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Gruppenfoto von Kindergeschirr.
Das von uns getestete Kindergeschirr aus Melamin und Bambus. Bild: VKI

Schadstoffe im Bambusgeschirr

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„Bambooware“, „Bambus-Komposit“ oder einfach nur „Bambus“ – unter diesen Bezeichnungen finden sich immer noch viele Melamin-Bambus-Produkte im Handel. Oft hilft nicht mal genaues Hinschauen, denn viele Hersteller verheimlichen so einiges auf der Verpackung. Andere wiederum drucken glatte Lügen auf den Karton.

Bei manchen Tests ist mit dem KONSUMENT-Heftartikel eigentlich alles gesagt. Bei anderen liegt mir noch so einiges am Herzen, das ich gerne teilen möchte. Der Kindergeschirr-Test gehört in die letztere Kategorie. Vielleicht hast du ihn ja schon gelesen? Wenn nicht, schau doch mal rüber auf konsument.at. Dort findest du die Testergebnisse von 9 Kindergeschirr-Produkten aus Melamin und Bambus.

Probleme mit Melamin sind nichts Neues

Geschirr aus Melaminharz gibt es schon lange am europäischen Markt. Immer wieder wurde von Untersuchungsanstalten und Behörden kritisiert, dass das Material für viele Anwendungen nicht geeignet ist. Das deutsche BfR hat bereits 2011 FAQ für Geschirr und Küchenutensilien aus Melaminharz veröffentlicht.

Und auch die österreichische AGES warnt zu Recht vor Melamin-Produkten.

Der Pflanz mit dem Bambus

Das ist das Problem: Hitze und Säure schwächen das Grundgerüst von Melamin.  Dadurch lösen sich Formaldehyd und Melamin und werden an die Speisen abgegeben. Melamin gilt als möglicherweise krebserzeugend. Es steht zudem im Verdacht, Erkrankungen im Blasen- und Nierensystem zu verursachen. Formaldehyd ist als krebserregend eingestuft, wenn es eingeatmet wird und kann Allergien auslösen.

Was hat der Bambus hier verloren?

Seit ein paar Jahren gibt es diese schicken „Bambus“-Coffe-to-go-Becher. Kurz nach deren Markteinführung sah ich auch überall Kindergeschirr aus diesem Material. „Bambus sieht doch eigentlich anders aus!“, dachte ich mir bei meinem ersten Kontakt mit den Produkten. Und siehe da, ein genauer Blick aufs Etikett verriet mir, dass es sich tatsächlich um eine Mischung aus Bambus und Melamin handelt. Nix da mit umweltfreundlich oder gar biologisch abbaubar! Und es kommt noch schlimmer, denn wie unser Kindergeschirr-Test gezeigt hat, fehlt oft sogar der Hinweis auf Melamin im Kleingedruckten – und das ärgert mich gewaltig. Mantraartig wiederhole ich, seitdem ich beim VKI arbeite, den Satz: „Schau auf das Kleingedruckte. Lies die Inhaltsangaben genau!“ Aber wenn Hersteller nicht einmal ein Minimum an korrekter Information zur Verfügung stellen, kann man schauen, so viel man will, als Laie wird man an der Nase herumgeführt.

Kunstsoff mit fragwürdigem Additiv

Die Werbung für die meisten Produkte, die ich fand, hat mich sehr verärgert. „Natürlich“, „umweltfreundlich“, „nachhaltig“ oder „biologisch abbaubar“ sind nur ein paar der Schlagwörter, die man auf den Verpackungen findet. Viel seltener steht allerdings die Wahrheit drauf:

  • Es handelt sich um ein Produkt aus Melamin.
  • Es ist nicht für saure und heiße Lebensmittel geeignet.
  • Es darf nicht in der Mikrowelle erhitzt werden.
  • Es ist nicht für den Geschirrspüler geeignet.

Bambus-Melamin ist kein natürliches Produkt; es ist auch nicht nachhaltig, denn es kann nicht recycelt und schon gar nicht biologisch abgebaut werden. Tatsächlich handelt es sich um einen Kunststoff mit fragwürdigem Additiv.

Warum mich der Bambus so stört

Melamin an sich ist ein nicht wirklich stabiler Werkstoff. Wie oben erwähnt, löst er sich in seine Bestandteile auf, wenn man ihn zu heiß macht oder ins saure Essen steckt (z.B. Kochlöffel im Tomatensugo ). Mischt man diesem Werkstoff nun nicht näher definiertes „Bambuspulver“ bei, wird die Struktur des Melaminharzes nur weiter geschwächt. Die Bambusfasern können, wenn sie feucht werden, quellen und die Produkte geben erneut Melamin und Formaldehyd ab. Für Konsumenten hat die Zugabe von Bambus zu Melaminharz also keinen Vorteil. Warum wird der Bambus dann verwendet? Ich kann nur einen Grund erahnen: Uns Konsumenten soll vorgegaukelt werden, dass es sich hier um ein natürliches Produkt handelt. So können Hersteller auf der Nachhaltigkeitswelle mitsurfen und profitieren.

