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Barrierefreiheit: Glaskeramikkochfeld mit Knebelschaltern
Barrierefreiheit: Für sehbehinderte Menschen kann es mitunter mühsam sein, eine geeignete Herdplatte zu finden. Bild: YozikKoshechkin/Shutterstock.com

Barrierefreiheit: Hürden bis zur Herdplatte

Praktisch und stylish ist zu wenig. Für Menschen mit Behinderungen sind viele Haushaltsgeräte ungeeignet. Der mühselige Weg zum neuen Küchenhelfer.

Frau W. möchte sich eine neue Herdplatte zulegen. Ihr Gerät zu Hause hat bereits 20 Jahre auf dem Buckel und sie interessiert sich nun für ein neues Kochfeld. Die Wienerin, Mutter zweier Kinder, ist aufgeschlossen gegenüber technischen Neuerungen; eine weltoffene, aktive Person, eine Stadtstreunerin, wie sie sagt, die es liebt, neue Grätzel zu erkunden. Aufgrund einer Netzhauterkrankung ist sie vor einigen Jahren komplett erblindet. Für sie, so Frau W., hätte ein Induktionsherd einen wesentlichen Vorteil: Nachdem sich beim Kochen mit derlei Geräten nur jene Stellen erhitzen, auf denen tatsächlich ein Topf steht, sinkt die Verbrennungsgefahr erheblich. In einem Media Markt im Westen der Stadt möchte sie sich einen Überblick über das Angebot verschaffen. Wir haben sie begleitet.

In der an diesem Tag nur mittelmäßig gut besuchten Filiale werden wir schon nach wenigen Minuten von einer Mitarbeiterin begrüßt. Freundlich fragt sie nach, ob sie helfen könne, und führt uns nach vorgebrachtem Anliegen zum ersten Modell. Frau W. stellt sich vor das Gerät, klemmt ihren Blindenstock unter den Oberarm und streicht behutsam über die Herdplatte.

Dieser Artikel geht folgenden Fragen nach:

Welche Hürden gibt es für sehbehinderte Menschen bei der Suche nach einer geeigneten Herdplatte? Lassen sich Geräte mit Touchscreens und Sensorschaltern von allen Menschen gleichermaßen verwenden? Welche Funktionen sind optimal bedienbar?

Nicht fühlbare Sensortasten

Von der Mitte ausgehend tastet sie die Oberfläche in alle Richtungen ab. Mit den Fingerkuppen befühlt sie die Umrandungen der Kochfelder. Sie streift an den Außen­seiten entlang und tastet sich, nachdem sie von der Beraterin darauf hinge­wiesen wurde, weiter zu der Stelle, an der sich die einzelnen Platten einschalten lassen. Dabei handelt es sich – wie mittlerweile Usus – um minimalistisch beschrif­tete Sensortasten direkt auf der Platte. Konzentriert und mit kleinsten Bewegungen wischt Frau W. über die Stelle mit den winzigen Wölbungen. Herauszufinden, welche Platte sie an welcher Stelle einschaltet – unmöglich.

Sie erkundigt sich nach einem Gerät, das sich mit Drehschaltern bedienen lässt. Leider habe sie keines mit Induktionstechnologie im Markt, entgegnet die Beraterin mit Bedauern. Dafür gibt sie ihr den Tipp, die Schauräume zweier bekannter Hersteller zu besuchen. Sie sucht die Kontaktdaten der Wiener Niederlassungen heraus.

Ausgesperrt von Innovationen

Barrierefreiheit: Frau mit Sehbehinderung auf der Suche nach geeigneter  Herdplatte.
Barrierefreiheit: Der mühsame Weg zur Herdplatte für sehbehinderte Menschen. Bild: VKI

 

 

Ob es denn nichtinduktive Glaskeramik-Kochfelder mit Knebelschaltern gebe, will Frau W. wissen. Die Verkäuferin zeigt ihr ein ebensolches, und erneut macht sich die Kundin tastend mit dem Modell vertraut. So etwas ließe sich schon eher bedienen, meint sie, doch auch hier gebe es ein Problem: Die Schalter rasten beim Ausschalten bzw. bei der höchsten Stufe nicht ein, sondern drehen durch – was es für sie schwer mache, festzustellen, ob der Herd gerade an sei oder nicht. Oder auch, wie heiß er eingestellt sei.

