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Hühnerfleisch aus Brasilien - Leid für Mensch und Tier

Huhn gehört international zu den beliebtesten Fleischsorten. Knapp die Hälfte des weltweit exportierten Geflügelfleisches stammt aus Brasilien. Produziert wird es unter qualvollen Bedingungen für Mensch und Tier.

Hühner: Schlachtfabrik im brasilianischen Bundesstaat Rio Grande do Sul (Foto: MPT/RS)
Irgendwo in einem Geflügelschlachthof in Brasilien stehen Hunderte von Arbeitern dicht gedrängt am Fließband. Ihre Aufgabe ist das Trennen, Entbeinen und Schneiden der verschiedenen Hühnerteile. Sie arbeiten mit scharfen Messern, führen stundenlang die ewig gleichen Bewegungen aus. Im Raum ist es kalt. Die Geschwindigkeit des Fließbands wurde erhöht, um die Zeit für die vorgeschriebenen Pausen wettzumachen. Die Folge: Bei den in der Geflügelschlachtung und Verarbeitung Beschäftigten kommt es landesweit zu den meisten Krankheiten und Verletzungen.

Riesige Industrie

Brasilien liegt hinter den USA auf Platz zwei der größten geflügelproduzierenden Länder und ist die bedeutendste Kraft im internationalen Handel mit Geflügel. Im Jahr 2016 wurden dort 5,86 Milliarden Hühner geschlachtet.

Für die Europäische Union ist es das wichtigste Herkunftsland von importiertem Hühnerfleisch. Brasilianische Hühner machen etwa 60 Prozent der Einfuhren aus, davon entfallen 76,2 Prozent auf verarbeitetes und gesalzenes Geflügel. Der Großteil der Lieferungen in die EU geht nach Belgien, Deutschland und Großbritannien. Diese europäischen Staaten sind aber nicht zwingend jene Länder, wo das Hühnerfleisch letztlich verkauft und konsumiert wird.

Zwei multinationale Konzerne: BRF und JBS

Die brasilianische Geflügelindustrie dominieren vor Ort zwei multinationale Konzerne: BRF und JBS. BRF ist das größte Geflügelunternehmen des Landes, mit 105.000 Mitarbeitern, und gehört großteils einem Investmentfonds. JBS ist eine brasilianische Aktiengesellschaft; das größte Unternehmen des Landes, aber auch der größte Fleischproduzent der Welt. Der Großteil der brasilianischen Geflügelexporte im Jahr 2013 stammte von BRF und JBS.

Ausbeuterische Arbeitsbedingungen

Ausbeuterische Arbeitsbedingungen

Seit zehn Jahren beobachtet die brasilianische nichtstaatliche Organisation (NGO) Reporter do Brasil die Situation der Arbeiter in den verschiedenen Produktionsketten der Fleischindustrie und dokumentiert krank machende und ausbeuterische Arbeitsbedingungen. Trotz einiger Verbesserungen in den vergangenen Jahren gibt es nach wie vor große Probleme.

Wie auch eine Kampagne der Christlichen Initiative Romero (CIR) in Deutschland nun aufdeckte, sind in der brasilianischen Geflügelmast sowie in den Schlachtfabriken Arbeitszeiten von bis zu 17 Stunden an der Tagesordnung. Die dafür bezahlten Löhne liegen weit unter dem Existenzminimum. Dazu kommen Wuchermieten für heruntergekommene Unterkünfte. Sie werden, ebenso wie die Kosten für die spärliche Verpflegung, den Arbeitern oft vom Lohn abgezogen.

Skandal hat System

Besonders die Wanderarbeiter, die als Hühnerfänger in den Mastbetrieben arbeiten, werden dadurch in sklavenartige Abhängigkeit getrieben. Sie ziehen von Hühnerfarm zu Hühnerfarm und müssen dort die schlachtreifen Hühner einfangen und in Transportkisten stecken. „Dieser Skandal hat System: Auf der Suche nach dem billigsten Lieferanten scheuen Supermärkte und Diskonter nicht davor zurück, Ausbeutung und Menschenrechtsverletzungen in der Produktion in Kauf zu nehmen“, erklärt Sandra Dusch Silva von der CIR.

Internationale Kampagne SUPPLY CHA!NGE

Die CIR koordiniert die internationale Kampagne SUPPLY CHA!NGE, die sich für soziale und ökologische Verbesserungen entlang der Lieferketten von Supermarktketten einsetzt. Auch die österreichische Menschenrechtsorganisation Südwind und die Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 sind Teil dieser Kampagne und bieten weitere Informationen zu diesem Thema.

