Schon seit den 1980er Jahren dürfen pflanzliche Lebensmittel keine Namen wie „Milch“, „Joghurt“, „Käse“ oder „Butter“ tragen. Diese Bezeichnungen sind ausschließlich für Tiermilch (Kuh, Schaf, Ziege, Büffel, etc.) vorbehalten.
Seit 2013 legt eine EU-Verordnung fest (EU-Verordnung 1308/2013 – Verordnung über die gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse), dass Hafermilch nicht Hafermilch genannt werden darf sondern nur Haferdrink.
Der Ausdruck "Milch" ist ausschließlich dem durch ein- oder mehrmaliges Melken gewonnenen Erzeugnis der normalen Eutersekretion, ohne jeglichen Zusatz oder Entzug, vorbehalten.
Das gilt analog nicht nur für Milch sondern auch für alle üblichen Milcherzeugnisse (Butter, Joghurt, Käse).
Dies gilt jedoch nicht für Erzeugnisse, deren Art aufgrund ihrer traditionellen Verwendung genau bekannt ist, und/oder wenn die Bezeichnungen eindeutig zur Beschreibung einer charakteristischen Eigenschaft des Erzeugnisses verwandt werden.
Wie das obige Zitat zeigt, gibt es jedoch Ausnahmen. Ad hoc fallen mir Erdnussbutter und Kokosmilch ein. Auch Sonnenmilch oder Scheuermilch sind zum Glück erlaubte Begriffe
Der Ärger beginnt mit der Reform der EU-Agrarmarktverordnung
Eigentlich sollte man annehmen, dass die Kennzeichnung von Lebensmitteln in der Lebensmittelinformationsverordnung geregelt wird. Schließlich liegt hier der Fokus auf der Verbraucherinformation und dem Schutz der VerbraucherInnen vor Täuschung.
Manche VertreterInnen der Landwirtschaft sehen jedoch großes Irreführungspotential bei pflanzlichen Ersatzprodukten und wollen die Bezeichnung und Bewerbung dieser im Rahmen der Reform der EU-Agrarmarktverordnung regeln. Viele werden sich wahrscheinlich noch an die Aufregung im Herbst 2020 erinnern, wo pflanzliche Fleischalternativen Gefahr liefen nicht mehr als „Soja-Burger“ oder „Vegane Wurst“ bezeichnet werden zu dürfen. Dies wurde vom EU-Parlament im Oktober 2020 abgewendet, gleichzeitig wurde der Änderungsantrag 171 von der Mehrheit des EU-Parlaments beschlossen. Vom Regen in die Traufe sozusagen.
Änderungsantrag 171
Obwohl die Begriffe „Milch“, „Joghurt“, „Käse“ oder „Butter“ schon seit Jahren geschützt sind und von Herstellern pflanzlicher Alternativen nicht verwendet werden dürfen, soll die Kennzeichnung von Milchersatzprodukten durch den Änderungsantrag 171 extrem verschärft werden.
"Diese Bezeichnungen werden außerdem geschützt vor
a) jeder direkten oder indirekten kommerziellen Verwendung der Bezeichnung
ii) soweit durch diese Verwendung das Ansehen der Bezeichnung ausgenutzt wird
b) jeder widerrechtlichen Aneignung, Nachahmung oder Anspielung, selbst wenn die Zusammensetzung oder der tatsächliche Charakter des Erzeugnisses oder der Dienstleistung angegeben ist oder zusammen mit Ausdrücken wie „à la“, „Typ“, „Verfahren“, „Fasson“, „Nachahmung“, „-geschmack“, „-ersatz“, „Art“ oder dergleichen verwendet wird"
Geht dieser Änderungsantrag 171, so wie er hier steht, durch, bedeutet das, dass
- sich ein Produkt nicht mehr als "vegane Joghurtalternative auf Sojabasis" oder "rein pflanzliche Alternative zu Käse auf Cashewbasis" bezeichnen darf
- Produkthinweise wie "Buttergeschmack", "zerläuft wie Käse", "milchige Konsistenz", „lässt sich wie Obers aufschlagen“ und ähnliches verboten werden könnten
- Hinweise auf den Klimafußabdruck des Produkts im Vergleich zum tierischen Produkt nicht mehr gemacht werden dürfen
Pessimisten fürchten sogar, dass Abbildungen von Sojajoghurt (schaut schließlich wie Joghurt aus) oder die gleichen, für Milchprodukte typischen, Verpackungen nicht mehr verwendet werden dürfen.
