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Tierversuche - Qualen ohne Ende

Wer glaubt, Kosmetika oder Reinigungsmittel würden nicht mehr an Tieren getestet, liegt leider falsch. Aufgrund zahlreicher Ausnahmen ist die Gesetzeslage im Bereich Tierversuche höchst undurchsichtig.

Mehr als 5 Milliarden Kosmetikprodukte werden jedes Jahr in der Europäischen Union verkauft. Dazu gehören Make-up, Seifen und Duschgels, Haarpflege- und Rasierprodukte, Zahnpasten und Mundspülungen, Deodorants und Parfums sowie Hautpflegeprodukte.

Kosmetische Inhaltsstoffe und Chemikalien

Seit dem 11. März 2009 sind Tierversuche für kosmetische Inhaltstoffe sowie die Vermarktung entsprechender Produkte aus Drittländern in der EU verboten. Allerdings kommen in kosmetischen Produkten oft Stoffe zur Anwendung, die unter das Chemikalienrecht fallen – und dort sehr wohl durch Tierversuche getestet werden dürfen, u.a. an Mäusen, Ratten, Kaninchen oder Meerschweinchen.

Tierversuche außerhalb der EU

"Auch Kosmetika, die an Tieren außerhalb der EU getestet werden, dürfen immer noch verkauft werden", erklärt Nikola Furtenbach von der Tierschutzorganisation Vier Pfoten. "Dazu kommen drei Arten von Tierversuchen, die von dem Verbot wegen des Mangels an verfügbaren alternativen Methoden befreit sind."

EU-Kommission könnte Verbot hinauszögern

"Wenn bis 2013 keine Alternativen gefunden werden, könnte die Europäische Kommission neue Regelungen einführen, die ein Verbot hinauszögern." Laut Vier Pfoten gibt es bereits rund 8.000 bestehende Inhaltstoffe, welche zur Verwendung in Kosmetika zugelassen sind. "Aber der Drang der Kosmetikfirmen, immer neue und verbesserte Inhaltstoffe zu finden, bedeutet, dass weiterhin Substanzen an Tieren getestet werden."

Zuwenig Förderung von Alternativmethoden

Die Richtlinie der Europäischen Kommission erlaubt zudem Tierversuche unter besonderen Umständen, nämlich dann, wenn es starke Zweifel an der Gefahrlosigkeit eines bereits existierenden und in Umlauf befindlichen Inhaltstoffes gibt und die Testmethode nicht durch Alternativen ersetzbar ist. "Es bräuchte mehr Förderungen für Alternativmethoden vonseiten des Staates", so Furtenbach.

Wenig Ausnahmen, Irreführende Kennzeichnungen

Wasch- und Putzmittel

Obwohl Wasch- und Reinigungsmittel sowie Möbelpflegeprodukte ähnliche bzw. identische Inhaltstoffe haben wie Kosmetika, unterliegen sie nicht der Kosmetikverordnung. Furtenbach: „Alle großen Unternehmen greifen heute noch auf Tierversuche oder auf an Tieren getestete Inhaltstoffe zurück.“ Der europäische Verband der Reinigungs- und Waschmittelindustrie hat zwar eine Selbstverpflichtung ausgesprochen, Endprodukte nur in begrenzten Ausnahmefällen am Tier zu testen.

Ecover, Sonett, Oxin, Biokraft, Sodasan, Ulrich

Für Inhaltstoffe gilt aber auch hier: Sie sind als Chemikalien zu betrachten und daher nach gesetzlichen Vorgaben zu prüfen, d.h. auch am Tier. „Es gibt nur wenige Ausnahmen, und diese sind zertifiziert“, so Furtenbach. Zu diesen Alternativen gehören Produkte der Firmen Ecover (z.B. bei DM), Sonett, Oxin, Biokraft, Sodasan oder Ulrich – erhältlich sind diese Marken in den Onlineshops oder in Bioläden. 

Irreführende Kennzeichnung von Kosmetika

Viele Kosmetikfirmen kennzeichnen ihre Produkte mit irreführenden Behauptungen: "Gegen Tierversuche" – heißt nicht unbedingt, dass diese Produkte oder ihre Inhaltstoffe nicht an Tieren getestet wurden. "Dieses Produkt wurde nicht an Tieren getestet" – heißt nicht, dass auch die Inhaltstoffe des Produktes nicht an Tieren getestet wurden. "Unser Unternehmen testet nicht an Tieren" – das kann trotzdem bedeuten, dass die Zulieferer dieser Unternehmen, andere Firmen oder Partnerunternehmen dieses Produkt oder seine Inhaltstoffe an Tieren getestet haben. 

"Enthält keine Tierprodukte" oder "Enthält natürliche Inhaltstoffe" – diese Aussagen geben keinerlei Informationen über die Produkte und deren Inhaltstoffe und darüber, ob diese an Tieren getestet wurden.