Ist das denn erlaubt?

Will man in Europa Geschirr verkaufen, darf dieses nicht aus jedem beliebigen Material hergestellt werden, sondern nur aus sogenannten „Lebensmittelkontaktmaterialien“. Welche Anforderungen diese erfüllen müssen, ist in Österreich im Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz geregelt.

Zusätzlich gelten die allgemeinen EU-Verordnungen sowie für einzelne Stoffgruppen auch noch gesonderte spezifische Gesetze. (VO (EG) 1935/2004 und VO (EG) Nr. 2023/2006)

Für Melaminprodukte gilt also auch noch die Kunststoff-Verordnung VO (EG) Nr.10/2011.

Während bei Melamin klar ist, dass es verkauft werden darf, wenn es die Qualitätskriterien erfüllt, schaut es beim Bambus-Melamin anders aus. Bambus ist nämlich kein erlaubter Zusatz zu Kunststoff. Holz ist erlaubt. Bambus gehört jedoch zur Familie der Süßgräser. Ein Teil der Pflanze verholzt zwar, aber strikt gesehen darf Bambus in Kunststoff nicht als Lebensmittelkontaktmaterial verwendet werden.

Warum finde ich es dann im Handel?

Zum einen sind die Hersteller schlau: Bambus-Melamin wird ganz einfach als „Bambus“ deklariert und schlüpft so bei Import-Kontrollen durchs Netz. Warum Import? Nun, der Großteil der in Europa verkauften Produkte wird in China und Hongkong produziert.
Zum anderen ist die Frage, ob Bambus nun doch als Holz angesehen werden kann, rechtlich noch nicht ausdiskutiert. Aber das sollte sich bald ändern, denn auf europäischer Ebene wird daran gearbeitet, diese Ungenauigkeit im Gesetz zu entfernen. Dann ist Schluss mit der Mogelei und das Bambus-Melamin verschwindet aus den Regalen.

Was soll ich stattdessen kaufen?

Diese Frage wurde mir in den letzten Tagen oft gestellt. Leider habe ich keine perfekte Antwort darauf. Fakt ist: Jedes Material birgt ein gewisses Risiko. Ohne Test kann ich auch keine Empfehlung abgeben. Sonst wäre ich keine Projektleiterin beim VKI, sondern Influencerin.

Die Risiken abwägen

Bei einigen Materialien gibt es definitiv weniger Rückrufaktionen auf Grund von Schadstoffen. Glas zum Beispiel ist ein sehr sicherer Werkstoff und auch tatsächlich recycelbar. Für Kinder eignet es sich aber erst dann, wenn die Kleinen nicht mehr alles zu Boden werfen. Das gleiche gilt für Keramik und Steingut. Früher gab es noch öfter Probleme mit Schwermetallen die sich in der Glasur befanden, heutzutage ist das eher selten der Fall. In puncto Bruchsicherheit hat Geschirr aus Kunststoffen die Nase vorn. Polyethylen (PE) und Polypropylen (PP) sind Kunststoffe die oft für Kindergeschirr verwendet werden. Die deutsche Forschergruppe PlastX hat im September 2019 eine Studie zu Alltagsgegenständen aus Kunststoff veröffentlicht und zusammengefasst, welche Gefahren von Kunststoff ausgehen können. Dabei wurden Polyvinylchlorid (PVC) und Polyurethan (PUR) als die am öftesten mit Schadstoffen belasteten Kunststoffarten identifiziert. Diese Materialien solltest du für Kindergeschirr also auf jeden Fall meiden.

Kunststoff nicht unnötig erhitzen

Schadstoffe lösen sich besonders gut durch Hitze, Säure, Alkohol oder Öl. Ein Weg, das Risiko zu minimieren, ist zum Beispiel, das Essen nicht in Kunststoff-Geschirr zu erhitzen. Stattdessen kannst du das Essen in einer Glasschüssel in die Mikrowelle stellen und wenn es die richtige Temperatur hat in einen Kunststoffteller umfüllen. Das gleiche gilt für heißen Früchtetee. Gerade roter Tee ist nicht nur heiß, sondern auch sehr sauer, und sollte in einer Glas- oder Keramikkanne zubereitet werden und darin bis auf Trinktemperatur abkühlen.

Mein Fazit

Ich hätte euch wirklich gern eine einfache Antwort gegeben, welches Kindergeschirr ihr guten Gewissens kaufen könnt. Aber wie bei den meisten Dingen im Leben geht es wieder einmal darum, Informationen zu sammeln, Risiken abzuwägen und eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen. Ich hoffe, ich konnte euch mit diesem Beitrag ein wenig dabei unterstützen.

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