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Fairphone 2 - Das nachhaltigere Smartphone

Mit dem Fairphone 2 geht der niederländische Hersteller seinen nachhaltigen Weg konsequent weiter.

Niedrige Löhne, exzessive Überstunden, Verletzung des Vereinigungsrechts – das sind nur einige Probleme im Bereich der Handyproduktion. Dazu kommen Konfliktmineralien wie Coltan und Zinn aus Kriegsgebieten: Für die Produktion von Mobil­telefonen wird unter anderem das seltene Metall Tantal verwendet, da es sich zur Herstellung leistungsfähiger Kondensatoren bestens eignet.

Gewonnen werden kann Tantal aus dem Erz Coltan, welches zu einem Großteil in der Demokratischen Republik Kongo (DRC), abgebaut wird. Seit 1996 herrschen im Kongo Bürgerkrieg bzw. bewaffnete Konflikte. Jeder Cent, den die Kriegsparteien durch den Verkauf von Rohstoffen verdienen, fließt in Waffenkäufe, verlängert und verschärft den Krieg.

Mehr Transparenz bei Rohstoffen

Fairphone, Social Enterprise (Unternehmen mit sozialer Zielsetzung) mit Sitz in den ­Niederlanden, setzt auf Transparenz in der gesamten Lieferkette: "Für das Fairphone lassen wir Tantal aus dem Kongo über lokale NGOs als konfliktfrei zertifizieren", bestätigt Fairphone-Sprecher Fabian Hühne.

"Das Konfliktmineral Wolfram wird in Ruanda in einer semi-industriellen Mine abgebaut, die im Vergleich zu den sehr handwerklich geprägten Minen im Kongo deutlich bessere Arbeitsbedingungen hat – vor allem in Bezug auf Sicherheit und Gesundheit." In jedem Fairphone 2 (FP2), dem stark verbesserten Nachfolgemodell, kommen zudem Platinen des österreichischen Leiterplattenspezialisten AT&S mit 13 Milligramm Gold aus fairer Produktion zum Einsatz.

Arbeitsbedingungen und Recycling

Auch bei den Arbeitsbedingungen hat Fairphone die Nase vorn: "Wir arbeiten eng mit unseren Partnern vor Ort zusammen, um zu schauen, wie wir die Bedingungen zusammen verbessern können", so Hühne. Mit einem früheren Hersteller hat Fair­phone modellhaft einen Worker-Welfare-Fonds aufgebaut; im Moment wird daran gearbeitet, ein ähnliches Projekt durch­zuführen. Recycling wird großgeschrieben. Zum einen kann man das Fairphone zum Recyceln einschicken. Zum anderen kauft das Unternehmen laut Hühne Elektroschrott aus Afrika zurück, um ihn sicher in Europa recyceln zu lassen.

Fabian Hühne Fairphone-Sprecher (Bild: fairphone.com)

Fabian Hühne
Fairphone-Sprecher

"Am nachhaltigsten ist es, ein Smartphone möglichst lange zu nutzen."

Lange Lebensdauer, Gütesiegel

Modulare Bauweise

Um die Nachhaltigkeit seiner Geräte zu erhöhen und Ressourcen zu schonen, priorisiert Fairphone bei seinem zweiten Modell eine lange Lebensdauer. Dazu setzt man beim FP2 auf eine modulare Bauweise: Ist ein Bauteil kaputt oder nicht mehr auf dem neuesten Stand, kann er ausgetauscht werden. Der Nutzer kann die Reparatur selbst vornehmen, da die Einzelteile nicht fest verlötet oder verklebt sind.

"Ich habe nach einem unter schriftlicher Anleitung des Kundenservice selbst durchgeführten Test ein neues Mikro bekommen und eigenhändig ausgetauscht", sagt FP2-Nutzerin Marion Bock. "Es war ganz einfach."

Schlechter Akku, guter Support

Es gibt aber auch Beanstandungen, vor ­allem über die kurze Akkulaufzeit oder ­immer wiederkehrende Abstürze. Auf der anderen Seite bestätigen Nutzer die unkomplizierte Abwicklung von Beschwerden und die kompetente Unterstützung durch das Support-Team.

Tatsache ist: Einen Service wie bei den großen Handyproduzenten darf man sich bei Fairphone nicht erwarten – es handelt sich um einen relativ kleinen Betrieb, dessen Mitarbeiter sich mit viel Engagement der guten Sache widmen. "Ich nehme die kleinen Mängel gerne in Kauf, da für mich die Vorteile überwiegen", meint dazu FP2-Nutzerin Alexandra Rotter.

