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Werbung der Österreichischen Post gegen Bitte-keine-Werbung-Aufkleber
Eine anachronistische Werbung der Post. Bild: Screenshot Post/VKI

Bitte kein Wandel

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Die Post hat offensichtlich (noch) nicht verstanden, dass Nachhaltigkeit nicht nur die Auslieferung der Post mit Elektrofahrzeugen oder Effizienzmaßnahmen bei der Infrastruktur betrifft - sondern auch das Thema Suffizienz umfasst: also Genügsamkeit und Verzicht.  

Viel Lärm um Nichts?

Werbung der Österreichischen Post gegen Bitte-keine-Werbung-Aufkleber
Eine unter ökologischen Gesichtspunkten fragwürdige Werbeaktion der österreichischen Post. Bild: Post/Fink

Aktuell führt eine Kampagne der Post, die sich an Leute mit „Bitte keine Werbung“-Aufklebern richtet, zu einigem Aufruhr: Dabei erklärt die Post KundInnen, die ihre Postkästen nicht mit Werbematerial zugemüllt sehen wollen, mit einem markigen Spruch (siehe Bild) de facto für unmündig. Weil sie in Wahrheit nämlich nicht auf Werbung, sondern auf Geld verzichten würden. Sprachlich unschön wird weiters dafür geworben, sich einen gratis „Verzichtervernichter“ (einen Schaber) zu besorgen.

Da hat sich bei der Post offenbar niemand überlegt, dass viele Menschen diese Aufkleber auch aus ökologischen Überlegungen an ihren Briefkästen anbringen. Das Interesse der Post ist klar: Profit. Schließlich verdient die Post ihr Geld damit, Post auszutragen. Jeder „Bitte keine Werbung“-Aufkleber reduziert das Postvolumen und folglich den Umsatz: 2018 ging etwa das Geschäft gegenüber 2017 in diesem Bereich um 5 Prozent zurück – trotzdem wurden immer noch 3,3 Milliarden unadressierte Werbesendungen zugestellt (Quelle: finanzen.at).

Ein Kollege im VKI hat im Juli, August und September nur die Postwürfe von Rewe, Spar, Hofer und Lidl gesammelt und berechnet, dass deren österreichweite Sendungen eines Jahres zusammen eine Höhe von rund 1.000 Kilometer ergeben würden (unter der vorsichtigen Annahme, dass jeder zweite österreichische Haushalt diese Sendungen erhält). Eintausend Kilometer! 

In den sozialen Medien hat die Aktion der Post zu einigem Aufruhr geführt. Auch den KONSUMENT erreichen Anfragen und Leserbriefe zu diesem Thema. Tenor: So eine Aktion geht in Zeiten von Nachhaltigkeit und Klimaschutz wirklich nicht. Wer sich ein Einsehen der Post erwartet hat, muss enttäuscht werden. In bester Augenauswischermanier kommuniziert die Post in einem Statement:

„Ein Großteil der Prospekte besteht mittlerweile aus 100% Recycling-Papier und ist PEFC zertifiziert. Alle Flugblätter werden von der Post CO2 neutral zugestellt.“

Ressourcenschonung leicht gemacht

  1. Die Bestrebung die betrieblichen CO2-Emissionen z.B. mittels Umstellung des Fuhrparks oder Optimierung der Infrastruktur zu reduzieren, ist zu begrüßen und kann durchaus als ambitioniert identifiziert werden. Dennoch muss gesagt werden (was die Post fairerweise auch macht), dass 68.000 Tonnen CO2, die betriebsintern nicht reduziert werden können, mittels Klimaschutzprojekten kompensiert werden. Soll heißen, dass Projekte unterstützt werden, die diese Menge CO2 binden oder einsparen sollen. Das ist nicht unredlich - dient aber vor allem auch dazu CO2-Neutralität kommunizieren zu können.
  2. Im Nachhaltigkeitsbericht der Post steht (S. 39), dass die Post Nachhaltigkeit in ihrem Kerngeschäft berücksichtigen und Projekte entsprechend ausrichten würde. Insofern kann die aktuelle Kampagne nur als Totalversagen bezeichnet werden. Denn: das Kerngeschäft der Post ist die Zustellung von Sendungen aller Art. Nun ist es kein Geheimnis, dass im Hinblick auf den Umgang mit Ressourcen gilt: Vermeidung (Verweigerung!) vor Reduktion, der wiederum der Vorrang vor Recycling zu geben ist (siehe dazu auch meinen Blogbeitrag Recyceln ist Silber, Vermeiden ist Gold).
  3. Konkret: Recyclingpapier so zu ver(sch)wenden, dass es einen Briefkasten verstopft und oft ohne betrachtet zu werden im Papierkorb landet, ist definitiv kein nachhaltiger Umgang mit einer wertvollen Ressource. Da gäbe es sinnvollere Möglichkeiten. Dass Papier einen hohen ökologischen Stellenwert hat (Energie-, Wasser- und Rohstoffverbrauch bei Erzeugung und Rezyklierung, Einsatz von Chemikalien), dürfte auch der Post nicht entgangen sein - ansonsten würde die Post den Papierverbrauch unternehmensintern ja nicht reduzieren (siehe Nachhaltigkeitsbericht, Seite 95).
  4. Insofern ist es absolut unverständlich, dass ein im Nachhaltigkeitsbereich durchaus sehr engagiertes Unternehmen KundInnen mit einer derartigen Kampagne vergrault und sich selbst so ins Knie schießt, indem es seine eigene Glaubwürdigkeit durch so eine kurzsichtige, ja billige, aber ökologisch teure Aktion gefährdet. De facto infrage stellt. Der Pressesprecher der Post sprach davon, dass man versuche bei diesem heiß diskutierten Thema eine Balance zu finden. Das dürfte gründlich misslungen sein.

