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Ethik: Orangensaft - Bitterer Beigeschmack

Orangensaft ist der beliebteste Fruchtsaft der Österreicher. Die Produktionsbedingungen im Haupt-Herkunftsland Brasilien bieten nach wie vor Anlass zu teils heftiger Kritik.

Saisonarbeit, Löhne unterhalb des Existenzminimums, hoher Arbeitsdruck sowie Kinderarbeit: Das sind laut einer Studie der deutschen Gewerkschaft ver.di und der entwicklungspolitischen Organisation Christliche Initiative Romero (CIR) aus dem Jahr 2013 die Bedingungen auf brasilianischen Orangenplantagen.

"Sowohl in den Fabriken als auch auf den Plantagen wird unter extremem Druck und ohne angemessene Schutzvorkehrungen gearbeitet. Ausbeutung zu ­Hungerlöhnen auf den Plantagen und in den Saftfabriken ist Alltag", kritisiert Sandra Dusch Silva von Romero. Bis heute habe sich nichts daran geändert.

Menschenunwürdige Bedingungen

Einige Hersteller ­hätten sich offen für den Dialog gezeigt, aber keine relevanten Schritte zur Verbesserung unternommen. Die Arbeiter bekämen keine Sicherheitsschulungen und seien unter teils menschenunwürdigen Bedingungen untergebracht. Die brasilianische Erntehelferin Cicera Coltro erzählt: "Ich bekam keinen ­Arbeitsvertrag und keine Informationen ­vorab über meinen Verdienst."

Coltro und ihre Kollegen mussten ungeschützt im hohen Gras arbeiten und wurden mehrmals von Schlangen gebissen, medizinische Versorgung gab es keine. Die Säcke mit Früchten, die sie auf ihrem Rücken tragen, wiegen bis zu 30 Kilogramm.

9 Euro für zwei Tonnen Orangen

Recherchen der CIR ergaben zudem: Die Plantagenarbeiter erhalten meist befristete Saisonverträge und ziehen von Plantage zu Plantage. Sind sie nicht produktiv genug, erhalten sie in der nächsten Saison keinen Vertrag mehr. Für zwei Tonnen gepflückte Orangen am Tag erhalten die ­Arbeiter laut Studie umgerechnet etwa 9 Euro. Das liegt unterhalb des von brasilianischen Gewerkschaften genannten Existenzminimums.

Orangenanbau: Intensiver Einsatz von Chemie

Die Orangenbäume stehen in Monokultur auf riesigen Plantagen. Das macht sie sehr anfällig für Schädlinge und Krankheiten. Daher werden chemische Pflanzenschutzmittel intensiv eingesetzt. Erntehelferin Coltro berichtet von Traktoren, die direkt ­neben den ungeschützten Arbeitern Pesti­zide versprühten.

Brasilien ist Hauptexportland

Wie der Umsatz verteilt ist

Orangensaft ist der beliebteste Saft der Österreicher: 40 Prozent des Fruchtsaft­absatzes entfallen auf Orangen, Apfelsaft folgt mit 30 Prozent an zweiter Stelle. Ver.di und Romero rechnen in ihrer Studie aus: Von einer Packung Orangensaft, die im Supermarkt etwa 89 Cent kostet, gehen 19 Cent an die Supermarktkette, rund 25 Cent er­halten die Abfüllunternehmen, 14 Cent sind Steuern, etwa 11 Cent kosten Transport, ­Zölle und Verwaltung.

Bleiben 20 Cent. Von diesen müssen die Kosten des Orangen­anbaus und der brasilianischen Saftindustrie gedeckt werden; was dann noch übrig bleibt, bekommen die brasilianischen Arbeiter als Lohn (Zahlen für Deutschland; für Österreich annähernd gleich).

Arbeitsvermittler und Lohndumping

70 Prozent der Orangensaft-Ausfuhren Brasiliens werden in die EU importiert – obwohl Mitgliedsländer wie Spanien und Italien ebenfalls Orangen anbauen. Drei Großkonzerne beherrschen den Markt in Brasilien: Citrosuco, Louis Dreyfus und Cutrale. Bereits im Anbauland werden die Früchte entsaftet. Der kleinere Teil des Saftes wird als Direktsaft exportiert, der Großteil zu Konzentrat verarbeitet.

