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Besitzstörung - Das kann teuer werden

Es gibt ein Recht auf ungestörten Besitz. Und wer fremden Besitz eigenmächtig stört, kann geklagt werden. Oft entstehen dabei empfindlich hohe Kosten. Raubrittertum oder Notwehr?

Das widerrechtliche Parken eines Kfz ist der Klassiker: Man hat es eilig, sucht verzweifelt einen Parkplatz. Endlich, vor einer Haus- oder Garageneinfahrt ist etwas frei. Wird wohl niemand etwas dagegen haben, wenn der Wagen für wenige Minuten dort steht, denkt der Lenker. Doch weit gefehlt. Ein paar Wochen später flattert eine Besitzstörungsklage ins Haus. Es sollen einige Hundert Euro bezahlt werden. Spätestens dann stellen sich einige Fragen.

Besitzstörung: Wer fremden Besitz stört, kann geklagt werden. Bild: Screenshot/konsument.at

Was ist Besitzstörung?

"Der Besitz mag von was immer einer Beschaffenheit seyn, so ist niemand befugt, denselben eigenmächtig zu stören“. So ­definiert das Gesetz (im § 339 ABGB) aus 1812 die Besitzstörung. Eine, wie es scheint, einfache Formulierung, die – wie so oft – in der Praxis aber schwierig auszulegen und anzuwenden ist.

Sachen wie Grund und Boden werden geschützt, ebenso Rechte und Dienstbarkeiten. Deshalb gelten auch Mieter einer Wohnung und Nutzungsberechtigte von Parkplätzen als „Besitzer“. Das Gesetz schützt den Besitz(er) gegen jeden eigenmächtigen Angriff einer anderen Person. Der Besitzschutz wirkt sozusagen gegen die private Gewalt. Nimmt beispielsweise der Nachbar immer den kürzesten Weg über Ihr Grundstück oder parkt er auf Ihrem Grund, kann eine Besitzstörungsklage eingebracht werden.

Das gilt auch für Wohnungsnachbarn, die stören: Etwa, wenn ungefragt im Stiegenhaus Schuhkästen aufgestellt werden oder an der Fassade eine Satellitenschüssel angebracht wird. Ebenso als Besitzstörung gilt die Verbreitung von Werbematerial ­gegen den erklärten Willen des Haus- oder Wohnungsbesitzers. Als solche Willens­erklärung gilt bereits das Anbringen der Plakette „Werbematerial unerwünscht“.

Wie läuft ein Besitzstörungs­verfahren ab?

Sehen die Besitzer (in den meisten Fällen Eigentümer oder Pächter eines Grundstücks) den dauerhaft ungestörten Besitz in Gefahr, so können sie eine Besitzstörungsklage am zuständigen Bezirksgericht einbringen. Die Klage ist binnen 30 Tagen ab Kenntnis der Besitzstörung und Kenntnis der Person, die den Besitz stört, einzubringen. Die Besitzstörungsklage ist auf Wiederherstellung des vorigen Zustandes und – sofern Wiederholungsgefahr besteht – auf die Untersagung künftiger Eingriffe gerichtet. Das Besitzstörungsverfahren ist ein sehr rasches Verfahren.

Es wird nur die juristische Frage erörtert, ob der Kläger den sogenannten ruhigen Besitz hatte und ob der Beklagte den Besitz gestört hat. Dabei wird nicht geprüft, ob die im Besitz gestörte Person überhaupt ein Recht zum Besitz hatte. Das hat seinen Grund darin, dass das Gesetz schnelle Abhilfe gewähren will und daher komplizierte Beweisführungen ausschließen möchte.

Alternativen, Bagatellgrenze, Kostenfalle

Welche Alternativen gibt es?

Selbsthilfe kann eine Alternative zur Besitzstörungsklage sein. Etwa beim Abschleppen eines fremden Fahrzeugs vom Privatgrund. Das ist aber nur erlaubt, wenn staatliche Hilfe zu spät käme und die Wiederherstellung oder Erhaltung des rechtmäßigen Zustandes mit angemessenen, d.h. unbedingt notwendigen Mitteln geschieht. Dem Grundbesitzer muss ein großer Nachteil drohen. Grob gesprochen: Bei kleineren Parkplätzen ist das Abschleppen eher rechtmäßig, wenn Platzbedarf für Kunden besteht. Ist hingegen der Geschäftsbetrieb nicht gefährdet oder existiert die Firma gar nicht mehr, ist das Abschleppen unzulässig! 

Gibt es eine „Bagatellgrenze“?

Was ist, wenn jemand sich nur verfährt, umkehrt und zum Umkehren kurz in eine private Einfahrt einbiegt, an der mit einer Kamera überwacht ein Schild angebracht ist: „Halten und Befahren verboten – Besitzstörungsklage“? In einem solchen Fall ist der Einwand der Schikane möglich. Dieser ist im Besitzstörungsverfahren vor allem bei Geringfügigkeit der Störung beachtlich. Die Erheblichkeitsschwelle könnte z.B. auch unterschritten sein, wenn ein Falschparker nur wenige Zentimeter in eine Einfahrt hineinragt. Doch Vorsicht: In solchen Fällen urteilen die Gerichte durchaus unterschiedlich.

