Zum Inhalt

Bahn: Online-Ticket - "Ihr Tablet kann ich net zwick'n"

Das Zugticket online gekauft, auf Smartphone oder Tablet gespeichert - und dann? Im schlimmsten Fall: neuen Fahrschein, Schwarzfahrer-Bußgeld, Polizei und lebenslange Ticket-Sperre.

Die Bahn modernisiert. Dazu gehört auch, den Fahrschein – neudeutsch Ticket – von daheim oder unterwegs zu kaufen - ohne Anstehen am Schalter. Die Kunden nehmen es dankbar an, die Bahn hat weniger Aufwand. Schon jeder zwölfte ÖBB-Fahrausweis landet auf PC, Smartphone, Tablet oder Handy, Tendenz steigend. Bei der Deutschen Bahn (DB) ist dies der am schnellsten wachsende Vertriebsweg im Fernverkehr überhaupt. Nicht immer ist die Freude ungetrübt, wie wir in der folgenden Info-Reportage zeigen.

„Alles einsteigen!“

Hauptbahnhof München, 15 Uhr 34, Gleis 11: Auf die Sekunde genau fährt der ÖBB-RailJet sanft an. Er wird seine Fahrgäste in weniger als vier Stunden nach Wien bringen; zumindest die meisten. Darauf freuen sich auch die beiden jungen Damen im Wagen 23. Sie haben ihre Bahntickets online gekauft, mit Kreditkarte bezahlt und als PDF-Datei auf ihren Smartphones gespeichert. Sie fahren zu Wiener Freunden. Das Gepäck haben sie weitgehend daheim gelassen, die elektronischen Fahrkarten aber liegen griffbereit am Handy. Glauben sie.

„Die Fahrausweise bitte“

Das angeregte Gespräch wird nur kurz unterbrochen als auf etwa halbem Weg zwischen München und Salzburg der Zugbegleiter der Deutschen Bahn (DB) den Waggon betritt. Als die beiden ihre Tickets auf dem Smartphone vorzeigen schüttelt der Schaffner den Kopf: „Das brauche ich in Papierform“, erklärt er höflich aber bestimmt, „auf dem Handy gilt das so nicht.“

Vorbei ist es mit der Unterhaltung. „Das ist doch ein Online-Ticket“, wirft die eine nach mehreren Schrecksekunden ein. „Auf dem Papier würde auch nichts anderes stehen wie hier am Bildschirm“, ergänzt die andere, „scannen Sie den Code mit Ihrem Gerät doch bitte von unseren Handys ein.“ Fehlanzeige, das geht nicht.


In der Tabelle finden Sie Informationen zum Kauf von Online-Tickets, Mobile-Tickets und SMS-Mobile-Tickets bei den ÖBB im Vergleich. Folgende Punkte werden u.a. erklärt:

  • Wie/Wo Sie ein Ticket kaufen
  • Wie Sie das Tickets bezahlen
  • Wie Sie das Ticket vorweisen müssen
  • Für welche Strecken Ticket-Käufe möglich sind
  • und vieles mehr...

Unterschiede bei ÖBB und DB

Suboptimales und Internationales

Warum ist das nicht möglich? KONSUMENT erhält später im Rahmen der Recherche unterschiedliche Auskünfte von ÖBB und DB: Die Österreicher argumentieren damit, die derzeit eingesetzten Scanner seien für das Erfassen von Daten vom Tablet oder Smartphone „suboptimal“, da für das Einlesen des Codes von Papier konstruiert. Aber: „2016 erreichen die derzeit im Einsatz befindlichen Lesegeräte das Ende ihrer Lebensdauer. Ein Kriterium für die Neubeschaffung von Lesegeräten ist natürlich auch die Einsetzbarkeit in Kombination mit Bildschirm-Oberflächen“, lässt man uns wissen.

Die deutschen Kollegen hingegen scheinen mit der Technik kein Problem zu haben. Sie scannen den Fahrausweis auch vom Smartphone und vom Tablet ein. Jedoch nur auf innerdeutschen Strecken! Wer also beispielsweise von München nach Hamburg oder Berlin reist, hat diesbezüglich keine Unannehmlichkeiten. Von München nach Salzburg oder Wien aber schon. Begründung: Es fehlten noch grenzüberschreitende Standards, die allen beteiligten Bahnen die einheitliche Gültigkeitsprüfung von elektronischen Tickets erlaubten.

Doppelt bezahlen? Nein, danke!

Zurück im RailJet München-Wien: Der Schaffner besteht auf dem Papierausdruck und bei Ermangelung eines solchen auf erneutem Kauf eines Fahrscheines. Dazu haben die beiden Ladies keine Lust. „Wir haben schon bezahlt, sonst hätten wir die Tickets nicht bekommen“, argumentieren sie – erfolglos. Auch dass es sich bei diesen um sogenannte „zuggebundene“ Fahrscheine handelt (sie können nur vom konkreten Fahrgast am konkret gebuchten Datum im konkreten Zug verwendet werden), ändert nichts an der Sachlage. Nach dieser und ihren Rechten wollen sich die beiden Frauen nun via Handy bei der Bahn erkundigen.