Mit "Blauer Engel" zertifiziert

Die Ausnahmestellung des Fairphone unter den Mobiltelefonen wird dadurch unterstrichen, dass das FP2 als erstes Smartphone mit dem Gütesiegel "Der Blaue Engel" zertifiziert wurde. Zudem wurde Fairphone-Gründer Bas van Abel 2016 mit dem ­Deutschen Umweltpreis ausgezeichnet.

Die Kriterien:

  • geringe elektromagnetische Strahlenbelastung
  • Anforderungen zur Verlängerung der Nutzungsdauer
  • Förderung von Rücknahmesystemen und recyclinggerechte Konstruktion
  • Vermeidung umwelt- und gesundheitsbelastender Chemikalien
  • austauschbarer Akku
  • Garantiedauer mindestens 2 Jahre
  • Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen beim Zusammenbau des Gerätes

Kooperation mit T-Mobile

Als erster österreichischer Mobilfunkanbieter ging T-Mobile eine langfristige Partnerschaft mit dem niederländischen Sozial­unternehmen ein und bietet seinen Nutzern seit 2016 das Fairphone an.

Smartphones im Fairness-Test

Smartphones im Nachhaltigkeits-Test

Im Mai 2013 stellte die schwedische Überprüfungsinitiative TCO Development das Samsung Galaxy S4 als das erste Smartphone vor, das ihren Umweltanforderungen sowie Anforderungen an faire Arbeitsverhältnisse in der Produktion entsprach. Wenig später kam das erste Fairphone auf den Markt.

Fairphone erfüllt viele Fairness-Krite­rien

Zwei Jahre danach verglich eine Studie des niederländischen Centre for Research on Multinational Corporations (SOMO) gemeinsam mit der Entwicklungsorganisation Südwind die Standards beider Modelle. Von den 34 darin überprüften Nachhaltigkeitskrite­rien erfüllt das Fairphone 20, die über den industrieüblichen Standards liegen; vor allem, was die Vermeidung sogenannter Konfliktmineralien und die Verhältnisse in den Rohstoffminen betrifft.

Aber auch bestimmte Kriterien betreffend die Arbeitsbedingungen in der Herstellung und die Transparenz in der Lieferkette bis hin zur Bekämpfung der Elektromüll-Problematik werden positiv bewertet. Verbesserungsbedarf gibt es bei den Beschwerdemechanismen für Arbeiter in den Produktionsstätten.

TCO-Zertifikate eher mittelmäßig

TCO-Development-zertifizierte Samsung-Smartphones der Serie Galaxy S4 sowie das Galaxy Note lagen nur bei sieben Kriterien über dem industrieüblichen Standard, bei elf entsprachen sie anderen konventionell hergestellten Produkten.

Sechzehn wurden als "nicht genügend erfüllt" eingestuft. "Es ist bedauerlich, dass Smartphones, die von TCO Development zertifiziert werden, kaum besser abschneiden als nicht zertifizierte, aber dennoch als 'fair' bezeichnet werden", sagt Elisabeth Schinzel von Südwind.

Kurze Lebensdauer des Fairphone 1

Es war ein dicker Wermutstropfen, als Fairphone im Juli 2017 bekannt gab, dass der Support für das FP1 (Vorgängermodell des FP2) eingestellt werde; soll heißen, kein Software-Update mehr, keine Ersatzteile. Dreieinhalb Jahre nach dem Start – nicht gerade ein Muster für lange Lebensdauer. In den Internetforen machten viele Kunden ihrem Ärger Luft. Ist es das Ende eines ambitionierten Projekts? Ein herber Rückschlag jedenfalls.

Man sollte aber nicht vergessen, dass es sich um ein Experiment handelt – das natürlich auch scheitern kann. Doch danach sieht es nicht aus. Mit der zweiten Generation, dem FP2, konnte das Fairphone-Team bemerkenswerte Fortschritte erzielen.

Stärken und Schwächen des Fairphone 2

+ sehr schnell und einfach zu reparieren
+ nachhaltiges Konzept
+ Herstellung nach fairen Grundsätzen
+ potenziell hohe Lebensdauer
+ gutes Display
+ einfache Touchscreen-Bedienung

– durch die Gummihülle etwas klobig
– lange Lieferzeiten
– schwacher Akku

Ersatzteile austauschen: So einfach

Wir haben das ausprobiert. Wer das Innenleben herkömmlicher Smartphones kennt, wird sich wundern, wie einfach das Fairphone 2 zerlegt werden kann.

Da gibt es keinen zugeschweißten oder zugelöteten Block, sondern Teile, die sich einfach trennen lassen. Klappt man die Gummiverkleidung herunter, sieht man durch die transparente Kunststoffhülle schon das elektronische Innenleben. Man muss nur zwei Schieberegler be­tätigen, um Ober- und Unterteil zu trennen und Zugang zu den Modulen zu bekommen.