Grundsätzlich gilt: Die Dauer und die Tageszeit der Störung sind für die Besitzstörung nicht von Bedeutung. Ein sehr kurzes Abstellen eines Fahrzeugs auf einem Privatparkplatz reicht.

Können Fotos vom Täter gemacht werden?

Die Beweispflicht bringt es mit sich, dass derjenige, den sie trifft, die zum Beweis seines Vorbringens dienenden Beweismittel anzubieten hat. Beweismittel ist grundsätzlich alles, was dazu dienen kann, jemanden von der Wahrheit oder Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung zu überzeugen, also auch und insbesondere ein Foto. 

Wann lohnt sich der Einspruch gegen eine Besitzstörungsklage?

Liegen Rechtfertigungsgründe – wie Gesetz, behördliche Anordnung oder Einwilligung (z.B. Wegeservitut)– vor, so ist ein Einspruch jedenfalls zweckmäßig. Er macht auch dann Sinn, wenn gar nicht erkennbar war, dass es sich um Privatgrund gehandelt hat, wenn man eine „Falle“ vermutet oder andere Ungereimtheiten bestehen. Auch der Einwand der Schikane kann sich im ­Besitzstörungsverfahren lohnen, vor allem dann, wenn die behauptete Störung als ­geringfügig einzuschätzen ist.

Kostenfalle?

Wer unrechtmäßig auf Privatgrund steht, ­gegen den kann sofort mit einer Besitz­störungsklage vorgegangen werden. Meist erhält der Störer aber überraschend Post von einem Anwalt, der eine Unterlassungs­erklärung und einen Pauschalbetrag zur Vermeidung der Klage fordert. Aufgrund der tendenziell besitzstörungsfreundlichen Rechtsprechung ist zu raten, die Erklärung zu unterschreiben und den Vergleich anzunehmen. Das kann bis zu zirka 300 Euro kosten. Wenn die Klage bereits bei Gericht ein­gebracht ist, ist es am günstigsten, sofort zu zahlen und gar nicht bei Gericht zu erscheinen (Kosten üblicherweise zirka 500 Euro).

Unterlassungserklärung, Klage, Störung des eigenen Besitzes

Was tun, wenn ...

... Sie eine Unterlassungserklärung bekommen 
... Sie eine Klage bekommen
... Sie selbst in Ihrem Besitz gestört werden

 

Unterlassungserklärung 

1. Prüfen Sie alle Angaben und Daten ganz genau und stellen Sie die "Störungshandlung(en)“ sofort ab.

2. Suchen Sie Kontakt mit dem Besitzer bzw. der Rechtsanwaltskanzlei. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit zur gütlichen Einigung oder Reduzierung der Kosten.

3. Unterfertigen und retournieren Sie die Unterlassungserklärung, um einem möglichen Einwand der Wiederholungsgefahr entgegenzutreten.

Klage 

1. Entweder sofort anerkennen und zahlen oder

2. Einspruch erheben, wenn Sie ­nachvollziehbar – z.B. durch eine miss­verständliche Beschilderung – in die Irre geführt wurden.

Störung des eigenen Besitzes

1. Gespräch im Guten suchen

2. Störung dokumentieren, Beweise sichern

3. Anspruch binnen 30 Tagen gerichtlich geltend machen

Erfahrungen mit der Firma Toman

Immer wieder kommt es vor, dass ein Auto einfach abgeschleppt wird. Oft zu Unrecht. Hier zwei Fälle aus der Praxis.

Rechtswidrig

Herr L. ist VIP-Mitglied eines Fitnesscenters und parkte wie immer auf dem Kundenparkplatz. Allerdings hatte er vergessen, die Parkberechtigungskarte sichtbar anzubringen. Während Herr L. trainierte, wurde sein AutoBesitzstörung kann teuer werden; Bild: Evannovostro/Shutterstock.com abgeschleppt. Der Wagen blockierte keine Ein- oder Ausfahrt. Er nahm auch niemandem Platz weg; der Parkplatz war halb leer, die Geschäfte in der Umgebung bereits geschlossen. Als Herr L. nach dem Workout wegfahren wollte, war sein Auto verschwunden. Passanten erzählten ihm, dass es von der Firma Toman abgeschleppt worden sei. Herr L. fuhr mit dem Taxi zum Abschleppdienst. Nur durch die sofortige Zahlung der Abschleppkosten von 350 Euro bekam er sein Auto zurück.

