“, lässt eine Sprecherin des Diskonters wissen. Und die Pfeiffer Handelsgruppe (Unimarkt, Zielpunkt und Nah&Frisch) prüft laut Pressauskunft „intensiv, wie wir künftig mit diesem Thema umgehen werden.“

Verantwortung der Supermärkte, Erziehung der Eltern

Geteilte Meinungen

Wie weit die Verantwortung von Supermärkten reicht, darüber gehen die Meinungen auseinander. Bei einer Umfrage von Konsument zum Thema waren 48 Prozent der Befragten der Überzeugung, dass Eltern selbst für die Erziehung ihrer Kinder verantwortlich seien. 30 Prozent wollten dies dagegen nicht gelten lassen und fanden, die Supermärkte sollten endlich ihre Verantwortung wahrnehmen. 19 Prozent dürften sich nicht allzu viel davon versprechen; sie glaubten, dass Supermärkte andere Wege finden würden, um Kinder zu verführen.

„Ich fühle mich gefrotzelt, dass ich allein dafür verantwortlich sein soll“, sagt ­Ingrid D., Mutter einer Vierjährigen, dazu. „Soll ich meiner Tochter Augenklappen umbinden? Wir haben jeden dritten Tag eine ­Diskussion an der Kassa – genau dort, wo man schnell das Einkaufswagerl ausräumen sollte. Es würde Eltern das Leben erheblich erleichtern, wenn diese Hürde verschwinden würde!“ Michael E., Vater zweier Kinder im Alter von drei und acht Jahren, sieht das ­ähnlich: „Ich gehe lieber ohne Kinder im ­Supermarkt einkaufen, da es meinen Kindern ziemlich egal ist, wo die Süßigkeiten platziert sind. Sie finden sie immer sehr zielstrebig, nicht nur im Kassenraum.“

Verschiedene Marketing-Methoden

Der deutsche Verein foodwatch, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, verbraucherfeindliche Praktiken der Lebensmittelindustrie zu entlarven und für das Recht der Verbraucher auf sicheres und gutes Essen zu kämpfen, hat eine E-Mail-Aktion an Lidl in Deutschland gestartet. „Im Gegensatz zu Lidl in Großbritannien, der die ,Quengelkassen‘ abschaffen möchte, werden in Deutschland weiterhin Süßigkeiten, Snacks und Softdrinks in der Kassenschlange angeboten“, erklärt Andreas Winkler von foodwatch. „Natürlich tragen letztendlich Eltern die ­Verantwortung für die Ernährung ihrer Kinder, aber die Lebensmittel­wirtschaft trägt auch eine Mitverantwortung für Über­gewicht und Fehlernährung bei Kindern und Jugendlichen“, ergänzt Winkler.

Gezielt an Kinder vermarktete Lebensmittel

Ein foodwatch-Marktcheck hat gezeigt, dass rund drei Viertel aller Lebensmittel, die gezielt an Kinder vermarktet werden, Süßigkeiten, Softdrinks oder salzige und fettige Snacks sind. „Die Lebensmittelbranche versucht mit den perfidesten Marketingmethoden – von TV- und Online-Werbung über Spielzeug­beigaben, Gewinnspiele bis hin zu Sponsoring in Schulen und eben mit den ,Quengelkassen‘ –, Kindern immer noch mehr Junkfood anzudrehen. Gleichzeitig redet sie sich heraus mit dem Argument, die Eltern seien schuld und müssten lernen, nein zu sagen. Das ist unverantwortlich – und das wollen wir so nicht akzeptieren.“

Den Einkauf vorher mit dem Kind besprechen

Dass Eltern die Hauptverantwortung für ihre Kinder tragen, sieht auch Mag. Sabine Schuh so: „Eltern haben oft verlernt, Grenzen zu setzen“, erklärt die Wirtschaftspsychologin mit Schwerpunkt Werbung und Marketing. „Regeln sind für unsere Kinder wichtig, bedeuten aber oft auch Konflikte.“ Wichtig sei, die eigenen Werte den Kindern vorzuleben. „Wenn ich will, dass mein Kind keine Impulskäufe tätigt, dann sollte ich auch selbst ­entsprechend handeln.“ Sie empfiehlt Eltern, vor dem Einkauf mit ihren Kindern zu besprechen, was gekauft wird. „Es kann beispielsweise vereinbart werden, dass das Kind sich eine Süßigkeit oder Ähnliches aussuchen darf, aber auch gesunde Alternativen angeboten werden“, rät die Psychologin.

„Wenn das Kind nun noch eine weitere Kleinigkeit an der ­Kassa möchte, sollte klar kommuniziert werden, dass das Kind die vorher ausgesuchte Sache zurückbringen muss. Das funktioniert schon bei Kindern im Kindergartenalter recht gut.“ Astrid K., Mutter einer Dreijährigen, hat mit dieser Methode gute Erfahrungen ­gemacht: „Ich vereinbare mit meiner Tochter vor dem Einkauf, was wir brauchen und ­kaufen. Das funktioniert recht gut.“

Wie sieht der Umgang der Eltern mit Naschereien aus?

Die Ernährungsexpertin Mag. Hanni Rützler ist darüber hinaus der Meinung, dass Eltern den Umgang mit Naschereien überdenken sollten. „Süßigkeiten bedeuten in vielen ­Familien automatisch Zuwendung und Liebe. Kinder lernen auf diese Weise, schlechter Laune mit etwas Süßem beizukommen – hier geht es dann langfristig nicht mehr ums Essen, sondern um Stressbekämpfung.“ Eine Verhaltensweise, die sich laut Rützler oft bis ins Erwachsenenalter hält.

Psychologin Schuh ist der Meinung, dass ein generelles Verbot von Süßigkeiten im Kassenbereich die „Verführung“ in einen anderen Bereich verlagern würde: „Ein Verbot nimmt den Eltern natürlich den Druck, ständig Grenzen gegenüber ihren Kindern setzen zu müssen. Ich glaube allerdings nicht, dass dadurch das Problem gelöst wird.“ Aber auch Schuh räumt ein, dass die Lebensmittelbranche in die Pflicht genommen werden müsste: „Der Marketingindustrie ist sehr bewusst, dass Kinder die Konsumenten von morgen sind – sonst würde sie nicht so viel Geld in die Kinder-Werbung pulvern.“

Zusammenfassung

Supermärkte reagieren. Zumindest eigenen Angaben zufolge haben viele Lebensmittelketten schon Schritte gesetzt, den Kassenbereich süßigkeitenfrei zu halten. Doch die Verführung würde nur in andere Bereiche verlagert, entgegnen Kritiker.

Was Eltern tun können. So oder so – Eltern bleibt es nicht erspart, ihren ­Kindern Grenzen zu setzen. Ein Tipp: Mit dem Sprössling schon vor dem Gang zum Supermarkt vereinbaren, was gekauft wird.

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