Gletscherschmelze und Folgen
Dadurch verändert sich auch die Landschaft, erklärt Hans Wiesenegger. Seit Jahrzehnten hat der Leiter des Hydrographischen Dienstes des Landes Salzburg dessen Wasserkreislauf genau im Blick. An der Wand seines Büros im Amt der Landesregierung hängt ein großes Bild des Stubacher Sonnblickkees. Links unten deutet der Hydrologe auf einen hellblauen Fleck. Es ist der untere Eisbodensee, der 1990 entstand und heute schon 400 Meter lang und 20 Meter tief ist. 165 Vertiefungen, aus denen solche Gletscherseen entstehen könnten, simulierten Forschende unter Österreichs Gletschern.
Schmelzen Gletscher, kommt viel Wasser als Gletscherspende aus den Alpen. Rund 1,8 Millionen Kubikmeter spendete etwa das Stubacher Sonnblickkees im hydrologischen Jahr 2020/2021. Das sind umgerechnet 15 Millionen große Badewannen. „An heißen, trockenen Tagen kommt im Oberlauf der Salzach viel des Zuflusses vom Gletscher“, sagt Wiesenegger. Im Einzugsgebiet der Salzach der Gemeinde Mittersill, die nahe am Nationalpark Hohe Tauern liegt, kann dann fast die Hälfte des Zuflusses von der Gletscherspende stammen. In der Stadt Salzburg, wo das Einzugsgebiet achtmal größer ist, sind es nur wenige Prozentpunkte.
Muren und Hochwasser
Sind die Gletscher in einigen Jahrzehnten verschwunden, spenden sie auch nichts mehr. Eine Folge davon? „In Zukunft wird der Niederschlag, der in den Alpen fällt, direkt abfließen, weil er auf den Felsen trifft“, erklärt der Hydrologe. Das kann Muren und Hochwasser verstärken. Denn Gletscher wirken langfristig wie Schwämme, die festen Niederschlag speichern und langsam abgeben.
Regen: im Winter mehr, im Sommer weniger
Der Großteil des Wassers aus den Alpen ist Schmelzwasser, das sich im Winter sammelt und im Frühling und Sommer abfließt. Messungen zeigen: In tieferen Lagen nahm der Niederschlag in den letzten Jahren regional signifikant ab. Oberhalb von 2.000 Metern ändert sich die Jahresniederschlagsmenge nicht. "Gravierend ist jedoch, dass sich die Verteilung verändert. Im Winter wird es mehr Niederschlag geben und in höhere Lagen hinauf regnen. Im Sommer ist mit weniger zu rechnen", erklärt der Hydrologe Wiesenegger.
Das sah man im Sommer 2022. Die Altschneedecke war dünn, die Schneefallgrenze lag mehrere hundert Meter höher als im Durchschnitt der letzten vier Jahrzehnte. Hitzewellen taten ihr Übriges. In den Südalpen etwa, deren Abfluss viele Nebenflüsse des Po speist, blieb das Wasser aus. In einem Gebiet maß man Ende Februar 40 Prozent weniger Abfluss als im Mittel.
Wasserbeschränkungen in Italien
Europaweit führten Flüsse Tiefstände, schwanden mancherorts auf Rinnsale. Norditalien trafen die Folgen besonders hart. Fünf Regionen mussten Dürrenotfälle ausrufen. Wein, Weizen, Reis und Olivenöl erlitten Produktionseinbrüche, es gab weniger Strom aus Wasserkraft. Mehr als 40 Prozent der italienischen Bevölkerung waren von Wasserbeschränkungen betroffen, durften etwa zeitweise ihre Autos nicht mehr waschen.
Auch der Rhein litt. Als vergangenen Sommer seinen Nebenflüssen Wasser ausblieb, wurden Flusskreuzfahrten abgesagt und die Schifffahrt eingeschränkt. Weil Schiffe weniger Last aufnehmen konnten, stiegen Transportkosten an, worunter auch Industrien hunderte Kilometer flussabwärts litten. Fische und Muscheln starben und Silberweiden ächzten, als der Strom lokal auf die Hälfte seiner Breite schrumpfte.
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