Verbraucherschutz?
Argumentiert wird mit dem Verbraucherschutz. Jedoch fühlen sich VerbraucherInnen nicht getäuscht durch die Aufmachung der Produkte. Die BEUC bedauerte letztes Jahr die geplanten, unnötigen Verschärfungen bei der Bezeichnung pflanzlicher Milchalternativen gerade in Zeiten, in denen unserer Ernährung nachhaltiger werden sollte.
Schon seit einer sehr umfangreichen Studie der deutschen Verbraucherzentralen aus dem Jahr 2015, ist klar, dass KonsumentInnen durch die Aufmachung von Fleisch- und Milchalternativen nicht getäuscht werden. So gaben 95 % an, dass sie noch nie ein falsches Produkt (vegan statt Fleisch oder Milch statt vegan) gekauft hätten. Eine ausreichende Kennzeichnung („vegan“, „vegetarisch“ oder „pflanzlich“) wünschen sich die meisten, diese findet meiner Meinung nach auch statt. Außerdem würde die Mehrheit der Befragten bevorzugen, wenn pflanzliche Produkte einen eigenen Regalplatz hätten. Dies ist derzeit in Österreich zum Teil der Fall.
Eine ganz aktuelle, repräsentative Gallup-Studie vom 19.04.2021 zeigt, dass VerbraucherInnen aus Österreich durch die derzeitige Kennzeichnung von pflanzlichen Milchalternativen nicht getäuscht werden. Sie können Bezeichnungen wie „pflanzliche Alternative zu Käse“ oder „Vegane Alternative zu Joghurt auf Haferbasis“ recht genau einordnen.
Gleichzeitig sind diese Bezeichnungen meiner Meinung nach eine wichtige Hilfe bei der Produktauswahl für die NutzerInnen von pflanzlichen Produkten. Durch Bezeichnungen wie „Vegane Quarkalternative auf Sojabasis“ weiß ich erstens, dass es sich bei der Hauptzutat um Soja handelt, und dass zweitens die Konsistenz ähnlich wie Topfen ist. Würden nur noch Phantasiebezeichnungen erlaubt sein, würde für VerbraucherInnen die Einordnung dieser Lebensmittel unnötig erschwert werden.
Keine Verbrauchertäuschung – also wozu das alles?
Nachdem diese Verschärfung im Rahmen der EU-Agrarmarktverordnung geplant ist, ist auch klar, um was es geht. Nicht um den Verbraucherschutz, sondern um den Schutz gewisser pflanzlicher Erzeugnisse. In diesem Fall um den Schutz von Milch und Milchprodukten. Darunter leiden aber andere Teile der Landwirtschaft, wie zum Beispiel jene österreichischen Landwirte, die Soja für die Lebensmittelproduktion anbauen – organisiert im Verein Soja aus Österreich oder österreichische Pflanzenmilchproduzenten wie Mona. Die Mona Naturprodukte GmbH ist aktuell für pflanzliche Milchalternativen die Nummer 2 am europäischen Markt.
Am 21.04.2021 wissen wir mehr
Der Abänderungsantrag 171 wird am 21.04. 2021 im Rahmen der Debatten über die Reform der EU-Agrarmarktordnung verhandelt. Im Trilog (EU-Kommission, EU-Parlament und EU-Agrarministerrat) muss ein Kompromiss für die konkrete Ausformulierung der neuen Regelungen gefunden werden. Verhandelt wird derzeit unter dem Vorsitz von Portugal, in Österreich zuständig ist Landwirtschaftsministerin Köstinger.
Ich bin gespannt über den Ausgang und hoffe nach wie vor, dass eine für VerbraucherInnen vernünftige Lösung gefunden wird. Wie seht ihr das?
Update 21.04.2021
Am 21.04. wurde im Trilog keine Entscheidung getroffen, diese wurde auf den 29.4. verschoben.
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