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Pyramidenspiel, Schneeballsystem, Ponzi: Haftstrafe - Blaues vom Himmel

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Dexcar, iML, MAP, Recyclix ... Pyramidenspiele, Schneeballysteme und ähnliche kommen nicht aus der Mode. Die beste Abwehr ist eine gesunde Portion Skepsis.

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Leichtes Geld, schnell verdient

Bisweilen sind es rhetorisch äußerst geschickte Verkäufer, die bei Veranstaltungen ihren Zuhörern das Blaue vom Himmel versprechen: Warum noch länger hart für ein paar Euro pro Tag arbeiten, wenn sich das Geld viel leichter und schneller verdienen lässt? Oftmals sind es aber auch Verwandte, Bekannte, Nachbarn oder Kollegen, die es ihrem Gegenüber schier unmöglich machen, ein angeblich bombensicheres Kauf- oder Investmentangebot auszuschlagen. Die Rede ist von Geschäften nach dem Ketten-, Pyramiden- oder Schneeballsystem. Aktueller Fall: In Deutschland, so berichtet die Süddeutsche Zeitung (15.4.2019), ermittelt die Dexcar: Verdacht auf Mietwagen-Betrug Autovermietung unter anderem wegen Betrugsverdachts.

Mach mit, kauf ein Einstiegspaket

Eine Handvoll Leute überreden möglichst viele andere zur Bezahlung einer Eintrittsgebühr, zum Erwerb eines Sparpakets, zum Kauf einer gewissen Menge des beworbenen Produkts oder zur laufenden Entrichtung von Gebühren, indem sie große Gewinne in Aussicht stellen.

Voraussetzung: Die neuen Teilnehmer werben selbst möglichst viele Neukunden, die Geld ins System einzahlen und ihrerseits wieder für einen Nachschub an Neueinsteigern sorgen. Die schnelle Überschlagsrechnung zeigt, dass das System nach einigen Erweiterungsrunden ins Stocken gerät respektive kollabiert – der Geldfluss reißt mangels Neukunden ab.

Bis zu 3 Jahre Haft

Der Gesetzgeber hat derartigen Spielchen, bei denen stets nur einige wenige gewinnen können, den Riegel vorgeschoben: Wer Ketten- und Pyramidenspiele startet, verbreitet oder gewerbsmäßig fördert, kann zu einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten oder zu einer Geldstrafe von bis zu 360 Tagessätzen verurteilt werden. Bei Schädigung einer größeren Zahl von Menschen drohen sogar bis zu drei Jahre Haft.

Ponzi-System

Etwas anders aufgezogen, aber ebenso betrügerisch ist das sogenannte Ponzi-System, benannt nach Charles Ponzi, der auf diese Weise in den 1920ern rund 40.000 Personen schädigte. Auch bei diesem Schema muss die Anzahl der Investoren exponentiell steigen, damit es funktioniert. Anders als bei den herkömmlichen Pyramiden- und Schneeballsystemen wird hier aber oft mit komplizierten Finanzkonstrukten geworben, die zum Teil aberwitzig hohe Renditen oder Gewinne abwerfen sollen. Diese werden bisweilen nur am Papier gutgeschrieben; möchte eine größere Anzahl an An­legern gleichzeitig ihr Kapital samt Gewinnen ausbezahlt haben, bricht das System zusammen (siehe „Lebenszyklus eines Ponzi-Systems“).

European Kings Club: schlechte Erinnerungen

European Kings Club

Das mussten etwa die 80.000 Anleger des European Kings Club (EKC) erfahren. Bei der in den 1990er-Jahren in großem Stil aufgezogenen Betrugsmasche nach dem Ponzi-System wurde ein Einmalbetrag investiert, der sich in Form von monatlichen Rückzahlungen um mehr als 50 Prozent erhöhen sollte. Der fast sektenartige Kreuzzug gegen die „Ausbeutung des kleinen Mannes durch Banken und EU“ veranlasste rund 20.000 Österreicher und ebenso viele Schweizer dazu, große Mengen an Geld in den EKC zu stecken – und im Endeffekt alles zu verlieren.

