Zum Inhalt
Phubbing: Zwei Frauen sitzen in einem Café nebeneinander, wobei eine auf das Handy schaut und die andere missachtet
Bild: Shutterstock/Cast Of Thousands

Phubbing: Menschen, die auf Handys starren

BLOG

Wer während Konversationen ständig aufs Handy schaut, könnte von Phubbing betroffen sein. Zu welchen Problemen dieses Verhalten führen kann und wie man den unangemessenen Brauch wieder loswird.

Phubbing – was ist das?

Der Begriff Phubbing ist nicht neu, doch beobachtet man seine Mitmenschen in Lokalen, auf der Straße oder in den Öffis, so scheint es, als ob immer mehr Menschen davon betroffen sind. Phubbing setzt sich aus den beiden Wörtern „Phone“ und „Snubbing“ zusammen, was übersetzt bedeutet, dass man jemanden mit dem Smartphone vor den Kopf stößt, brüskiert. Wer „phubbt“, ignoriert durch die Nutzung des Mobiltelefons während eines persönlichen Gesprächs die andere Person. 

Dass dieses Phänomen zunimmt, ist nicht verwunderlich. Die Österreicher:innen greifen laut Umfragen pro Tag durchschnittlich 20-mal zum Handy. Bei vielen gilt bereits der erste Blick am Morgen dem Handy, weniger als ein Drittel der Bevölkerung könnte sich ein Leben ohne Mobiltelefon überhaupt noch vorstellen.

Abwesend im Gespräch

Wir haben es wohl alle schon einmal erlebt: Man sitzt mit jemandem am Tisch und unterhält sich, hat aber das Gefühl, dass das Gegenüber abwesend ist – der oder die andere schaut des Öfteren aufs Handy, um schnell eine Nachricht zu beantworten oder etwas zu googeln. Die Aufmerksamkeit liegt auf dem technischen Gerät statt auf dem Gespräch. Es fühlt sich so an, als säße noch jemand am Tisch, mit dem die Person eine zweite Konversation führt. Ein tiefergehendes Gespräch ist so nicht möglich, es bleibt bei oberflächlichem Smalltalk. 

Erfüllend ist das nicht, da sind sich Psycholog:innen einig. Sonja Bröning ist Professorin an der Medical School Hamburg und beschäftigt sich mit den Auswirkungen des Phänomens auf unsere engsten Beziehungen. Sie sieht es als einen Nebeneffekt von Phubbing, nicht mehr gänzlich im Hier und Jetzt sein zu können – experimentelle Forschungen würden zeigen, dass allein die Anwesenheit des Handys auf dem Tisch ablenkend wirke und die Qualität des Gesprächs beeinträchtigen könne. „Es ist eine Unsitte, die über die Zeit unsere Gespräche und unsere Nähe verflacht“, sagt sie in einem Podcast. Denn während wir auf das Smartphone fokussiert sind und virtuelle Freundschaften pflegen, ignorieren wir die Menschen in unserer Nähe.

Soziales Allergen

Laut Bröning werde Phubbing immer öfter als soziales Allergen bezeichnet. Es sei eine schlechte Gewohnheit, die zuerst nicht sonderlich störe, aber dazu führen könne, Intimität und Nähe zu unseren wichtigsten Bezugspersonen zu verlieren. Gerade in romantischen Beziehungen könnten soziale Allergene zu großen Hindernissen für eine gesunde und glückliche Beziehung werden und sogar zu Trennungen führen. 

In einer wissenschaftlichen Arbeit hat Bröning das Partner-Phubbing unter deutschen Langzeitpaaren untersucht. Es stellte sich heraus, dass es bei jungen Menschen durch Phubbing zu einem Rückgang der Sexualität komme, da diese Altersgruppe den Belohnungscharakter des Physischen verlernt habe und sich durch die Onlinezeit mit Influencer: innen belohnen würde – sie begehe Realitätsflucht.

Phubbing in Beziehungen

„Diejenigen, die sich häufiger gephubbt fühlen, berichten von mehr Problemen in der Partnerschaft. Sie fühlen sich weniger verstanden, sind unzufriedener und erleben weniger Intimität“, sagt auch Anne Milek, Professorin für Gesundheitspsychologie an der Universität Witten/ Herdecke. Sie spricht davon, dass Phubbing in Eifersucht resultieren könne. 

Auch die Handynutzung im Bett sieht sie skeptisch. „Es gibt Studien, die nahelegen, dass das keine gute Idee ist, weil man sich dann mit dem Handy statt mit dem Partner beschäftigt und Momente verpasst, in denen intime Zweisamkeit entstehen könnte. Zum Beispiel, wenn beide nebeneinander liegen und man den Partner nicht stören möchte, wenn er vielleicht etwas Wichtiges am Handy macht“, sagt sie in einem Interview. 