Foto: fairphone.com (Creative Commons license Attribution-NonCommercial-ShareAlike CC BY-NC-SA)

Nur ein Schraubenzieher

Die wichtigen sind alle einfach verschraubt, etwa die Kameraeinheit. Man benötigt tatsächlich nur einen Schraubenzieher, um defekte Teile auszutauschen und fragt sich, warum das Milliardenkonzerne wie Apple oder Samsung nicht zustande bringen.

Etwas einschränken muss man das Lob allerdings schon. Man sollte keineswegs versuchen, die Schrauben mit einem gängigen Schraubenzieher aufzudrehen, der ist viel zu groß. Vielmehr sollte man sich ein Uhrmacherset zulegen und hier den passenden (Kreuz-)Schraubenzieher verwenden. Sonst riskiert man, die Schlitze zu zerstören, denn das Material ist ausgesprochen weich. Die Schrauben wird man dann nie wieder aufbringen.

Mit Fingerspitzengefühl

Generell ist ein gewisses Fingerspitzengefühl und eine ruhige Hand gefordert. Es kann leicht etwas zerbrechen, wenn man zu forsch agiert. Auch beim Verschieben der Schieberegler und beim Trennen von Ober- und Unterteil muss man behutsam vorgehen.  Das ist nicht jedermanns Sache – vielleicht bittet man besser einen Freund, Nachbarn oder sein Enkerl um Hilfe.

Empfehlenswert ist, sich zunächst einmal auf einem Video anzusehen, wie man beim Zerlegen bzw. Zusammenbauen vorgehen muss (www.youtube.com/watch?v=ggIPpbze8ec). In jedem Fall aber ist das Modularkonzept von Fairphone ein Riesenfortschritt gegenüber herkömmlichen Smartphones, die man nicht einmal um viel Geld reparieren lassen kann.

Noch etwas sollte man wissen: Im Fall des Falles muss man Geduld haben. Ersatzteile sind nicht immer schnell lieferbar. Bei unserem Versuch Ende Juni war das Display gerade nicht verfügbar. Man konnte sich nur auf eine Liste setzen lassen und warten – ohne Angabe der Zeit. Da sind diejenigen im Vorteil, die ein billiges Zweithandy nicht gleich entsorgt, sondern als Nottelefon behalten haben ...

Mehr zum Thema

- Blog: Warum sich KONSUMENT-Redakteur Peter Blazek für das Fairphone entschieden hat, lesen Sie in seinem Blog "Telefonieren ohne Beigeschmack": Telefonieren ohne Beigeschmack - Kommentar von KONSUMENT-Redakteur Peter Blazek

- Fairphone 1: Fairphone - Nicht fair, aber fairer als alle anderen

- Das Fairphone 2 im Test: Smartphones - In Bewegung gekommen

- Fairphone Forum: Fairphone: Forum

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- Der Blaue Engel: Fairphone

Leserreaktionen

Unzufrieden

Ich habe das Handy im Juni 2016 gekauft. Bereits im Dezember 2016 zeigten sich erste Mängel. Das Handy war insofern nicht mehr funktionstüchtig, als dass sich der seitliche Standby-Button, mit dem man das Handy bzw. Display sperrt oder auch abdreht/neu startet etc., über mehrere Stunden nicht bedienen ließ. Es funktionierte oft Tage wunderbar, dann wiederum trat das Problem mehrmals pro Stunde auf. Zur Zeit lässt sich der Button gut bedienen, das Handy dreht sich aber immer wieder auf und ab ohne erkennbaren Grund – Abstürze, auch wenn es gar nicht in Verwendung ist. So weit so schlecht.

Das wirklich ärgerliche war:

  • Erste Anfrage an Fairphone 31.1.2017 – keine Antwort erhalten, bis heute nicht
  • Zweite Anfrage an Fairphone 6.2.2017 – keine Antwort erhalten, bis heute nicht
  • Anfrage an VKI 8.6.2017 – Weiterleitung an Europäisches Verbraucherzentrum Österreich
  • Antwort vom Europäischen Verbraucherzentrum 12.6.2017 – Weiterleitung an Europäisches Verbraucherzentrum Niederlande

Da es sich offensichtlich um ein komplexeres Problem handelt (verändert sich dauernd) und nicht einfach um eine hängende Taste, kann ich das Problem nicht selbst beheben. Softwareupdates mache ich regelmäßig. So funktioniert die Idee des Fairphone nicht, denn so vergeht es einem, ein Handy zu reparieren. Ich bin wirklich wütend; vor allem, weil die Idee eine prinzipiell so positive für mich war.

Katja K.
E-Mail
(aus KONSUMENT 11/2017)

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