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Handy-Ladegeräte - Stecker-Schikane

Nach einem Machtwort der EU-Kommission wird das Chaos bei Handy-Ladegeräten in absehbarer Zeit gemildert. Doch an eine Vereinheitlichung der Akkus hat man sich nicht gewagt.

Handybesitzer kennen das Problem: Mit jedem Neuerwerb eines Mobiltelefons ­bekommt man auch ein neues Ladegerät (oder Netzgerät) dazu, das alte ist nicht mehr verwendbar. In vielen Haushalten mit mehreren Handybenutzern hat sich da über die Jahre ein ganzer Berg von Elektronikmüll angesammelt – eine völlig un­nötige Belastung der Umwelt.

Einheitliche Anschlüsse ab 2012

Jetzt ist der EU-Kommission die Geduld ­gerissen; sie hat angekündigt, die Vereinheitlichung der Ladegeräte gesetzlich vorzuschreiben. Die Mobilfunkbranche hat es plötzlich eilig – Nachdem sie 15 Jahre lang eine Unzahl von Ladegerät-Versionen auf den Markt gebracht und damit auch gut verdient hat, hat sie auf die Kommissions-Drohung rasch reagiert: Man einigte sich auf ein Einheitsladegerät, ab 2012 sollen die meisten Mobiltelefone einheitliche Anschlüsse auf Basis der Micro-USB-Norm haben.

Als Argument für die unterschiedlichen ­Ladegeräte wurde immer ins Treffen geführt, das sei notwendig, weil die Akkus der Handys unterschiedliche Spannungen aufweisen. Doch das ist nicht stichhaltig. Denn die Netzgeräte transformieren die Netzspannung von 230 Volt auf rund 5 Volt. Den Rest muss die Elektronik des Handys be­sorgen. Die meisten Handy-Akkus haben ­heute 3,7 Volt Nennspannung, die Über­wachung des Ladevorgangs muss ohnehin im Mobiltelefon erfolgen, da spielen leicht unterschiedliche Spannungen in den diver­sen Akkus keine Rolle.

Einheit mit vielen Gesichtern

„Einheits“stecker in mehreren Versionen

Freuen wir uns darüber, dass nun auch die Industrie feststellt, das sei kein Problem mehr. Ganz ungetrübt ist die Freude aber nicht, denn die angepeilte Lösung setzt am falschen Ende an.

Zur Erklärung: Ein Ladegerät (auch Netz­gerät oder Netzteil) besteht eigentlich nur aus ­einem Kabel, an einem Ende mit einem Steckanschluss zum Handy, der sehr unterschiedlich ausgeformt sein kann; am anderen Ende befindet sich der Netzstecker (mit eingebautem Transformator), der an jeder passenden Steckdose ans Stromnetz angeschlossen werden kann. Der halbherzige ­Lösungsvorschlag besteht nun darin, dass für die Verbindung zum Handy nur mehr Micro-USB-Stecker bzw. Buchsen zum Einsatz kommen sollen. Klingt gut, aber leider gibt es auch davon mindestens sieben Versionen. Von einem Einheitsstecker kann also keine Rede sein.

 Bild: VKI

Der Steckeranschluss zum Handy kann die unterschiedlichsten Formen annehmen (links).
Leider auch der Micro-USB-Stecker (4 Beispiele ganz rechts).
Nur der USB-A-Anschluss ist tatsächlich einheitlich (mitte).

Umweg über PC

Umweg über PC

Was bei Weitem nicht allen Handybenutzern bekannt sein dürfte: Man kann den Ladegeräte-Wirrwarr schon heute links ­liegen lassen, wenn man das Handy über den PC auflädt. Jedes Mobiltelefon, mit dem auch Daten transferiert werden ­können, also jedes GPRS- oder UMTS-taugliche Handy, hat einen Anschluss zum Computer, und der ist zum Glück genormt – der USB-A-Anschluss. Anders als bei ­Micro-USB gibt es bei USB-A nur eine Version. Statt Daten zwischen Computer und Handy auszutauschen, kann der USB-Anschluss einfach auch zum Aufladen des Handys (via Computer) verwendet werden. Doch auch wer den Strom direkt vom Netz beziehen will, kann sich behelfen. Es gibt Netzstecker mit USB-Buchse auf der Rückseite, auf diese Weise kann man ohne ­weiteres Zubehör sein Handy laden.

Ärger mit Akkus bleibt

Was bleibt, ist der Ärger, dass jedes Handy seine eigenen Buchsen hat. Das wird mit dem USB-Micro-Standard zwar gemildert, aber nicht zur Gänze beseitigt. Ein großes Problem (für die Umwelt und für die Kon­sumenten) wurde jedoch gar nicht angesprochen: die fantastische Vielfalt von ­Handyakkus. Wenn man schon den Schritt zur Vereinheitlichung von Handyzubehör wagt, hätte man doch auch das bereinigen können. Denn dafür gibt es keine Umgehungsmöglichkeiten. Man muss sich für ­jedes Handy einen eigenen Akku und ­Reserveakku halten – und diese zeitaufwendig pflegen, wenn man sicher sein will, dass das Mobil­telefon nicht unbrauchbar wird, weil es keinen Ersatzakku mehr gibt. Ein Prob­lem, das im Übrigen nicht nur bei Handys besteht. Bei ­Digitalkameras ist das Chaos bei den Akkus mindestens ebenso ärgerlich.

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Nachteile

So sehr die Vereinheitlichung der Ladegeräte prinzipiell zu begrüßen ist, wird sie sicher dazu führen, dass die Geräte in Zukunft – ohne erkennbaren Preisausgleich – ohne Ladegerät verkauft werden, da „man das eh schon hat“. Unterwegs bleibt das Problem, dass – sofern im Hotel überhaupt Steckdosen zugänglich sind – über Nacht 1 bis 2 Telefone, 1 bis 2 Fotoapparate, Laptop und Videokamera aufgeladen werden wollen. Da gehört dann nicht nur eine Tasche voller Ladegeräte, sondern auch gleich eine Steckerleiste ins Gepäck, wenn man nicht um zwei Uhr morgens aufstehen und umstecken will. Vielleicht wird es ja wenigstens für die USB-genormten Geräte Ladegeräte mit mehr als einem Anschluss geben ... Bei Notebooks wäre eine Normung auch längst fällig, dann gäbe es wohl auch eher genormte Anschlüsse im Flugzeug oder an Konferenztischen.

Siegfried Lenz
E-Mail
(aus Konsument 11/2009)

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