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Crashtest 1/2003 - Knalleffekt

  • Fünf Sterne sind keine Seltenheit mehr
  • Nicht nur große Autos sind sicher
  • Fußgängersicherheit nach wie vor schlecht

Was vor rund einem Jahr mit dem Renault Laguna begann, ist heute Ziel aller Autohersteller, die sich sicherheitstechnisch keine Blöße geben wollen: Fünf Sterne im Euro-NCAP-Crashtest. Saab hat mit dem neuen 9-3 nach der Mercedes C-Klasse vor einem halben Jahr nun ebenfalls den fünften Stern geschafft. Die Skandinavier haben ja als erste die Sicherheit als zugkräftiges Marketing-Instrument genutzt. Jahrzehntelange Imagearbeit wäre bei Verfehlen des fünften Sterns zerstört gewesen. Aber auch Renault kann zwei weitere Modelle in der Top-Liga der sichersten Autos platzieren, den Velsatis und den kompakten Mégane, wo es aufgrund der relativ kurzen Motorhaube schwieriger ist, exzellente Testergebnisse zu erzielen.

Fußgänger sind kein Thema

Es gibt allerdings auch einen unerwünschten Seiteneffekt beim Griff nach den Sternen: Die Autos werden immer steifer und damit aggressiver gegenüber Fußgängern. Besonders auffällig das Ergebnis des Suzuki Grand Vitara, er konnte in der Fußgängersicherheit nicht einmal einen von vier Sternen erreichen. Das müsste nicht zwangsweise so sein, denn technisch gäbe es trotz steifer Fahrgastzelle Möglichkeiten, fußgängerfreundlichere Frontpartien zu gestalten. Es erhebt sich also der Verdacht, dass sich die Autohersteller darum ganz einfach weniger kümmern, da die Sensibilität bei den Autokäufern in dieser Hinsicht noch nicht sehr ausgeprägt ist. Die Unfallstatistik belegt die Brisanz dieses Problems: Im Jahr 2001 wurden 117 Fußgänger Opfer von Verkehrsunfällen, 4606 wurden verletzt. Nicht zuletzt deshalb wurden bei dieser Testserie die Kriterien für die Fußgänger-Tests verschärft, was bedeutet, dass die Fußgänger-Wertung nicht mit Ergebnissen aus früheren Tests verglichen werden kann.

Ein weiterer Punkt, über dessen Sinnhaftigkeit häufig diskutiert wird, sind die sogenannten Intelligent Seatbelt Reminders (SBR), also ein System, das effizient vor nicht angelegtem Gurt warnt. Dafür gibt es bis zu drei Punkte. Schon bei der vorigen Testserie gelang es damit Mercedes, die C-Klasse über die Fünf-Sterneschwelle zu heben, obwohl das mit der eigentlichen Fahrzeugsicherheit nichts zu tun hat, sondern mit ein wenig Elektronik zu erreichen ist. Die Experten sagen aber: Wer sich nicht anschnallt, hat von vorne herein jeden Sicherheitsgewinn verspielt. Darum wird das Warnsystem als so wichtig eingestuft.

Arge Schwächen im Front-Crash

Was darüber hinaus auffällt: Fast alle Autotypen erreichen beim Seitencrash eine hohe Punkteanzahl. Gröbere Unterschiede gibt es aber nach wie vor beim Frontalcrash. So erreicht etwa der Nissan X-Trail nur neun von 16 möglichen Punkten im Front-Crash, bringt es aber unter dem Strich dennoch auf vier Sterne. Hier gibt es rege Diskussionen um eine künftige Änderung des Reglements. Gute Seitencrash-Ergebnisse sind meist alleine durch Seitenairbags zu erreichen. Konkretes Beispiel ist der Ford Fiesta. Im ursprünglichen Euro-NCAP-Test schnitt er nur mit 25 Punkten ab, da die Regel lautet, dass nur jene Modelle mit Seitenairbags gecrasht werden, bei denen diese auch in der Basisversion serienmäßig sind. In Östereich ist dies aber der Fall. So wurde der Fiesta von ADAC und ÖAMTC noch einmal mit Seitenairbags getestet und erreichte 3 Punkte mehr.

Mit der neuen E-Klasse besitzt Mercedes nach der C-Klasse das zweite Fünf-Sterne-Modell. Die M-Klasse musste sich dagegen mit vier Sternen begnügen, was auf die mageren zehn Punkte beim Frontcrash zurückzuführen ist. Erklären lässt sich dies damit, dass das Offroad-Modell speziell für amerikanische Crash-Szenarien ausgelegt ist, die ohne Sicherheitsgurte durchgeführt werden. Eine spezielle Kniepolsterung führt, genauso wie bei Jeep Cherokee im letzten Test, zu relativ hohen Belastungen im Bereich der Ober- und Unterschenkel beim Euro-NCAP-Test.

Ganz allgemein kann gesagt werden, dass eine stabile Fahrgastzelle Grundvoraussetzung für gute Crash-Ergebnisse ist. Dazu kommen aber noch einige intelligente Details an den Rückhaltesystemen, die nun auch in den unteren Fahrzeugkategorien immer öfter zur Selbstverständlichkeit werden, wie beispielsweise bei Renault Mégane oder Ford Fiesta: Zweistufige Frontairbags, zweistufige Gurtstraffer mit Gurtkraftbegrenzer und Anti-Dive-Sitze, die das gefährliche Durchrutschen des Beckens unter dem Gurt verhindern.

Keine Universal-Kindesitze

Noch immer nicht befriedigend ist die Situation bei den Kindersitzen gelöst. Zwar verbreitet sich das Isofix-Befestigungssystem nun doch relativ rasch. Allerdings ist die Einbausituation insgesamt so unterschiedlich, dass fast alle Sitze nur für bestimmte Autos freigegeben sind. Bei mehreren Autos in der Familie ist das nach wie vor ein grobes Hindernis für eine lückenlos konsequente Verwendung der Kindersitze.

Resümee: Mit Renault Mégane, Saab 9-3, Mercedes E und Renault Velsatis gibt es nun weitere vier Modelle, die den fünften Stern geschafft haben (nach Renault Laguna und Mercedes C). Der Peugeot 807 hat den dafür notwendigen 33. Punkt nur um einen Punkt verfehlt. Eine etwas sophistischere Gurtanschnall-Warnung hätte bereits genügt, um ebenso an der Spitze dabei zu sein.

Schon sechs 5-Stern-Autos. Wenn ein Autohersteller ein neues Auto auf den Markt bringt, ist der Druck groß, fünf Sterne beim Crash zu erreichen, ganz besonders dann, wenn er das Thema Sicherheit längst tief in seinem Markenimage verankert hat, wie etwa Mercedes oder Saab.

Schlecht für Fußgänger. Immer steifere Fahrgastzellen zum Schutz der Insassen rufen immer schwerere Verletzungsfolgen bei Fußgängern hervor, rechtfertigen sich die Autohersteller. Zu Recht wird ihnen jedoch vorgeworfen, dass sie bei ihrer Jagd nach dem fünften Stern dieses Problem schlicht ignorieren.

Gut für die Geldbörse. Die Crash-Vergleiche zeigen Wirkung. Seiten- und Kopfairbags gehören nun auch in der Kategorie der preisgünstigen Kompaktwagen immer öfter zur Serienausstattung. Sicherheit ist also nicht mehr nur eine Geldfrage.

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