Cartoon zeigt einen Mann, der von seinem Kind verlangt "Schau mich an, wenn ich mit dir spreche" und der selbst ins Handy schaut
Phubbing: Wer ständig auf sein Handy starrt, könnte bald Probleme bekommen. Bild: Pitter/VKI

Aber nicht nur Erwachsene sind von der Ablenkung durch das Handy betroffen, es kann auch in Beziehungen zwischen Eltern und Kindern vorkommen. Eine chinesische Studie hat zutage gefördert, dass elterliches Phubbing das prosoziale Verhalten früher Heranwachsender verschlechtert, die Eltern-Jugend-Bindung nehme ab.

Was tun gegen Phubbing?

Die Expert:innen raten dazu, handyfreie Zonen zu bestimmen oder während eines Gesprächs nur aufs Handy zu schauen, wenn es ein familiärer oder beruflicher Notfall ist. Paare können in einer Beziehung auch Richtlinien festlegen, etwa triftige Gründe, um während eines gemeinsamen Essens jemand anderem zu schreiben. Partner:innen können auch Codewörter oder Zeichen vereinbaren, um dem Gegenüber zu signalisieren, dass das Handy gerade im Fokus steht. An diese Abmachungen sollten sich dann auch beide Parteien halten. 

Wichtig sei jedenfalls, im Austausch mit der anderen Person zu sein, ihr in einer entspannten Situation mitzuteilen, dass das Handy als störend empfunden wird und welche Gefühle durch das Nichtbeachten hervorgerufen werden. Wer gerne sein Nutzungsverhalten am Smartphone tracken möchte, kann sich seine durchschnittliche Bildschirmzeit anzeigen lassen oder Apps installieren, um dieses zu reglementieren. Es kann auch hilfreich sein, Benachrichtigungen für einzelne Apps zu deaktivieren, damit Updates nicht direkt am Home-Bildschirm aufleuchten. Damit der nächste Lokalbesuch mit der besten Freundin oder dem Partner nicht in einer Handy-Party, sondern in einem tiefgründigen Gespräch endet.

Julia Gschmeidler - Redakteurin: Neue Medien, Gesellschaft
Mag.ª Julia Gschmeidler, BSc - Redakteurin: Neue Medien, Gesellschaft Bild: VKI

Im KONSUMENT-Magazin und -Blog schreibe ich über Themen, die bewegen, aufgezeigt gehören, die gesellschaftspolitisch wichtig sind. Und ich möchte konstruktive Vorschläge liefern, wie man selbst aktiv werden kann.

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

Ehrenamt: Ohne ginge nichts mehr BLOG

Ehrenamt: Ohne ginge nichts mehr

Welche Bedeutung Freiwilligenarbeit für die österreichische Gesellschaft hat, weshalb ehrenamtliche Tätigkeiten guttun und wie Sie selbst aktiv werden ­können.

Overthinking: Gefangen im Gedankenkarussell BLOG

Overthinking: Gefangen im Gedankenkarussell

Wer aus dem Grübeln nicht mehr rauskommt und wem kreisende Gedanken den Schlaf rauben, dem schadet das Denken mehr, als es nützt. Wie man dem Kreislauf entkommen kann.

Cyberchondrie: Achtung vor Dr. Google BLOG

Cyberchondrie: Achtung vor Dr. Google

Das Verlangen, Krankheitssymptome im Internet zu recherchieren, kann zu Ängsten und Depressionen führen. Wie sich Nutzer:innen dagegen wappnen können.

Freizeitkrankheit: Krankenstand statt Sandstrand BLOG

Freizeitkrankheit: Krankenstand statt Sandstrand

Wer genau dann krank wird, wenn der lang geplante Urlaub ansteht, denkt vielleicht an einen unglücklichen Zufall. Tatsächlich kann ein psychosomatisches Phänomen dahinterstecken.

Pinkwashing: Die dunkle Seite des Regenbogens BLOG

Pinkwashing: Die dunkle Seite des Regenbogens

Wenn Unternehmen mit vermeint­licher Toleranz die queere Gemeinschaft feiern, sind das Ziel oft ­Umsatzsteigerung und Imageaufbesserung. Wie man Pinkwashing durchschaut.

Umweltfreundlich unterwegs in Wien BLOG

Umweltfreundlich unterwegs in Wien

Von Hotels über Museen bis hin zu Restaurants und öffentlichen Verkehrsmitteln – überall in Wien gibt es durch das „Österreichische Umweltzeichen“ Möglichkeiten, umweltfreundlich unterwegs zu sein.

Kommentieren

Sie können den Text nach dem Abschicken nicht nachträglich bearbeiten, Länge: maximal 3000 Zeichen. Bitte beachten Sie auch unsere Netiquette-Regeln.

Neue Kommentare können nur von angemeldeten Benutzern veröffentlicht werden.

Anmelden

0 Kommentare

Keine Kommentare verfügbar.

Gefördert aus Mitteln des Sozialministeriums 

Sozialministerium

Zum Seitenanfang