Für die Arbeiter auf ihren Plantagen sind die Konzerne in der Regel rechtlich nicht als ­Arbeitgeber verantwortlich – die Orangenpflücker schließen ihren Vertrag mit Arbeitsvermittlern, sogenannten Gatos, ab. Das ­ermöglicht der Saftindustrie laut ver.di und Romero, die Löhne zu drücken.

Kleinbauern müssen an Konzerne verkaufen

Viele Plantagen werden auch von Kleinbauern betrieben, die aufgrund der Marktmacht der Großkonzerne jedoch gezwungen sind, ihre Orangen an diese Unternehmen zu verkaufen. Die drei Marktführer können, so die Studie, den Preis, den sie den Bauern zahlen, fast beliebig ­bestimmen – auch, weil sie sich zu Beginn der Ernte untereinander absprechen. Im Jahr 2012 wurden sie wegen Kartellbildung in Brasilien zu Geldstrafen verurteilt.

In den letzten Jahren haben die meisten ­Hersteller und Vertreiber von Orangensaft Bemühungen unternommen, um Mindeststandards für die Arbeitsbedingungen durchzusetzen; auch in Österreich (siehe Kapitel "Was die Anbieter dazu sagen"). Doch trotz der teils sehr gut dokumentierten Aktivitäten ist der Alltag der meisten Plan­tagenarbeiter und Kleinbauern noch immer von Not und Elend geprägt.

Orangensaft aus fairem Handel

Alternative: fairer Handel

2012 wurden weltweit 37 Millionen Liter Orangensaft mit dem Fairtrade-Gütesiegel verkauft. Das kommt Kleinbauernfamilien zugute, die sich in Kooperativen organisiert haben; die Mitglieder sind an allen wichtigen Entschei­dungen direkt und demokratisch beteiligt. Bei Fairtrade-Orangen-Fruchtsaftkonzentrat gibt es überdies einen allgemeinen Standard für Plantagenanbau, der für faire Arbeits­bedingungen sorgt.

System: Mengenausgleich

Bei 75 Prozent der Fairtrade-Produkte ist eine direkte Rückverfolgbarkeit gegeben, die über eine detaillierte Dokumentation erfolgt. In dieser wird dargestellt, woher ein Produkt stammt und wohin es verkauft wurde. Die direkte Rückverfolgbarkeit ist dann nicht möglich, wenn Firmen, die ihre Produkte weiterverarbeiten, Fair­trade-Produkte aus technischen Gründen nicht separieren können – so auch bei Orangen.

"Wir arbeiten hier mit dem Mengen­ausgleich", erklärt Hartwig Kirner, Geschäftsführer von Fairtrade Österreich. "Das bedeutet, dass die Menge an Orangen, die für einen Fairtrade-zertifizierten Orangensaft benötigt wird, von einer Kooperative gekauft, aber nicht zwangsläufig in eben diesem Orangensaft verwendet wird."

Besserer Preis und Arbeitsbedingungen

In jedem Fall erhalten Produzentenorganisationen, die Fruchtsaftkonzentrat über das Fairtrade-System verkaufen, einen angemessenen Preis sowie die Fairtrade-Prämie, die für Soziales, Infrastruktur oder Bildung verwendet werden kann. Zudem steht Fairtrade für bessere ­Arbeitsbedingungen und vorgeschriebene Umweltrichtlinien.

Kritik an Fairtrade

Doch auch dieses System wird immer wieder kritisiert. Die deutsche Stiftung Warentest bemängelte 2014 in einem Test mangelhafte Arbeitsbedingungen auf einer Fairtrade-zertifizierten Orangenplantage.

