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Einsamkeit
Bild: Jorm Sangsorn / Shutterstock.com

Wege aus der Einsamkeit

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Einsamkeit kann uns alle treffen. Sie macht keinen Unterschied zwischen Alt und Jung, Arm und Reich. Sie schmerzt, führt in die Isolation und macht uns krank. Sie kann aber auch Antrieb sein, sich auf Veränderung einzulassen.

Morgens allein aufstehen, allein frühstücken, allein den Tag verbringen und allein einschlafen. Realität vieler Österreicher: innen. Denn noch nie haben so viele Menschen hierzulande nur mit sich gelebt. In etwa 1,5 Millionen Haushalten wohnte 2021 eine Person, seit Mitte der 80er-Jahre hat sich die Zahl der Einpersonenhaushalte nahezu verdoppelt.

Besonders während der Corona-Pandemie und etlichen Lockdowns war es für diese Menschen schwierig, soziale Kontakte aufrechtzuerhalten, sich auszutauschen und Teil des gesellschaftlichen Lebens zu bleiben. Obwohl am häufigsten ältere Frauen allein leben, ergab eine Umfrage der Universität Wien, dass während der Pandemie am stärksten jüngere alleinlebende Frauen bis 35 Jahre vom Gefühl der Einsamkeit betroffen waren, da ihnen persönliche Treffen mit Freund:innen besonders wichtig sind.

Allein nicht gleich einsam

Das Umfrageergebnis zeigt, dass Alleinleben nicht automatisch zu Einsamkeit führt. Es macht einen Unterschied, ob man allein ist oder sich allein fühlt. Einsamkeit ist ein subjektives Empfinden, ein schmerzhafter Zustand durch fehlende Sozialkontakte und Zugehörigkeit. Viele Menschen entscheiden sich jedoch bewusst für einen Rückzugsort nur für sich und sind glücklich dabei. Und dass Einsamkeit ein Phänomen von älteren Menschen ist, ist auch längst widerlegt – das hat nicht erst die Pandemie gezeigt. Sie kann uns alle in jeder Lebenslage treffen.

Unsere moderne Gesellschaft befeuert regelrecht soziale und emotionale Einsamkeit. Die Digitalisierung verleitet dazu, eher oberflächliche Nachrichten zu schreiben, als jemanden anzurufen oder persönlich zu treffen. Soziale Medien suggerieren uns, wie aufregend und glücklich das Leben anderer ist, während wir in unserer Einzimmerwohnung sitzen und maximal mit unseren Zimmerpflanzen interagieren.

Dating- Apps werben damit, dass das nächste Date, die nächste Beziehung nur einen Wisch entfernt ist – damit wir nicht mehr einsam sind, in einer Welt, die für zwei konzipiert ist. Oder waren Sie schon mal allein in einem Restaurant essen, ohne dass Ihnen andere Gäste schiefe Blicke zugeworfen haben?

Was Einsamkeit bewirkt

Doch was macht Einsamkeit eigentlich mit uns? Wissenschaftliche Studien zeigen, dass sie ein ernst zu nehmender Risikofaktor für unsere Gesundheit ist. Fühlen wir uns einsam, erhöht sich unser Stresspegel und somit auch das Risiko, einen Schlaganfall oder Herzinfarkt zu erleiden oder psychische Erkrankungen wie Depressionen zu bekommen. „Einsamkeit – die unerkannte Krankheit. Schmerzhaft, ansteckend, tödlich“ lautet ein reißerischer Buchtitel des deutschen Neurowissenschaftlers Manfred Spitzer.

Da wundert es nicht, dass auch die Politik reagiert und gegen Einsamkeit vorgeht. Großbritannien hat etwa 2018 als erstes Land weltweit ein Ministerium für Einsamkeit eingerichtet, es koordiniert die Versuche der Regierung, die Bevölkerung aus der Isolation und Anonymität zu holen. Die deutsche Bundesfamilienministerin hat das „Kompetenznetz Einsamkeit“ ins Leben gerufen, wo Strategien zur Prävention und Bekämpfung von Einsamkeit gebündelt werden. Und die japanische Regierung installierte Beratungsdienste, an die sich „Hikikomori“ – Menschen, die sich isolieren – und deren Familien rund um die Uhr wenden können.

Was dagegen tun?

Die gute Nachricht: Einsamkeit muss nicht sein. Wissenschafter:innen haben das „EASE“-Konzept entwickelt, das dabei helfen soll, den negativen Gefühlen zu entkommen. So solle man den Aktionsradius erweitern, aktiv sein, Kontakte selektieren und das Beste erwarten. Klingt vielleicht ein wenig zu einfach. Anschaulichere Beispiele, wie man Vereinsamung entkommt: neue Hobbys erlernen, eine Psychotherapie beginnen, soziale Unterstützungsmaßnahmen erhalten oder soziale Netzwerke aufbauen.

Ein breites Angebot an Möglichkeiten bietet die vor einigen Monaten ins Leben gerufene „Plattform gegen Einsamkeit“ vom Verein Social Innovation Wien. Darauf zu finden sind bestehende Initiativen aus allen Bundesländern: Orte der Begegnung, Telefonhotlines für akute Krisen, Einkaufshilfen und Gruppenaktivitäten. Etwa die Caritas mit ihren „(T)Ratschbankerln“. Wer auf einem sitzt, signalisiert Gesprächsbereitschaft und freut sich über Zweisamkeit. Beim Sozialprojekt „haloo“ betreuen Jugendliche Menschen aus Wien-Mariahilf, die jemanden zum Reden oder Gesellschaft in ihrer Freizeit brauchen. Und das in 17 Sprachen. In manchen Ländern gibt es bereits noch mehr in den Alltag integrierte Angebote: etwa eine Plauderkassa im Supermarkt, an der sich das Personal besonders viel Zeit für die Gespräche mit der Kundschaft nimmt. Eine Initiative, die die niederländische Supermarktkette „Jumbo“ bereits seit 2019 erprobt und nun auf über 200 Filialen ausgeweitet hat.

Raus aus der Komfortzone

Damit solche Projekte und Initiativen Menschen aus der Kontaktlosigkeit holen können, ist es wesentlich, offen und auch öffentlich über das Tabuthema Einsamkeit zu sprechen. Niemand sollte sich dafür schämen, gerne Gesellschaft zu haben, sich nach Zweisamkeit zu sehnen. Es ist auch in einer Leistungsgesellschaft absolut in Ordnung, nicht komplett unabhängig sein zu wollen, nicht alles allein unternehmen zu mögen. Das Angebot gegen Einsamkeit gibt es – jetzt liegt es an uns, sich aus dem Gewohnten herauszubewegen und etwas Neues zu wagen.

Julia Gschmeidler - Redakteurin: Neue Medien, Gesellschaft
Mag.ª Julia Gschmeidler, BSc - Redakteurin: Neue Medien, Gesellschaft Bild: VKI

Im KONSUMENT-Magazin und -Blog schreibe ich über Themen, die bewegen, aufgezeigt gehören, die gesellschaftspolitisch wichtig sind. Und ich möchte konstruktive Vorschläge liefern, wie man selbst aktiv werden kann.

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