Ökologische Auswirkungen

Ökologische Auswirkungen

Natürlich hat die Massenverarbeitung von Geflügelfleisch auch ökologische Auswirkungen: Geschätzte 14,5 Prozent der durch die Lebensmittelproduktion verursachten Treibhausgasemissionen stammen aus der Geflügelzucht. (Global gesehen haben die Rinderzucht mit 41 Prozent und die Milcherzeugung mit 20 Prozent die größten Auswirkungen auf das Klima.)

Hauptursache für Emissionen in der Produktionskette von Geflügel ist die Tierfutterproduktion. Hier geht es vor allem um den Anbau, die Düngung, die Verarbeitung und den Transport von Mais und Sojabohnen. Wird in diese Schätzung die Umwandlung von Waldflächen in Sojabohnenplantagen eingeschlossen, steigt der Wert nochmals deutlich an.

Gesundheitliche Probleme für Mensch und Tier

Aber auch durch die Hühnerhaltung wird klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) produziert. Zusätzlich kommt es zu einem massiven Ausstoß von Ammonium. Die Folgen sind gesundheitliche Probleme für Mensch und Tier sowie eine mögliche massive Schädigung der Wasserqualität und empfindlicher Ökosysteme.

Und noch eine Zahl: Elf Prozent des Wasserverbrauchs in Brasilien gehen auf das Konto der Tierzucht. Die Entsorgung von umweltschädlichen Industrieabfällen in Flüssen und Böden führt außerdem zu einer konstanten Verschmutzung der Gewässer und des Grundwassers.

Gammelfleisch-Skandal

Gammelfleisch-Skandal

Im März 2017 gab es den sogenannten Gammelfleisch-Skandal: Die brasilianische Bundespolizei deckte Missstände bei der Hygiene in 21 Industrieanlagen für Rinder-, Schweine- und Hühnerschlachtungen auf. Nach Angaben der Polizei zeigten die Ermittlungen, dass korrupte Mitarbeiter der Gesundheitsbehörden sowie Kontrolleure des brasilianischen Landwirtschaftsministeriums den Verkauf von Gammelfleisch in einigen Schlachthöfen gedeckt hatten.

Auch die größten Geflügel exportierenden Unternehmen BRF und JBS waren in den Skandal verwickelt. Doch bereits einige Wochen nach Bekanntwerden der Vorwürfe hatten die meisten großen Importmärkte – einschließlich der Europäischen Union – den Handel mit der brasilianischen Geflügelindustrie wieder aufgenommen.

Umdenken bei den Herstellern

Auch in Österreich wurde Geflügelfleisch aus Brasilien im Supermarkt verkauft, zum Beispiel als Hühner-Nuggets. Derzeit steckt in den von uns untersuchten Produkten kein brasilianisches Hühnerfleisch, wie unser aktueller Test Hühner-Nuggets - Nix Gscheites unter der Panier zeigt. „Offenbar hat der Hühnerfleischskandal aus dem Jahr 2017, aber auch die Kampagne von SUPPLY CHA!NGE zu einem Umdenken bei den Herstellern geführt“, sagt Stefan Grasgruber-Kerl von Südwind.

Bei den großen Fastfood-Ketten nachgefragt

Und was ist mit den Hühner-Nuggets, die bei den großen Fastfood-Ketten über die Theke gehen? Für Chicken McNuggets von McDonald‘s wird nun laut Unternehmenssprecherin Tara Bichler kein brasilianisches Fleisch mehr verarbeitet. Burger King antwortete auf unsere KONSUMENT-Anfrage: „Aufgrund gegenseitig geltender Geheimhaltungserklärungen mit Lieferanten können keine Informationen betreffend Produkte und Lieferanten bekannt gegeben werden.“ Auf eine Antwort von Kentucky Fried Chicken warten wir noch.

VKI-Tipps

  • Besser nicht. Vermeiden Sie wenn möglich Produkte aus Massentierhaltung.
  • Reduzieren. Verzichten Sie öfter auf Fleisch. Und wenn es doch ein Fleischgericht sein soll, kaufen Sie hochwertiges Fleisch, z.B. in Bio-Qualität.
  • Bevorzugen. Verwenden Sie saisonale und regionale Lebensmittel, deren Ursprung und Produktionsmethoden Sie kennen.

Mehr zum Thema

Warum man Bio-Fleisch herkömmlichen Produkten vorziehen sollte: SUPPLY CHA!NGE

Stichworte Tier- und Umweltschutz, alles über den Fleischkonsum in Österreich: Global 2000

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