Zum Inhalt

Angst vor Spinnen - Häufige Phobie

Spinnen sind in unseren Breiten völlig harmlos, sogar nützlich, und sorgen dennoch verlässlich für Schrecken. Hierzulande gehört die Spinnenangst zu den verbreitetsten Phobien, allerdings auch zu denen der harmloseren Art, da sie kaum in den Alltag eingreift.

Bisher erschienen:

Eklig, furchtbar, scheußlich – war das auch Ihre erste Reaktion, als Sie die Spinne hier abgebildet sahen?Angst vor Spinnen; Bild: Vadym Lesyk/Shutterstock.com Wenn ja, sind Sie in bester Gesellschaft. Oder besser gesagt: in großer Gesellschaft. Spinnen ­(typischerweise auch Schlangen) jagen sehr vielen Menschen einen Schrecken ein. Man geht davon aus, dass bis zu zehn Prozent der Bevölkerung hierzulande unter Arachnophobie, so der Fachausdruck für Spinnenangst, leiden, wobei Frauen ungleich häufiger betroffen sind als Männer.

Spinnenphobie: unterschiedliche Ausprägung

Diese Phobie, diese Furcht vor einem bestimmten Objekt also, kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Die einen werden beim Anblick der Spinne oben schnell ­weiterklicken, andere vielleicht gar spitz aufschreien.

Bei Ihnen, verehrte Leserin, verehrter Leser, dürfen wir davon ausgehen, dass Ihre Phobie – wenn überhaupt – moderat ausgebildet ist, denn Sie lesen ja diese Zeilen weiter.

Furcht vor Harmlosem

So unterschiedlich die Reaktionen auch ausfallen – alle wissen, dass Spinnen zumindest in unseren Breiten völlig harmlose Tiere sind. Mit ihrem Biss können sie nicht einmal die menschliche Haut durchdringen. Selbst der Großteil der berüchtigten Vogelspinnen, versichern Biologen, ist ungefährlich. Oder wurde hierzulande jemals einer oder eine von Spinnen angegriffen und verletzt? Eben. Und das heißt: Bei uns gibt es eigentlich keinen Grund zur Spinnenangst. Und dennoch besteht sie. 100 Mal können wir Arachnophobikern erzählen, dass Spinnen harmlos sind, 100 Mal können sie es sich selbst vorsagen – es nutzt nichts.

Diese Furcht behauptet sich hartnäckig gegen ­alle Einflüsterungen und Beschwörungen des Verstandes. Wir haben es hier mit einer Reaktion zu tun, die in einem geradezu ­bizarren Missverhältnis zur gegebenen Gefahrensituation steht – eine Gefahr besteht nämlich überhaupt nicht.

Alarmprogramm unserer evolutionär älteren Gehirnregionen

Echte Bedrohungen

Der Mensch verhält sich mitunter recht ­eigenartig. Während er die Spinne gleichsam zum Elefanten macht, nimmt er so manche wahre Bedrohung geradewegs gleichmütig hin, beispielsweise den Autoverkehr.

Auf den Straßen der Welt lassen jährlich über eine Million Menschen ihr Leben. ­Damit fordert das Auto einen größeren Blutzoll als alle Kriege und Bürgerkriege zusammen. Und es soll noch schlimmer kommen. Die Weltgesundheitsorganisa­tion WHO prophezeit, dass in 15 Jahren jährlich mindestens 1,8 Millionen Menschen im Straßenverkehr sterben werden. Ein Schreckensszenario.

Verkehrte Welt

Und schrecken wir uns? Kaum. Im letzten Jahr kamen laut Angaben der Statistik Austria auf unseren Straßen 409 Menschen ums Leben und 46.525 wurden verletzt. Gewiss, es gab schon schlimmere Zeiten. 1972 war das Jahr mit der höchsten Zahl an Unfalltoten (2.948). Doch die Zahlen sind immer noch viel zu hoch. Immerhin ereignen sich Tag für Tag mehr als 100 schwere Unfälle bei uns. Nahezu jeder oder jede weiß von einem Menschen, der bei einem Verkehrsunfall schwer verunglückt oder ums Leben gekommen ist.

Und da ist noch nicht einmal der Schaden mit einberechnet, den das Auto durch Lärm und Luftverpestung verursacht. Und trotzdem: Unbekümmert steigen wir jeden Tag aufs Neue ins Auto. Bei den tonnenschweren Fahrzeugen auf ihren vier Rädern denken wir nicht an Gefahr, wohl aber bei den Achtfüßern mit ihren langen, zartgliedrigen Beinchen.

Erklärungsversuche

Verkehrte Welt. Warum nehmen wir vor Spinnen Reißaus? Liegt der Grund vielleicht in deren filigranem Bau? Eine Angst, argumentieren einige Psychologen, tritt umso stärker und häufiger auf, je weiter ein Tier oder Gegenstand vom menschlichen Erscheinungsbild abweicht. Aber dann müssten wir uns genauso vor Seepferdchen fürchten, und das tun wir nicht.

