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Chronotyp Symbolbild - Uhrzeiger auf Gehirn zwischen Nacht- und Tagmodus
Bild: Shutterstock/vetre

Chronotyp: Jeder Mensch tickt anders

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Die einen sind morgens kaum wach zu bekommen, die anderen schon frühabends schläfrig. Das hängt mit der inneren Uhr zusammen. Die Chronobiologie untersucht die Rhythmen, denen der Mensch unterliegt – und die Auswirkungen darauf, wenn man seinen eigenen Biorhythmus missachtet.

Es gibt Lerchen, Eulen – und vieles dazwischen. Als Lerchen werden in der Chronobiologie Frühaufsteher bezeichnet, die morgens am leistungsfähigsten sind. Eulen hingegen sind Menschen, die spät noch arbeiten können und gerne lange ausschlafen. 

Welche Chronotypen gibt es?

Doch die Menschheit in zwei Chronotypen zu gliedern, wäre zu einfach. Denn laut Studien sind echte Eulen und echte Lerchen sehr selten, es gebe viele unterschiedliche Varianten – etwa Normaltypen, auch Tauben genannt, Mittagsschläfer, die am Nachmittag besonders müde sind, oder die Nachmittagstypen, die ihre Tiefs am Morgen und Abend haben. Zu welcher Gruppe wir zählen, ist in unseren Genen verankert und nicht veränderbar.

Chronotyp: Was ist das?

Entstanden ist die innere Uhr laut Forschenden bereits früh in der Evolution, denn selbst Einzeller haben eine. So steigen etwa Panzergeißler eine Stunde vor Sonnenaufgang an die Wasseroberfläche, um pünktlich mit der Photosynthese zu beginnen. Vor Sonnenuntergang sinken sie wieder Richtung Meeresgrund.

Unsere innere Uhr, auch zirkadiane Uhr genannt, richtet sich nach der Rotation der Erde – der biologische Rhythmus dauert bei den meisten Menschen etwas länger als eine Umdrehung. Vor allem das Licht beeinflusst dabei den Rhythmus – Rezeptoren auf unserer Netzhaut geben die Information über Helligkeit an das Gehirn weiter. Der Körper passt sich dem Rhythmus immer wieder an, etwa nach der Zeitumstellung oder beim Flug in eine andere Zeitzone. Dies kann aber ein paar Tage dauern – Jetlag ist die Folge. 

Denn jede Zelle, jedes Gewebe, jedes Organ besitzt eine eigene innere Uhr, die ständig synchronisiert werden muss. Auch mit dem Gesamtorganismus, dessen Zentrale im Gehirn sitzt, der wiederum im Austausch mit dem 24-Stunden-Licht-Dunkel-Zyklus der Umwelt Schritt halten muss. Doch Versuche haben gezeigt, dass unsere innere Uhr selbst ohne natürliches Licht als Taktgeber aufrecht bleibt, der Rhythmus trotzt also sogar der Dunkelheit.

 

Frau wurde vom Wecker geweckt und streckt sich Richtung Fenster und Sonne
Bild: Shutterstock/oatawa

Sozialer Jetlag

Der Wechsel von Tag und Nacht beeinflusst den Biorhythmus und somit auch Körpertemperatur, Hormonspiegel und Nervenempfindlichkeit. Schmerzen etwa werden nachts und frühmorgens stärker wahrgenommen als nachmittags. Stehen biologische Uhr und Zeiten von gesellschaftlichen Verpflichtungen (Schule, Arbeit) in ständigem Konflikt, kann das Auswirkungen auf die Gesundheit haben. In einer Studienübersicht aus 2021 heißt es, dass in Industrieländern zwei Drittel der studierenden bzw. berufstätigen Bevölkerung über mehrere Jahre hinweg unter sogenanntem „sozialen Jetlag“ leiden.

Der Begriff sozialer Jetlag bezieht sich auf eine Form der zirkadianen Fehlausrichtung, die aus der Diskrepanz zwischen Aktivitäts-/Schlafplänen an Schul- beziehungsweise Arbeitstagen und freien Tagen entsteht. Und dieser soziale Jetlag kann schwerwiegende Folgen haben. Er beeinflusst laut Studien Schlafqualität und kognitive Leistung, er ist mit einem höheren Body-Mass-Index verbunden, erhöht das Risiko für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Und auch Depressionen werden in epidemiologischen Studien mit sozialem Jetlag in Verbindung gebracht. 

„Wir wissen längst, dass ein veränderter Tagesrhythmus auf Dauer die Gesundheit beeinträchtigt“, sagt Maria Robles in einem Interview. Sie forscht an der Ludwig-Maximilians-Universität München und wünscht sich, dass neu gewonnene Erkenntnisse der Chronobiologie Einzug in medizinische Routinen halten. Für sie sei es offensichtlich, dass Medikamente anders wirken, je nachdem wann sie eingenommen werden. Auch Operationen sollten sich nach dem zirkadianen Rhythmus richten, da dieser steuert, wie gut sich der Körper nach dem Eingriff erholt. Die noch junge Chronomedizin soll individuell den optimalen Zeitpunkt für Therapien herausfinden.

Chronotyp bestimmen

Forscher:innen der Berliner Charité haben einen Bluttest entwickelt, der die Chronotypen der Patient:innen bestimmt. Die Biomarker sind sogar imstande, einen Spättyp zu identifizieren, wenn die Person früh am Morgen von einem Wecker geweckt worden ist. „Wir denken, dass dieser erste objektive Test der Innenzeit dazu beitragen wird, dass die Tageszeit bei Therapie und Diagnose viel mehr an Bedeutung gewinnen wird“, sagt Studienleiter Achim Kramer.

Ein Unternehmen, das diesen Bluttest genutzt hat, ist die Klinik Wartenberg in Bayern. Diese passt seit einigen Jahren den Schichtplan des Personals dem jeweiligen Biorhythmus an, um die Gesundheit zu verbessern und die Arbeitszufriedenheit zu erhöhen. Mit Erfolg: Laut Pflegedienstleister Norman Daßler seien die Pflegekräfte und das ärztliche Personal leistungsfähiger, hätten eine höhere Schlafqualität und gesundheitliche Beschwerden im Allgemeinen hätten abgenommen. Viele würden gar keinen Wecker mehr zum Aufstehen benötigen. Das passt auch zu der Aussage von Forscherin Maria Robles, die meint: „Leben Sie nicht entgegen Ihrer inneren Uhr. Dann ist schon viel gewonnen.“

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Julia Gschmeidler - Redakteurin: Neue Medien, Gesellschaft
Mag.ª Julia Gschmeidler, BSc - Redakteurin: Neue Medien, Gesellschaft Bild: VKI

Im KONSUMENT-Magazin und -Blog schreibe ich über Themen, die bewegen, aufgezeigt gehören, die gesellschaftspolitisch wichtig sind. Und ich möchte konstruktive Vorschläge liefern, wie man selbst aktiv werden kann.

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