Der Greta-Thunberg-Blick auf die Welt

Mein Postkasten
Mein Postkasten Bild: Fink/VKI

Die Aktion offenbart aber noch etwas, abseits der Tatsache, dass Ressourcen umsichtig, also sparsam eingesetzt werden sollten. Etwas Tiefergehendes. Die Kampagne kann auch als Ausdruck eines Wirtschaftssystems verstanden, das von mehr und mehr Menschen weltweit kritisiert wird. Denn das ewig beschworene Wachstum, der Zwang zu mehr und immer mehr führt unvermeidlich zu steigendem Ressourcenverbrauch mit all seinen mannigfaltigen Problemen (Klimawandel, Biodiversitätsverlust etc.). Bisher ist es nämlich nicht gelungen, das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln. Soll heißen: Wir leben in einer Welt mit ökologischen Grenzen, unser Wirtschaftssystem basiert aber auf der Annahme, es gäbe keine Limits. Und handelt dementsprechend. Den Preis zahlen wir. Und unsere Kinder und Kindeskinder. 

Wenn die Post nun eine derartige Kampagne fährt, dann zeigt das also vor allem eines: sie hat in Wahrheit nicht verstanden, in welche Richtung es geht. Gehen muss. Als börsennotiertes Unternehmen ist es auch verständlich, dass man den Zug der Zeit, weg vom stupiden Wachstum hin zu nachhaltiger Entwicklung, nicht wahrhaben möchte.

Viele Menschen wollen aber genau deshalb auch keine Werbung in ihren Briefkästen – nicht nur, weil es ihnen schade um das Papier ist, sondern auch weil sie Werbung per se als Ausdruck des Grundproblems verstehen: als Sinnbild eines sinnlosen Konsums. Viele Menschen möchten sich nicht von Rabattaktionen dazu verleiten lassen wollen, mehr zu kaufen als sie benötigen, mehr zu kaufen als die Umwelt verträgt. Suffizienz lautet diese Einstellung neudeutsch – Genügsamkeit oder Bescheidenheit hätte man früher dazu gesagt. Kaufen, was man braucht. Nicht konsumieren, was geht – auf Teufel komm raus. Und das macht auch Sinn, denn Studien im Lebensmittelbereich weisen z.B. darauf hin, dass Rabattaktionen à la „Kauf 3, Zahl 2“ vor allem dazu führen, dass der Lebensmittelabfall der Haushalte steigt. Womit wir wieder beim Thema Ressourcenschonung wären.

Die Post bringt allen was? Stimmt nicht – manche wollen einfach in Ruhe gelassen werden, ihre Daten geschützt wissen (KONSUMENT 3/2019) und still und leise ihren Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten – und dafür gerne verzichten. Sogar auf Geld.

PS:

Die Umweltberatung hat eine gute Übersicht wie man kostenlos zu seinem "Bitte keine Werbung"-Aufkleber kommt!

Raphael Fink - Experte: Umweltzeichen
Mag. Raphael Fink - Experte: Umweltzeichen Bild: VKI

Im VKI-Blog schreibe ich über verschiedene Themen rund um Nachhaltigkeit. Außerdem betreue ich das Österreichische Umweltzeichen und bin Projektleiter des VKI Greenwashing-Checks. 

Raphael Fink, Nachhaltigkeitsexperte

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