Der Schaffner hat nichts dagegen, Salzburg ist noch weit, Stationen dazwischen gibt es nicht und er hat viel zu tun. Bei jener Dame sechs Reihen weiter vorne, zum Beispiel: „Einen Ausdruck auf Papier? Das habe ich nicht gewusst“, hört der Autor dieses Beitrags die Frau noch zum Zugbegleiter sagen, dann geht dieser offensichtlich gleich gelagerte Fall im Stimmengewirr der telefonierenden Damen neben ihm unter. - Später wird die Lage eskalieren.

Strafe droht, wenn Ticket nicht "vorweisbar"

Kommt öfter vor

Bereits bei seiner Hinfahrt nach Deutschland hatte ein männlicher Fahrgast dasselbe Problem. Auch er hatte das Ticket lediglich auf seinem Tablet-PC. Der österreichische Schaffner hatte ihn mit der Erklärung “Ihr Tablet kann ich net zwick’n“ über die Papier-Pflicht aufgeklärt, es im Übrigen aber dabei bewenden lassen. Man handhabe solche Fälle in Kulanz, beantwortete der ÖBBler eine entsprechende Frage, denn schließlich kämen die ja häufig vor.

Offiziell wissen die betroffenen Bahnunternehmen nichts davon. Auf Anfrage von KONSUMENT an ÖBB und DB waren sich deren Sprecher einig: Solche Probleme treten so gut wie nie auf. Lediglich zwei Beschwerden habe es in diesem Jahr bei der ÖBB gegeben, „vereinzelte Fälle“ bei der DB. Die müssten sich somit just auf den zwei Fahrten des Autors nach beziehungsweise von Deutschland ereignet haben. Das allerdings wäre ein Zufall mit einer statistischen Wahrscheinlichkeit geringer als jene für einen Lotto-Sechser.

„Dort hole ich die Polizei…“

Der RailJet nähert sich der Grenze. Der Zugbegleiter hat nun – im mittlerweile dritten Anlauf - seinen Chef mitgebracht. Gemeinsam fordern sie die Personalien der jungen Frauen. Die sehen das nicht ein, schließlich besitze man ja Fahrscheine. Ihr Versuch, sich bei der Bahnhotline nach ihren Rechten zu erkundigen war erfolglos: zweimal durchgekommen, zweimal in ein Funkloch geraten. Sie seien aber bereit, in Salzburg auszusteigen, am Bahnhof nach einer Möglichkeit des Ticket-Ausdrucks zu suchen, und dann mit dem nächsten Zug weiterzufahren. Ans Aussteigen in Salzburg denken auch die Bahnbediensteten; allerdings unter anderem Vorzeichen: „Dort hole ich die Polizei“, droht der Ältere, „das ist die österreichische Polizei, das kostet sehr viel. Sie werden kommen und sie werden das alles zahlen müssen.“ Und: „Sie werden gesperrt, sie bekommen nie wieder ein Online-Ticket bei der Bahn.“ Mit „Wir sehen uns am Bahnsteig“ macht er kehrt und verschwindet in den vorderen Waggon. Er wird wiederkommen.

Die Bahn ist im Recht

Die Bahn ist im Recht und zwar in allen Punkten. Zwar waren die Reisenden ordnungsgemäß im Besitz ihrer Fahrkarten. Der Besitz allein zählt aber in der Logik der Beförderungsbedingungen nicht. Der Kunde muss sie auch in der festgelegten Form vorweisen. Ist dies nicht der Fall, ist man eben nicht im Besitz eines gültigen Fahrausweises und die Bahn kann wahlweise

  • den Fahrpreis im Zug (erneut) kassieren
  • eine Fahrgeldnachforderung/Kontrollgebühr einheben („Schwarzfahrer-Strafe“, in Österreich 70 Euro plus 30 Euro bei Erlagscheinzahlung; berech-tigt im Fernverkehr zur Fahrt bis zur nächsten Station)
  • die Reisenden vom weiteren Transport ausschließen
  • die Exekutive zur Feststellung der Personalien einschalten
  • die Reisenden vom zukünftigen Bezug von Online-Tickets ausschließen
  • Strafanzeige bei missbräuchlicher Verwendung erstatten

Online-Ticket auf Papier, Mobile-Ticket mobil vorweisen

Vom Regen in die Traufe?