Wir klagten Toman

Herr L. wandte sich an uns. Wir klagten Toman, denn für uns war klar: Das Abschleppen war eine unzulässige Selbsthilfe. Das Unternehmen hätte gemäß der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vor dem Abschleppen Erkundigungen nach der Person des Lenkers bzw. Zulassungs­besitzers einholen müssen. Anschließend hätte Herrn L. das Entfernen des ­Fahr­zeuges oder das Vorweisen seiner Berech­tigungskarte ermöglicht werden müssen. Vielleicht weiß Toman das auch. Auf jeden Fall ließ es das Unternehmen nicht auf ein Urteil ankommen und erstattete Herrn L. die Kosten der Abschleppung sowie der Taxifahrt unmittelbar nach Einbringung der Klage.

Vorschnell abgeschleppt

Frau Berger hatte ihr Auto für einige Stunden auf dem Parkplatz eines Shoppingcenters abgestellt. Von dort wurde es von der Firma Toman im Auftrag des Eigentümers abgeschleppt. Frau Berger holte das Auto noch am selben Tag von Toman ab. Sie musste 350 Euro zahlen. Erst danach konnte sie mit dem Wagen wegfahren. Gemäß Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes hätte auch in diesem Fall das Auto nicht gleich abgeschleppt werden dürfen: Es hatte keine Einfahrt ­blockiert und auf dem Parkplatz waren noch viele Plätze frei. Die Firma Toman hätte zuerst den Zulassungsbesitzer erheben lassen müssen, um Frau Berger das Entfernen des Autos zu ermöglichen. Nach unserer Intervention erhielt Frau Berger die 350 Euro rückerstattet.

Rat und Hilfe

Allgemeine Fragen zum Thema Besitzstörung richten Sie bitte an leserbriefe@konsument.at, bei konkreten Beschwerdefällen wenden Sie sich bitte an unsere Beratung: VKI-Beratung.

Leserreaktionen

Abgezockt

Auch ich habe schon einmal unter den Abzockern gelitten. Die Firma Parkrecht Verwaltungs-GesmbH hat sich spezialisiert, private Parkflächen nach erteiltem Vertrag zu überwachen und bei Besitzstörung einen Rechtsanwalt mit der Geldeintreibung zu beauftragen. Bei Nichteinhaltung der Zahlungsfrist der Interventionsgebühr von über € 200 wird geklagt.

In meinem Fall war ich in der Praxis einer Ärztin und wegen der langen Wartezeit wurde das 90-Minuten-Limit überschritten. Obwohl sich die Ärztin als Mieterin beim Hausbesitzer für mich einsetzte, habe ich seinen angestrengten „ Routineprozess“ beim Bezirksgericht verloren. Im Anerkennungsurteil musste ich daher noch die Forderung des Anwalts von zirka € 900 bezahlen.

Interessant ist, dass bei Besitzstörung der Beklagte von bestehender Rechtsschutzversicherung nicht gedeckt ist und auch die Anwälte wegen Erfolglosigkeit solche Fälle der Beklagten nicht übernehmen.

Name der Redaktion bekannt
(aus KONSUMENT 1/2020)

Unklarheiten bei Behinderung

Ich habe vor längerer Zeit in Wolfsberg bei einem Goldschmied am Rande der Innenstadt einen Termin vereinbart. Ich fand einen Parkplatz in der Nähe, habe diesen benutzt und mich die restlichen 100 m zu Fuß ins Geschäft begeben. Als ich zurückkam, war mein Fahrzeug noch da, doch ich hatte einen handgeschriebenen Zettel an der Scheibe mit dem Vermerk, dass dies ein privater Parkplatz sei und hier Parkverbot ist. Ich dachte mir ehrlicherweise gar nichts dabei. Ich habe einen Behinderten-Ausweis, da ich gehbehindert bin, und mir wurde von der Behörde bei der Abholung glaubhaft erklärt, dass ich ab jetzt überall kostenlos parken darf. Doch leider wurde ich nicht darauf hingewiesen, dass dies auf „Privatgrund“ nicht so ist.

Kurze Zeit später kam der obligatorische Brief von einem Anwalt wegen Besitzstörung. Ich habe meinen Anwalt gebeten, mit dem Besitzer Kontakt aufzunehmen und ihm meine Gehbehinderung bekannt zu geben. Beim Telefongespräch bekam er die wortwörtliche Antwort, das sei aufgefallen, da ich mit Krücken gesehen (also beobachtet) wurde. Doch blind bin ich ja nicht und deshalb sei die Strafe gerechtfertigt.

Ich war geschockt und habe daraus meine Lehre gezogen: Bei privaten Parkflächen nach Möglichkeit immer nachfragen … bezahlen oder nicht … ansonsten anderen Abstellplatz suchen. Viele Fragen wären zu verhindern, wenn man eine gesetzliche Regelung hätte, die auch auf Parkflächen wie z.B. bei Supermärkten (also bei nicht überwachten Zonen) klar ist.

Markus Stimpfl
E-Mail
(aus KONSUMENT 1/2020)

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