Bernie Madoff: 50 Milliarden Schaden

Ähnlich dramatisch die betrügerischen Machenschaften des Bernie Madoff, die im Zuge der Weltwirtschaftskrise 2008 aufflogen: Ein Schaden von mehr als 50 Milliarden Euro entstand, nachdem Madoff sein Ansehen als Wertpapierhändler und Vorsitzender der US-Technologie­börse NASDAQ genutzt hatte, um jahrelang Geld zu veruntreuen, Kursentwicklungen seiner „Investmentfonds“ zu fälschen sowie Auszahlungen (und auch Privates) mit den Einzahlungen ahnungsloser Anleger zu finanzieren. Auch österreichische Banken vertrieben seine Fonds.

Kryptogeld als Deckmantel

Die Verantwortlichen dieser Großbetrügereien landeten für Jahre hinter Gittern. Aber das hält die Betrüger moderner Zeiten nicht ab, es immer wieder zu versuchen. Vor allem das Internet und die sozialen Medien eröffnen für die alten Betrugsmaschen völlig neue Möglichkeiten. Besonders beliebt in neuerer Zeit sind Betrügereien rund um Kryptowährungen wie dem Bitcoin, wie etwa Ermittlungen im Fall „Optioment“ mit mutmaßlich österreichischen Hintermännern nahelegen.

Bis zu 4% Zinsen pro Woche

Bis zu 4 Prozent Zinsen pro Woche (!) wurden Anlegern bei aufwendig inszenierten Roadshows und Bitcoin-Konferenzen versprochen, dazu Provisionen für das Anwerben neuer Mitglieder, die sich über sieben Trader-Stufen im System „hocharbeiten“ konnten. Im November 2017  ging die Seite der Betreiber plötzlich offline. Zwischen 70 und 100 Millionen Euro an Anlegergeldern sollen europaweit in diesem dunklen Loch verschwunden sein.

Leere Versprechungen, Dexcar

Leere Versprechungen

Wer sich über eine plötzlich aufgepoppte personalisierte Werbung oder das von einem „Freund“ weitergeleitete Posting für ein Angebot interessiert, sollte zunächst über alle möglichen Kanäle überprüfen, was an der Sache dran ist und ob damit verbundene Namen oder Bezeichnungen nicht schon unrühmlich bekannt sind (siehe Kasten „Hilfreiche Links“).

Dexcar

Wie zum Beispiel jener des deutschen Mietwagenunternehmens Dexcar: Verdacht auf Schneeballsystem: Rund 150 Geschädigte haben sich allein bei der AK Vorarlberg gemeldet, weil ihnen gegen die Einzahlung eines drei- bis vierstelligen Betrags ein kostenfreier neuer Kleinwagen – "für immer" – versprochen worden war. Neben Versicherungen und Steuern sollten auch Reifenwechsel, Wartung und sogar Benzingutscheine inkludiert sein. Doch im End­effekt kam – nichts. Einer der Geschädigten war als sogenannter "Advisor“ tätig und führte der deutschen Firma mit Wiener Niederlassung rund 300 Kunden zu. Auch er ging bisher leer aus, seine Keilertätigkeit lässt aber beredte Schlüsse auf das dahinterliegende Geschäftskonzept zu.

Utility-Tab: neue Teilnehmer anwerben

Verstärkt wird der schlechte Gesamteindruck dadurch, dass Dexcar die wartende Kundschaft noch weiter schröpfen will: Ein Programm namens "Utility-Tab“ bietet ihnen an, gegen einen Einsatz von weiteren 165 Euro später 500 Euro zu lukrieren, sofern die Zahl der Teilnehmer am Programm wächst. Jedem Kunden sollte spätestens jetzt klar sein, dass es nicht mehr helfen wird, gutem Geld noch schlechtes hinterherzuwerfen.