Im Zug entwickelt sich eine lebhafte Diskussion. Niemand hält die beiden Damen für Schwarzfahrerinnen, niemand findet Vorgangsweise und Ton der DB-Mitarbeiter als angebracht. Doch es nützt nichts. Die anderen Fahrgäste raten den jungen Frauen, in Salzburg auszusteigen und die Tickets ausdrucken zu lassen. Als der Zug dort eingefahren ist und der Schaffner suchenden Blickes durch den Mittelgang hastet, sind deren Plätze längst leer. Ob die beiden es schafften, ihre Tickets am Bahnhof auszudrucken? Aber selbst wenn dies gelungen sein sollte, muss die Geschichte kein gutes Ende haben: Es handelte sich um zuggebundene Fahrscheine, die nur für diesen konkreten RailJet galten. Bei der Weiterfahrt im nächsten Zug könnte es also erneut geheißen haben: „Das gilt so nicht …“

Mobile-Ticket: kleiner Unterschied, große Wirkung

Die Betroffenen hatten ein Online-Ticket via Internet erstanden. Sie hätten aber – in Kategorien der beteiligten Bahnen gedacht – ein Mobile-Ticket benötigt. Beide werden zwar elektronisch geordert, bezahlt und geliefert und haben auch denselben Preis – aber das Online-Ticket muss nach wie vor auf Papier vorgewiesen werden. Das Mobile-Ticket hingegen kann man auch aus den entsprechenden Apps der Bahnen – und nur aus diesen – auf dem Bildschirm präsentieren. Kleiner Unterschied, große Wirkung.

Das fröhliche Reise-Rätsel

Die Webseite der ÖBB informiert wahrnehmbar, dass Online-Tickets ausgedruckt werden müssen. Auf jener der Deutschen Bahn gibt es Stoff für Missverständnisse: „Sie können Ihr online gebuchtes Ticket auch direkt in die DB Navigator App laden und auf dem Smartphone oder Tablet nutzen“ heißt es dort. Wer die App für eine Option, eine Möglichkeit hält statt sie als zwingende Voraussetzung zu betrachten, der kann rasch in die Falle tappen: Das Ticket schnell auf das Smartphone zu laden, um keine Zettel mit nehmen zu müssen, kann böse enden, wie das Abenteuer der beiden Damen. Dies gilt auch für die ÖBB-Variante. Verwirrung ist möglich. Zum einen empfiehlt die DB das Ticket „auf Smartphone oder Tablet“ zu nutzen. Im nächsten Satz heißt es dann: „Bitte halten Sie Ihr Online-Ticket für die Kontrolle im Zug in ausgedruckter Form bereit.“ Arm der Reisende, der jetzt entscheiden müsste.

Knapp, knapper, DB

Die Deutsche Bahn hat gegenüber KONSUMENT eingeräumt, dies sei „eine überarbeitungswürdige Darstellung“. Dabei wird man sich vielleicht auch des Feedback-Formulars annehmen, zu dem die DB mit ihren Buchungsbestätigungen einen Link aussendet. Es besteht aus einer Frage: „Wo haben sie gebucht?“, gefolgt von einer Bildschirmseite mit: „Das war es auch schon!“ Fertig. Deutsche Knappheit in Ehren, aber …

Noch eine Urlauber-Falle

Wenig Hoffnung besteht hingegen für österreichische Deutschland-Urlauber in einem anderen Punkt: Um sich bei der DB ein Ticket auf das Handy schicken zu lassen – für einen Bahnausflug beim Nachbarn oder für die Heimreise - benötigt man eine deutsche Handy-Rufnummer. Auf österreichischen SIM-Karten funktioniert das nicht. Am besten nimmt man also den Drucker mit in den Urlaub oder macht sich vor Ort auf die Suche nach einem solchen. Aber das wäre eine andere (Bahn-)Geschichte.

Tabelle: Bahn Online-Ticket

Zusammenfassung: Online-Tickets der Bahn

  • Verlust der Storno-Möglichkeit. Mit der Anforderung Ihres Tickets verlieren Sie bei allen Varianten die Storno-Möglichkeit. Also früh buchen (Preisvorteil) aber spät ausdrucken.
  • Gedruckte Online-Tickets. Online-Tickets immer gedruckt dabei haben.
  • ÖBB-App Voraussetzung. Für die Nutzung auf Smartphone oder Tablet ist die Verwendung der ÖBB-App zwingende Voraussetzung.
  • ÖBB-Konto nötig. Ohne Konto bei „meineÖBB“ im Bereich „Mobile Ticket“ erfolgt kein Ticketersatz bei Verlust oder Defekt des Geräts.
  • Von Strecke abhängig. Nicht alle Optionen stehen für alle Strecken zur Verfügung.

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

ePrämie: Eine Prämie fürs Stromtanken premium

ePrämie: Eine Prämie fürs Stromtanken

Besitzer:innen von Elektroautos können für ihre umweltfreundliche Art der Fortbewegung eine jährliche Prämie kassieren. Aber was ist der Sinn und Zweck dieses Anreizsystems?

ID Austria: Digital ist besser? premium

ID Austria: Digital ist besser?

Die Handy-Signatur ist Geschichte. Die ID Austria bietet nun die Möglichkeit einer „digitalen Identität“. Wo liegen die Knackpunkte? Wir haben recherchiert.

Gefördert aus Mitteln des Sozialministeriums 

Sozialministerium

Zum Seitenanfang