Auch wenn die Rechtslage noch so klar und eindeutig ist: Österreichische Konsumentinnen und Konsumenten haben es oft nicht leicht, zu ihrem Recht zu kommen. Im Interview äußert sich der Leiter des Bereiches Recht, Dr. Peter Kolba dazu, warum Rechtsbruch für Unternehmen hierzulande ein lohnendes Geschäft ist und was nötig wäre, um den Verbraucherschutz zu verbessern.
|
Dr. Peter Kolba |
Lohnt es sich für österreichische Unternehmen, Gesetze zu übertreten?
Ja, es zahlt sich aus für österreichische Unternehmen, Recht zu brechen, weil der österreichische Gesetzgeber nur ein sehr unzureichendes Instrumentarium zur Verfügung stellt, Gesetzesübertretungen abzustellen oder unattraktiv zu machen. Selbst wenn ein Gesetzesbruch gerichtlich festgestellt wird, kann die dafür vorgesehene Strafe meist quasi aus der Portokassa beglichen werden.
Jeder kalkulierende Unternehmer ist also dumm, wenn er die Gesetze einhält?
So könnte man es überspitzt ausdrücken. Ein aktuelles Beispiel ist etwa die Zahlscheingebühr, die von diversen Unternehmen für Überweisungen eingehoben wurde. Der Gesetzgeber hat in Umsetzung einer EU-Richtlinie mit 1.11.2009 klar und deutlich formuliert, dass diese Entgelte unzulässig sind. Die Mobilfunkbetreiber, Versicherungen, aber auch andere Unternehmer, die damals üblicherweise Zahlscheingebühr einhoben, haben trotzdem munter weiter kassiert.
Weil sie ohne Angst vor Strafe Kasse machen konnten?
Ja, und fünf Jahre lang sind sie gut damit gefahren. Der VKI ist zwar sofort gerichtlich gegen diese illegale Verrechnung der Zahlscheingebühr vorgegangen. Wir haben in allen Instanzen bis zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) Recht bekommen, doch die beklagten Firmen haben die Verfahren immer weitergezogen und der Weg durch die Instanzen dauert seine Zeit. Erst nach fünf Jahren entschied der Oberste Gerichtshof der Republik Österreich sinngemäß: "Das, was im Gesetz steht, das ist ernst gemeint und soll angewendet werden". In den fünf Jahren haben die Unternehmen aber weiterhin illegales Zahlscheinentgelt kassiert.
Das sie jetzt doch wohl zurückzahlen müssen.
Eigentlich schon.
Warum "eigentlich"?
Es gibt kein Instrument, den Gewinn abzuschöpfen und an die Verbraucher zu verteilen. Jeder einzelne Verbraucher müsste selbst Rückforderungsansprüche stellen und allenfalls bei Gericht durchsetzen. Die Kosten solcher Verfahren würden den Streitwert weit übersteigen. Darum tut das niemand und daher können die Unternehmen den größten Teil des Gewinnes behalten.
Sind Konsumentinnen und Konsumenten in Österreich so wehrlos?
Wenn es den VKI nicht gäbe schon. Wir machen die Ansprüche der Geschädigten, die sich bei uns melden, geltend. Im konkreten Fall der Zahlscheingebühren haben sich mittlerweile über 8.000 Personen beim VKI gemeldet, die ihr Geld zurückfordern. Über 350 Unternehmen werden mit den Forderungen konfrontiert. Vor allem bei den großen Firmen werden wir Forderungen auch durchsetzen können.
Also haben die Unternehmen am Ende doch nichts davon?
Leider schon. Diejenigen, die bei unserer Aktion mitgemacht haben, sind ja nur ein Bruchteil derer, die unrechtmäßig abkassiert wurden. Bei der überwiegenden Mehrheit, die sich nicht beteiligt hat, wird auch nichts passieren. Die Unternehmen können einen Großteil der Unrechtsgewinne behalten. Ähnlich lief es bei dem zehn Jahre dauernden Zinsenstreit mit den österreichischen Banken. Die damals zu viel kassierten Zinsen wurden auch nur an jene Konsumenten herausgegeben, die sich aktiv gemeldet haben bzw. an den Sammelaktionen oder -klagen des VKI teilgenommen hatten.
Mir wird also unrechtmäßig und ohne dass ich das zunächst verhindern kann Geld abgeknöpft, und um es wiederzubekommen, muss ich aktiv an einer Aktion teilnehmen?
So läuft es leider normalerweise. Eine Ausnahme waren die Ende der Neunzigerjahre von den Banken eingeführten Zinsanpassungsklauseln. Die Klagen des VKI zwangen die Geldinstitute damals, auf transparente Parameter umzustellen. Dabei bauten sie in die Klauseln eine Tücke ein: Bei jeder Zinsänderung wurde statt kaufmännisch gerundet nur aufgerundet. Der VKI führte Verbandsklagen und bekam beim Obersten Gerichtshof recht. Diese Klauseln waren gesetzwidrig – man hätte kaufmännisch runden müssen. Die Banken mussten den Kreditkunden in der Folge geänderte Kontostandsmitteilungen zusenden. Die Folgen der "Aufrundungsklauseln" wurden herausgerechnet, die Kunden hatten weniger Rückzahlungen zu leisten. Hier gelang es, die Wirkung des Urteils auf alle Konsumenten ausstrahlen zu lassen. Doch das war nur in diesem Spezialfall möglich.
Unrechtmäßige Entgelte, gesetzwidrige Zinsberechnungen. Es scheint hierzulande sehr einfach zu sein, illegal Kasse zu machen, ohne gröbere Konsequenzen befürchten zu müssen.
Es geht noch einfacher. Einige Banken haben ihren Kunden Briefe geschrieben, in denen sie auf ihre angespannte wirtschaftliche Situation hinwiesen und mitteilten, dass sie für die aushaftenden Fremdwährungskredite gerne eine höhere Marge, also mehr an Zinsen kassieren würden. Wer nicht binnen einer Frist von zwei Monaten Widerspruch einlege, erkläre sich mit den höheren Zinsen einverstanden.