Bildergalerie: So läuft ein Ponzisystem

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Pyramidenspiel, Schneeballsystem, Ponzi: hohe Gewinnversprechen (Bildelemente: north100, Dragana Eric, rogger design, TyBy, Shutterstock, Infografik: Caroline Müllner)
Bild 1: Hohe Gewinnversprechen (+50 % p.a.) locken Investoren (alle Infografiken Caroline Müllner; Bildrechte: north100, Dragana Eric, rogger design, TyBy - Shutterstock) |
Pyramidenspiel, Schneeballsystem, Ponzi: hohe Gewinnversprechen (Bildelemente: north100, Dragana Eric, rogger design, TyBy, Shutterstock, Infografik: Caroline Müllner)
Bild 2: Ausschüttungen sowie Aussteiger werden aus Einlagen gedeckt |
Pyramidenspiel, Schneeballsystem, Ponzi: hohe Gewinnversprechen (Bildelemente: north100, Dragana Eric, rogger design, TyBy, Shutterstock, Infografik: Caroline Müllner)
Bild 3: Positive Erfahrungsberichte aus 2) locken neue Investoren an |
Pyramidenspiel, Schneeballsystem, Ponzi: hohe Gewinnversprechen (Bildelemente: north100, Dragana Eric, rogger design, TyBy, Shutterstock, Infografik: Caroline Müllner)
Bild 4: Finden die Teilnehmer nicht genug neue Investoren oder wollen zuviele gleichzeitig aussteigen, bricht das System zusammen |
Pyramidenspiel, Schneeballsystem, Ponzi: hohe Gewinnversprechen (Bildelemente: north100, Dragana Eric, rogger design, TyBy, Shutterstock, Infografik: Caroline Müllner)
Pyramidenspiel, Schneeballsystem, Ponzi: hohe Gewinnversprechen (Bildelemente: north100, Dragana Eric, rogger design, TyBy, Shutterstock, Infografik: Caroline Müllner)
Pyramidenspiel, Schneeballsystem, Ponzi: hohe Gewinnversprechen (Bildelemente: north100, Dragana Eric, rogger design, TyBy, Shutterstock, Infografik: Caroline Müllner)
Pyramidenspiel, Schneeballsystem, Ponzi: hohe Gewinnversprechen (Bildelemente: north100, Dragana Eric, rogger design, TyBy, Shutterstock, Infografik: Caroline Müllner)

Hände weg

Es gibt Alarmzeichen, die auf dubiose Geschäftspraktiken hinweisen. Höchste Vorsicht gilt ...

  • bei unrealistisch hohen Gewinnversprechungen
  • bei angeblich genialen Geschäftsideen oder unrealistischen Produkteigenschaften
  • wenn Produkte und Investitionen bei Veranstaltungen mit fast sektenartigem Charakter und Guru-Auftritten
  • angepriesen und verkauft werden
  • wenn der oder die Initiatoren Provisionen einstreifen
  • wenn das Anwerben von neuen Mitgliedern im Vordergrund steht und ältere Mitglieder mit ihren Verdiensten prahlen
  • bei einem passiven Einkommen, das rein durch die immer größere Zahl an Abnehmern oder Mitgliedern auf das eigene Konto fließen soll
  • wenn es keine detaillierten Unternehmensinformationen gibt
  • wenn sich bei Onlineauftritten kein Impressum findet

Hilfreiche Links

Informieren Sie sich vor einer Investitionsentscheidung über aktuelle Abzockmaschen:

 

 


Finanziell unterstützt durch die Europäische Union

Dieser Artikel wurde aus den Mitteln des Verbraucherprogramms der Europäischen Union (2014 - 2020) gefördert.

Leserreaktionen

Nur Verlierer

Herzlichen Dank für diesen Artikel. Hier wird kurz, kompetent und verständlich erklärt, worum es bei diesen Systemen überhaupt geht. Gier, Hoffnung, Verzweiflung, vielleicht auch nur Naivität, um nur einige Gründe zu nennen, sind offenbar der Antrieb, um sich an solchen Konstruktionen zu beteiligen.

Leider wird es immer noch genug … (hier schreibe ich lieber nichts, sondern überlasse es der Phantasie des Lesers) geben, die noch immer an das schnelle Geld, sei es durch reales als auch Kryptowährung, glauben. Was muss noch alles passieren, damit die Leute endlich vernünftig werden und einsehen, dass man hier nur verlieren kann?!

User "ling"
(aus KONSUMENT 5/2019)

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