Schwierige Suche nach dem geeigneten Induktionsherd

Beim nächsten, etwas höherpreisigen Modell findet Frau W. die Einschaltknöpfe optimal bedienbar. Doch als wir zusätzliche Sensortasten an der Oberfläche entdecken, an denen sich das Gerät finetunen und sperren lässt, kommt es zur nächsten Enttäuschung: „Schon wieder innovative Funktionen, die ich nicht nützen kann“, meint Frau W. Wäre ein taktiles Element eingebaut, eine fühlbare Markierung, oder würde die Taste beim Ein- und Ausschalten ein Geräusch machen, dann könnte auch sie den Herd bedienen.

An die acht, neun Platten, eine nach der anderen, testet Frau W. im Lauf des Besuches im Markt. Am Ende kommt sie zu ­einem frustrierenden Fazit: „Es ist wie ­immer, wenn ich mir ein Haushaltsgerät zulegen will. Ich gehe von einem zum anderen und merke, dass am Ende vielleicht eines für mich infrage kommt. Jetzt hätte ich gern einen Induktionsherd, aber ich merke schon, dass es schwierig wird.“

Der Wunsch nach Wahlfreiheit

Mit der Beratungsqualität ist sie zufrieden. „Das war alles okay. Was sollen die Verkäufer auch machen? Die können nichts dafür, dass die Hersteller nichts anbieten“, so eine enttäuschte Frau W. Sie wünscht sich, die Wahl zu haben, so wie alle anderen auch. „Ich will nicht gerade das eine Gerät kaufen müssen. Das, was für alle hergestellt wird, das will ich auch haben!“

Zum Problem werden vor allem die immer häufiger in Haushaltsgeräten verbauten Touchscreens und Sensorschalter. Für Blinde seien diese eigentlich nicht bedienbar. Derzeit werden in den Märkten immer noch einige Modelle mit altbekannten Kippschaltern und beschränkter Funktionalität offeriert. Für Senioren, wie es dann gern wohlmeinend heißt. Aber was, wenn die jetzt 80-Jährigen einmal alle gestorben sind? Außerdem wolle man auch an den innovativen Neuheiten teilhaben, so etwas müsse möglich sein, fordert die Konsumentin und weist darauf hin, dass das ja auch beim revolutionärsten technischen Gerät der letzten Zeit, dem Handy, der Fall ist. Das Smartphone ist dank seiner Screen­reader-Funktion praktisch barrierefrei.

Sprachsteuerung als Chance

Dass sich immer mehr Geräte via Sprachsteuerung bedienen lassen, Stichwort Smart Home, könnte möglicherweise erleichternd für Blinde und Sehbehinderte sein. Und dennoch fordert Frau W. beharrlich, auch das sollte bloß eine Alternative von mehreren sein.

Beim Hinausgehen fragen wir sie, welche Sätze oder Floskeln sie als Mensch mit ­Behinderung bei derlei Kaufgesprächen am meisten nerven. „Diese Frage, die einem immer wieder gestellt wird“, entgegnet sie. „Ob man eh zu Hause jemanden habe, der einem hilft.“ Sie jedenfalls kocht das Essen für sich und ihre Familie selbst.

Die Reportage entstand in Kooperation mit dem Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich (BSVÖ).

Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich

Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich(BSVÖ): Logo Schwarze Schrift mit gelbem Erkennungszeichen
Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich(BSVÖ), Logo Bild: BSVÖ

Der Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich (BSVÖ) ist ein gemeinnütziger Verein, der durch seine sieben Landesorganisationen in ganz Österreich vertreten ist. Oft benötigt es ein Sprachrohr, das gesellschaftliche Problemstellen aufzeigt und durch gezielte Maßnahmen und ­Projekte eine Sensibilisierung der öffentlichen Wahrnehmung bewirkt. Der BSVÖ versteht sich als solches Medium und agiert als aufmerksamer Beobachter und Hilfesteller für die Belange blinder und sehbehinderter Menschen.

Weiters bringt sich der BSVÖ auf Regierungsebene ein und ist die ­einzige Blinden- und Sehbehindertenorganisation, die in bedeutsame Gesetzesvorhaben eingebunden wird. Gleichzeitig mit dem Wirken auf nationaler ­Ebene, engagiert sich der BSVÖ als Mitglied der Europäischen und der Welt­­­blindenunion auch international für gesellschaftliches Umdenken und Agieren.

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