Fairtrade Deutschland nahm dazu Stellung: "Der konkrete Vorwurf, dass ein einzelner Kleinbauer auf seiner Farm kein CSR- bzw. Umwelt­management installiert hat, spiegelt nicht die Lebensrealität von Kleinbauern wider. Die Tatsache, dass diese Farm in einer Kooperative organisiert ist und dass ein solches Management auf Kooperativen-Ebene sehr wohl vorhanden ist, wurde im Test nicht ­aufgeführt."

Zusammenfassung

  • Viele Missstände. Nach Angaben von Herstellern und Handelsketten werden an die Lieferanten sehr strenge Anforderungen gestellt. Doch viele davon scheinen noch nicht in der Praxis angekommen zu sein.
  • Gütesiegel. Greifen Sie zu Fairtrade- und Bio-Produkten. Diese gewährleisten faire Arbeitsbedingungen und umweltverträgliche Herstellung.
  • Druck machen. Kritische Fragen an Unternehmen können diese ermuntern, sich dafür einzusetzen, dass sich nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der ­Praxis etwas zum Besseren verändert.

Was die Anbieter dazu sagen

Pfanner

Pfanner bezieht das Orangensaftkonzentrat nur von SGF (Sure-­Global-Fair)-zertifizierten Produzenten und ist selbst Mitglied des SGF. Lieferanten müssen sich zur Einhaltung des Pfanner Verhaltenscodex (Ressourcenverbrauch und Nachhaltigkeit, Integrität und Ethik im Geschäftsleben, soziale Verantwortung, Qualität) schriftlich verpflichten.

Rauch

Rauch bezieht Orangensaft(konzentrat) von den drei großen brasilianischen Produzenten und verweist auf den europäischen Fruchtverband (AIJN), der in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission den Arbeitsbedingungen im Herkunftsland auf den Grund geht. Rauch arbeitet zudem mit dem SGF zusammen.

Rewe (Billa, Merkur, Adeg)

Rewe bezieht Orangensaft von Pfanner (siehe oben). Für das Orangensaftkonzentrat für Ja! Natürlich werden Orangen aus biologischer Landwirtschaft verwendet; Herkunft: Mexiko (Firma Citrofrut).

Spar

Spar bezieht die Orangensäfte der verschiedenen Spar-Marken von renommierten österreichischen Safterzeugern und möchte die genauen Hersteller nicht bekannt geben. Alle Lieferanten verfügen über umfangreiche Compliance-Richtlinien, und die Vor-Lieferanten werden zur ­Einhaltung der geforderten Normen verpflichtet.

Hofer

Alle Orangensaft-Produzenten sind Mitglied des SGF. Hofer fordert von seinen Lieferanten die Einhaltung der Richtlinien zur verantwortlichen Unternehmensführung, festgeschrieben in der Aldi Süd Corporate Responsibility Policy.

Lidl

Das Orangensaftkonzentrat der Eigenmarke Vitafit stammt aus Brasilien; der Lieferant Niederrhein-Gold verpflichtet seine Zulieferer vertraglich zu nachhaltigem Wirtschaften, sozialen Standards und Umweltschutz; hat auf die Romero-Studie mit einem Kontrollbesuch reagiert.

Buchtipp: "Nachhaltig leben"

Durch das eigene Konsumverhalten einen Beitrag zu einer "besseren" Welt zu leisten, ist der Wunsch vieler Verbraucher. Doch welche Möglichkeiten hat der Einzelne, dies im Alltag umzusetzen? Unser Buch gibt Tipps und Anregungen für all jene, die ganz individuell zu einem verantwortungsvollen Lebensstil finden wollen.

www.konsument.at/nachhaltig-leben

Aus dem Inhalt

  • Lebensmittel: fair und natürlich
  • Lifestyle: modisch, aber ökologisch
  • Mobilität, Tourismus, Freizeit
  • Nachhaltigkeit im Haushalt
  • Abfall vermeiden, Ressourcen schonen
  • Trend: gemeinsam nutzen statt besitzen

160 Seiten, 14,90 € + Versand

KONSUMENT-Buch: Nachhaltig leben (Bild:VKI)

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