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Lebensmittelkennzeichnung - Noch immer auf Rot

, aktualisiert am

Die Ampelkennzeichnung ist klar und verständlich. Trotzdem mauert die Industrie bei uns seit Jahren gegen dieses einfache Farbleitsystem. Nicht so in Großbritannien.

Großbritannien als Vorreiter

Im Königreich von Queen Elizabeth sollte man leben. Dort gibt es längst eine selbst­erklärende Kennzeichnung von Lebensmitteln. Was an Nährstoffen in einem Produkt steckt, lässt sich in Great Britain durch ein simples Farbleitsystem auf einen Blick er­kennen. Fett, gesättigte Fettsäuren, Salz und Zucker werden bewertet: Grün bedeutet ­einen niedrigen Gehalt, Gelb einen mittleren und Rot einen hohen Gehalt des jeweiligen Nährstoffs.

Lebensmittelampel in Großbritannien (Bild: Screenshot/VKI)  

Wer es ganz genau wissen will, findet auch noch die jeweiligen Gramm­angaben zu Fett & Co. Einmal Hinschauen und für den Kunden ist alles klar. Steht die Ampel bei einigen Inhaltstoffen auf Rot, weiß er, dass er bei diesem Produkt eher selten zugreifen und nur kleinere Portionen davon verspeisen sollte.

Von Verbrauchern am besten verstanden

Das Kennzeichnungsmodell ist wissenschaftlich gut abgesichert. Von allen getesteten Möglichkeiten erwiesen sich die Verkehrsampel und ähnliche farblich codierte Kennzeichnungen für die Hauptnährstoffe als jene Variante, die von den meisten befragten Verbrauchern am besten verstanden wurde. Weiterer Vorteil: Durch die Farbcodierung lassen sich ähnliche Produkte schnell und einfach vergleichen.

Lange wollte die Lebensmittelindustrie nichts von dieser praktischen Orientierungshilfe für Konsumenten wissen. Sie sei irre­führend und würde von den Kunden miss­verstanden, so die Argumente der Gegner. Die Einteilung in gute (grüne) und schlechte (rote) Produkte sei ungeeignet. Außerdem hätten in Rahmen einer ausgewogenen ­Ernährung alle Lebensmittel ihren Platz, nicht bloß bestimmte.

Später Durchbruch

Auch in Großbritannien ging es mit der Einführung der Ampelkennzeichnung lange nur zäh voran. Erst im Sommer vorigen Jahres gelang der Durchbruch, als die Briten es schafften, einige der ganz großen Player im Lebensmittelgeschäft wie PepsiCo, Nestlé, Mars und Premier Food ins Boot zu holen. Inzwischen findet sich auf mehr als der Hälfte der verpackten Lebensmittel in britischen Supermärkten die Ampel auf der Vorderseite der Verpackung.

Nicht vorgesehen

Nicht vorgesehen

Mehrere große Firmen, die auf den Britischen Inseln ihre Produkte mit dem Ampelsystem kennzeichnen, verkaufen auch in Österreich. Wir haben daher bei ihnen nachgefragt, ob sie vorhaben, diese Art der Kennzeichnung auch in Österreich einzuführen. Und so fielen die Antworten aus (eine Erklärung der mehrfach erwähnten GDA-Kennzeichung finden Sie weiter unten im Text):

Hofer (Aldi): „Unsere Form der GDA-Kennzeichnung hat sich bestens bewährt.“

Lidl: „Zur Zeit ist in Österreich eine Einführung des Ampelsystems unseres Wissens nicht in Planung.“

Mars: „Wir bekennen uns zu unserem weltweiten Engagement für die GDA-Kennzeichnung.“

McCain foods: „Die Darstellung der Nährwerte mit Ampelkennzeichnung ist für Österreich derzeit nicht vorgesehen.“

Nestlé: „Zum jetzigen Zeitpunkt ziehen wir eine Einführung eines ähnlichen Systems wie in England in anderen Ländern nicht in Betracht.“

PepsiCo: „Die Entscheidung, die Nährwertkennzeichnung mit Ampelfarben einzuführen, betrifft nur den britischen Markt.“

Keine Ampel in Sicht

Keine Ampel in Sicht

Frustrierende Bilanz: In Österreich und wohl auch in vielen anderen europäischen Ländern bleibt alles beim Alten. Wir werden offenbar noch lange mit der für Kunden öden, bei der Industrie aber beliebten GDA-Kennzeichnung leben müssen.

GDA (Guideline Daily Amounts)

GDA steht für Guideline Daily Amounts. Das sind Richtwerte für die Tageszufuhr von Nährstoffen, wie sie von der Europäischen Kommission im Rahmen des Eurodiet-Projekts festgelegt wurden. Als Grundlage dient hier der Energiebedarf einer erwachsenen normalgewichtigen Frau, die pro Tag mit 2.000 kcal auskommt.

Was in einem Produkt steckt und wie viel die oben beschriebene Durchschnittsfrau davon täglich braucht, wird auf grafisch einheitlich gestalteten Feldern (Fingerprints) in einer Ziffern- und Prozentkombination aufgelistet. Worauf sich diese Angaben beziehen, ob auf 100 Gramm des jeweiligen Lebensmittels oder auf eine Portion, können die Hersteller selbst entscheiden. Und sie dürfen prak­tischerweise auch festlegen, was ihrer Meinung nach eine Portion ist. Letzteres führt, wie wir schon mehrfach feststellen mussten, zu geradezu absurden Portionsgrößen, die nur ein Ziel verfolgen: das Produkt in Zahlen besser dastehen zu lassen.

Wenig Transparenz bzw. Information

Anders als mit dem Ampelsystem können die meisten Kunden mit der bei uns üblichen GDA-Kennzeichnung wenig bis gar nichts anfangen. Vor allem jene, die verständliche Informationen über ein Lebensmittel dringend brauchen würden, wie z.B. sozial Benachteiligte oder auch Kinder, sind durch komplizierte Nährwerttabellen, die mehr Fragen aufwerfen als sie beantworten, nicht erreichbar. Mit Transparenz und ausreichender Information für die Kunden hat dieses System, so viel ist sicher, garantiert nichts zu tun.

Vergleich: mit bzw. ohne Ampel

Geht ja doch: Ampelkennzeichnung im Vergleich am Beispiel Nescafe (Foto: VKI) 

Mit Ampel. Der Kunde erkennt auf einen Blick, dass das Getränk pro Tasse wenig Fett sowie Salz und eine mittlere Portion Zucker enthält.

Lebensmittelkennzeichnung (Foto: Nescafe)

Ohne Ampel. Die Kennzeichnung verrät gerade einmal die Kalorienanzahl pro Tasse. Den Rest dürfen sich die Konsumenten aus einer Nährwerttabelle auf einer Seitenfläche der Verpackung selbst zusammensuchen.

Lebensmittelkennzeichnung (Foto: Nescafe)

Leserreaktionen

Warum bei uns kein Ampelsystem?

In GB geht das, im restlichen EU-Raum offenbar nicht, ist auch nicht angedacht. Da darf sich niemand wundern, wenn die EU-Kritiker und EU-Skeptiker mehr werden. Denn obwohl in der EU daran gearbeitet wird, alles zu vereinheitlichen und zu reglementieren, ist sie bei solch meines Erachtens einfachen Themen überfordert, nicht zuständig, oder was auch immer.

User "SolariX21"
(aus KONSUMENT 10/2014)

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