Ein anderer Erklärungsversuch geht dahin, dass es die unvorhersehbare Fortbewegungsweise der Spinnen ist, die uns Angst macht. Meist verharren diese Tierchen ­allerdings regungslos in ihrem Netz.

Wieder andere sagen, dass diese Phobie gleichsam in unseren Genen verankert sei, ein Erbe aus jenen fernen Zeiten, als der Mensch noch Tag für Tag mit gefährlichen Spinnen konfrontiert gewesen sei. Aber, wenden Wissenschaftler ein, diese Tiere seien in unseren Breiten schon immer harmlos gewesen.

Alarmprogramm unseres Gehirns

Eine schlüssige Erklärung für diese ver­breitete Furcht fehlt also. Was wir dagegen wissen, ist, warum die rationale Einsicht in die Ungefährlichkeit der Spinnen uns nicht die Furcht vor diesen Tieren nimmt. Der Grund liegt darin, dass der Betroffene, oder vielmehr sein Bewusstsein und Wille, keinen Zugriff auf die tieferen Gehirnareale hat, aus denen die Angst gespeist wird.

In Momenten höchster Not reagieren wir blitzschnell, ohne lange zu überlegen, und das ist gut so, denn unser Leben kann mitunter von Zehntelsekunden abhängen. In diesem Fall läuft, weitgehend automatisch und losgelöst von unserem Denkapparat, eine Art Alarmprogramm in unseren evolutionär älteren Gehirnregionen ab. Ein Programm, das uns umgehend auf Kampf oder Flucht vorbereitet. Eine segensreiche Einrichtung, die dem Menschen schon oft das Überleben gesichert hat. Doch manchmal entpuppt sich dieser Automatismus auch als Fluch. Dann nämlich, wenn er auch anspringt, wenn dazu überhaupt kein Anlass besteht. Wie eben bei der Konfrontation mit Spinnen.

Konfrontationstherapie oder gar nichts unternehmen

Konfrontieren oder akzeptieren

Was lässt sich gegen diese Fehlprogrammierung machen? Die Tierchen in die Hand nehmen und über den eigenen Körper krabbeln lassen! Diese Strategie propagieren Verhaltenstherapeuten. Hört sich brutal an, ist es für den Betroffenen gewiss auch im ersten Moment. Stelle dich deiner Angst, und du wirst sie überwinden, lautet das Motto der sogenannten Konfrontationstherapie. Gutes Zureden allein hilft nicht, wohl aber – propagieren deren Proponenten –, die Erfahrung zu machen, dass man erstens seine Angst aushalten kann und dass zweitens tatsächlich keine Gefahr von dem gefürchteten Objekt ausgeht. Über das intensive Gefühlserlebnis wird dann der Gedächtnisinhalt gleichsam überschrieben und umgeschrieben. Verhaltenstherapie basiert auf der lernpsychologischen und neurobiologischen Theorie der Extinktion (Löschung).

Spinnenphobie: berührt uns im Alltag kaum

Eine andere Möglichkeit besteht darin, gar nichts gegen seine Spinnenphobie zu unternehmen und einfach weiter mit ihr zu leben. Das können wir so forsch empfehlen, weil diese Phobie im Unterschied etwa zu sozialer Angst oder zu Panikattacken weit weniger in den Alltag des Betroffenen eingreift – und ihn zur Hölle werden lassen kann.

Hinzu kommt, dass wir Spinnen (noch weniger Schlangen) nun tatsächlich nicht auf Schritt und Tritt begegnen. Und: Ein völlig angstfreies Leben dürfte ein schöner Traum sein, aber eben auch nicht mehr als ein Traum.

Buchtipp: "Phänomen Angst"

Dieses Buch gibt Anregungen und Antworten in der Auseinandersetzung mit dem Phänomen Angst. Und es leistet Hilfestellung für alle Betroffenen. Es informiert über professionelle Hilfsangebote und darüber, was man für sich selbst tun kann, um den eigenen Ängsten entgegenzutreten.

Leseprobe und Buch finden Sie in unserem Shop.

Aus dem Inhalt

  • Wovor fürchten sich Herr und Frau Österreicher?
  • Was macht das Wesen der Angst aus?
  • Welche Ängste begleiten uns durch das Leben?
  • Wer betreibt das Geschäft mit der Angst?
  • Warum schlägt sich Angst manchmal auf den Magen?
  • Warum kann die Angst vor Krankheit tatsächlich krank machen?
  • Wo verläuft die Grenze zwischen „normaler“ und „krankhafter“ Angst?
  • Welche Ursachen können zu einer Angststörung führen und wie kann eine Angststörung diagnostiziert werden?

256 Seiten, 19,90 € + Versand

 

 

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

Merinowolle: Das Leiden der Lämmer

Im Winter schätzen wir kuschelige Wollpullover. Doch gerade die besonders weiche und äußerst atmungsaktive Merinowolle ist mit viel Tierleid verbunden - Stichwort Mulesing.

Gefördert aus Mitteln des Sozialministeriums 

Sozialministerium

Zum Seitenanfang