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Barrierefreie Waschmaschine: Ausweichen auf Ladenhüter ist keine Option. Alle sollten dieselbe Auswahl haben. Bild: VKI/Natalie Oberhollenzer

Barrierefreiheit: Keine (Wasch-)Maschine für alle

Menschen mit Beeinträchtigungen müssen sich mit einer geringen Auswahl an Haushaltsgeräten zufriedengeben. Wir haben eine Betroffene zu Hause besucht.

Es ist ein warmer Frühsommertag in einer Reihenhaussiedlung im niederösterreichischen Felixdorf. Frau L. öffnet gut gelaunt die Türe.

Frau L. ist so gut wie blind. Aufgrund einer angeborenen Erkrankung sieht sie auf einem Auge gar nichts und auf dem anderen nur mehr schummrige Umrisse. Vier Prozent von dem, was normal sehende Menschen erkennen, sieht auch sie, schätzt sie.

Ihr Haus ist relativ groß. Früher haben noch ihr Mann und ihre beiden Söhne hier gelebt. Doch der Nachwuchs ist mittlerweile erwachsen und flügge geworden und von ihrem Mann hat sie sich scheiden lassen. Seitdem bewohnt sie das mehrstöckige Gebäude allein. Sie mag es, die vielen Zimmer für sich zu haben. So kann sie eines davon ausschließlich zum Waschen und Bügeln verwenden.

"Ich lege Wert darauf, dass ich das alles allein schaffe"

Frau L. lächelt. Das ganze Haus ist picobello aufgeräumt und sauber. Wir fragen sie, wer ihr dabei hilft, alles so ordentlich zu halten. Sie macht alles selbst, entgegnet sie. Sie sei immer schon selbstständig gewesen. Auch als sie noch zu viert hier waren. "Den Haushalt habe immer ich gemacht. Darauf lege ich Wert, dass ich das alles allein schaffe." Die 61jährige bezeichnet sich selbst als ordnungsliebend. "Ich schaue, dass ich das Haus halbwegs sauber halte." Wobei "halbwegs sauber" einer starken Untertreibung gleichkommt.

Brailleschrift und Klebepunkte

Sie offeriert uns einen Kaffee. In der Küche steht ein Vollautomat, gleich neben einem offenen Gewürzregal. Auf den Fläschchen sind Kleber angebracht, auf denen in Brailleschrift geschrieben steht, um welche Spezerei es sich handelt. Auch auf der Kaffeemaschine sind kleine, durchsichtige Klebepunkte angebracht. Die helfen ihr dabei, die richtigen Knöpfe zu finden. Geschickt tastet sie sich in den Regalen zurecht, sucht die Häferln und brüht den Kaffee. Die Handgriffe sitzen.

Kleine Lupe, große Wirkung

Überall im Haus liegen kleine Lupen. Sie nimmt immer wieder eine zur Hand und hält sie vor einen Gegenstand bzw. etwas, das sie sehen möchte, ganz nah vors Auge. Langsam bringt sie die Lupe in die richtige Position. Die Linsen haben einen zwanzigfachen Vergrößerungsfaktor. Es sind die stärksten marktüblichen Modelle. Eben weil sie um ein Vielfaches vergrößern, können sie nur ganz kleine Ausschnitte abbilden. Damit kann Frau L. viele der gewünschten Dinge erkennen. Ob sie damit auch eine Zeitung lesen könne? „Nur die Überschriften. Wenn etwas klein geschrieben ist, dann ist es sehr umständlich und mühsam.“

Helfende Hände und Automatisierung

Wir gehen in den Garten, der erwartungsgemäß gepflegt aussieht. Der Kirschbaum trägt viele Früchte. Sie schaut sich eine Kirsche genauer an. "Dauert noch ein bisschen", meint sie und erzählt, dass bei der Reife eine Menge Leute zum Pflücken kommen. Einiges behält sie selbst und macht Marmeladen und einen Likör daraus. Den Rasenschnitt erledigt sie oder ihre Söhne mit einem Akku-Rasenmäher, die Bewässerung erfolgt automatisch.

Moderne Technik: Pro und Kontra

Man merkt: moderne Technik scheut Frau L. nicht. Aber dennoch erklärt sie, dass früher vieles einfacher gewesen sei. "Damals hatten alle Geräte Drucktasten. Man wusste, wo man drücken musste. Heute ist es komplizierter geworden." Aber die Technologie sei auch ein riesiger Vorteil. Zum Beispiel das Handy. Das kann sie, der Sprachausgabe sei Dank, tadellos bedienen.

Ärger mit der Waschmaschine

Ein Gerät, das ihr in den letzten Monaten viel Ärgernis beschert hat, ist die Waschmaschine. In dem eigens dafür vorgesehenen Raum gleich neben dem Trockner steht ein Modell einer bekannten internationalen Marke. Vor rund zwei Jahren hat sie es gekauft und war damals hellauf begeistert von dem Gerät. Denn es hat erstens ein großes Display, zweitens piepst es laut, wenn an den Reglern etwas verstellt wird, und drittens verfügt es über einen einfach zu bedienenden Drehschalter.

Sprachsteuerung mit Tücken

Überdies ist die Waschmaschine über eine Handy-App bedienbar – wodurch sie Frau L. theoretisch via Smartphone und Sprachausgabe steuern könnte. Theoretisch. Praktisch sieht die Sache nicht ganz so aus. Denn die App fragt immer wieder nach Updates. Die sind mit der Sprachausgabe nur mühselig zu bedienen und wenn sie einmal abgeschlossen sind, dann muss die Maschine wieder von vorne ans Netz gehängt werden.

"Letztens hat sich mein Sohn fast eine Stunde damit gespielt und nach zwei Wochen hat es schon wieder nicht geklappt“ – auch weil der WLAN-Empfang in dem Raum nicht gut genug sei. Und wenn das WLAN ausfalle, müsse man sich jedes Mal aufs Neue einloggen. Um es uns vorzuführen, startet sie die App. „Unsere neuen Nutzungsbestimmungen, unsere neuen Nutzungsbestimmungen, unsere neuen Nutzungsbestimmungen…" – wie eine hängengebliebene Schallplatte wiederholt eine Stimme den Satzfetzen immer und immer wieder. Entnervt beendet die Frau L. die App und wendet sich wieder der Maschine zu.

Pickerl, Lupe, Gedächtnis

Am Drehschalter hat sie wie bei den anderen Haushaltsgeräten Pickerl angeklebt, mit denen sie die wichtigsten Programme markiert. Sie dreht am Regler und es piepst. Am Display daneben wird das gewählte Programm in großer Schrift angezeigt. Das ist schon mal gut, aber Frau L. braucht trotzdem die Lupe. Immerhin ist die Maschine so bedienbar. Das Problem ist aber, dass sie nicht automatisch auf die Nullstellung zurückspringt. „Ich muss mir immer merken, in welchem Programm ich zuletzt gewaschen habe, oder ich muss die Lupe nehmen. Das geht ja noch, aber falls ich künftig noch schlechter sehen sollte, kann ich sie gar nicht mehr bedienen.“

Drucktasten statt Touchscreens

Dann ist da noch die Sache mit dem Display. Auf diesem lassen sich Temperaturen, mögliche Zeitvorwahlen und andere spezielle Einstellungen wie Vorwäsche, Spülen und Schleudern nachjustieren. "Da gibt es Optionen, die kann ich gar nicht verwenden, weil die Anzeigen viel zu klein sind. Nicht einmal mit der Lupe, denn wenn ich beim Hinsehen mit der Nase ankomme, verstelle ich alles."

Womit sie das zweite Problem des Touchscreens anspricht, das für Menschen mit Sehbehinderung generell ein großes Thema ist. Denn das Display reagiert sehr sensibel auf Berührung.

Jedes Mal, wenn Frau L. versehentlich daran ankommt, dann "piepst es in alle Richtungen" und die Programme werden verstellt. "Warum gibt es hier keine Drucktaste?", ärgert sich die Besitzerin. Das würde ihr das Wäschewaschen um Welten erleichtern.

"Beim Kauf damals war dieses Gerät nicht angeschlossen. Darum hat man mir ein bauähnliches gezeigt. Bei dem konnte ich das Display gut lesen und der Drehregler ist bei jedem Programm eingerastet." Zu Hause schließlich war die Enttäuschung mit dem schikanösen Touchscreen groß. Erst dann hat sie gemerkt, was für sie alles nicht möglich ist.

Geräte ohne extra Adaptierung

Der Wunsch, den Frau L. an die Industrie hat, ist denkbar einfach: Sie möchte Geräte, die ohne extra Adaptierung bedienbar sind. Sie will sich nicht stundenlang überlegen müssen, was zu tun ist, um etwas in Betrieb nehmen zu können. Dabei spricht sie nicht nur für sich und auch nicht nur für blinde Menschen.

Ältere Generationen, solche mit Krankheiten, die Erscheinungen wie ein Zittern mit sich bringen, haben dieselben Probleme. Für sie alle ist die Zahl an nicht mehr verwendbaren Geräten mit dem flächendeckenden Einsatz von Touchscreens enorm gestiegen.

Keine Lust auf Ladenhüter

Oft müssen sie, um überhaupt ein Gerät im Haus haben zu können, auf Ladenhüter ausweichen. Dabei wollen sie keine Abstriche machen, sondern dieselbe Auswahl haben wie alle anderen auch.

Dass das möglich ist, beweist das Smartphone mit Funktionen wie der Sprachausgabe und der sprachgesteuerten Bedienung. Das alles macht auch moderne „Devices“ für eine große Personengruppe bedienbar. Damit werden sie dem von diversen Organisationen schon immer geforderten Zweisinne-Prinzip gerecht.

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Bild: Blinden- und Sehbehindertenverband

Diese Reportage entstand in Kooperation mit dem Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich.

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