Seriös sieht anders aus

Seriöse tierversuchsfreie Unternehmen geben eine Garantie ab, dass das Unternehmen weder selber Tierversuche durchführt noch Tests für Kosmetika oder Haushaltsprodukte in Auftrag gibt. Dazu wird ein fixes Datum angegeben, ab welchem alle Inhaltstoffe in den Produkten garantiert tierversuchsfrei sind.

Stellungnahmen: Procter & Gamble, Unilever und Beiersdorf

Zu Tierversuchen befragt, gaben uns die großen Kosmetikunternehmen folgende Antworten:

Procter & Gamble (Braun, Wella, Oral-B u.a.):
"P & G führt keine Tierversuche durch, um Fertigprodukte aus den Bereichen Waschmittel, Reinigung, Kosmetik, Schönheitspflege oder Hygiene zu testen. Heutzutage kommen über 99 Prozent unserer Sicherheitsbeurteilungen ohne die Notwendigkeit zusätzlicher Tierversuche aus." Allerdings musste P & G im vergangenen Jahr eine Werbung für das Produkt "Herbal Essences" zurückziehen, in der das Unternehmen behauptet hatte, keine Tierversuche mehr durchzuführen. Diesen Fall wollte P & G dem KONSUMENT gegenüber nicht kommentieren.

Unilever (Axe, Dove, Rexona u.a.):
"Um unseren Verpflichtungen für die Sicherheit unserer Produkte und die Gesundheit unserer Verbraucher nachzukommen, muss die Sicherheit der Rohstoffe dokumentiert werden. Daher wurden fast alle der heute in der Kosmetikproduktion eingesetzten Rohstoffe in der Vergangenheit an Tieren getestet." Immerhin hat Unilever nach eigenen Aussagen seit 2004 jährlich 3 Millionen Euro zusätzlich für die Erforschung alternativer Testmethoden ausgegeben.

Beiersdorf:
"Die Inhaltstoffe von Kosmetika unterliegen in Europa dem Chemikalienrecht. Das bedeutet, dass diese Stoffe von den Herstellern registriert werden müssen. Für das Registrierungs-Dossier sind in der Regel Daten aus Tierversuchen erforderlich, um die Sicherheit für Mensch und Umwelt nachzuweisen." … "Beiersdorf arbeitet seit mehr als 20 Jahren in Fachgremien und Verbänden erfolgreich an der Entwicklung von In-vitro-Alternativen zu Tierversuchen. Wir sind hier eines der führenden und besonders bekannten und akzeptierten forschenden Unternehmen weltweit."

Nikola Furtenbach von Vier Pfoten:
"Anders als ethisch handelnde Unternehmen lehnen die großen Kosmetikunternehmen eine Zertifizierung ab. Weil das verhindern würde, dass sie entweder Tierversuche selbst durchführen oder die Tierversuche an ihre Lieferanten auslagern können."

Naturkosmetik-Hersteller

NATURKOSMETIK-HERSTELLER

Lush: Das Naturkosmetik-Unternehmen hat ein strenges Monitoring-System bei Lieferanten: Wer Tests an Tieren selbst durchführt oder auch nur toleriert, wird von der Liste gestrichen. Mark Constantine, Gründungsmitglied von Lush, hat den ersten Lush-Preis ausgeschrieben, der dazu beitragen soll, Tierversuchen für Kosmetika ein für alle Mal ein Ende zu bereiten. Das Preisgeld in Höhe von insgesamt 250.000 Pfund – das höchste im Bereich der alternativen Tests – soll den Druck auf Wissenschaft und Wirtschaft erhöhen, die herkömmlichen Sicherheitstests für Produkte tierversuchsfrei zu gestalten. (www.lush.at)

The Body Shop: Das britische Unternehmen ist mit dem "springenden Hasen" zertifiziert (siehe rechts "Prüfsiegel für tierversuchsfreie Kosmetik"). The Body Shop besteht u.a. darauf, dass Zulieferfirmen ihre Inhaltstoffe nicht an Tieren testen. (www.thebodyshop.at)

Alverde (DM): Alle Alverde-Produkte sind BDIH-zertifiziert. Die Marke wurde 2010 mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet. (www.dm-drogeriemarkt.at)

Weitere Anbieter von tierversuchsfreier Kosmetik sind:

Außerdem: Yves Rocher, Ringana, L'Occitane, Lanyana, Grüne Erde und viele mehr. Eine Übersicht finden Sie hier: www.kosmetikohnetierversuche.de.

Was Konsumenten tun können

Beim Pflanzenschutz sowie beim Reinigen im Haushalt können Sie durch bewussten und sparsamen Umgang mit chemischen Mitteln einen Beitrag für den Tier- und Umweltschutz leisten. Greifen Sie gezielt zu tierversuchsfreien Produkten. Versuchen Sie es auch mit Hausmitteln wie Essigwasser.

Sie können sich auch an Unterschriftenaktionen beteiligen, z.B. von Vierpfoten: https://www.secureconnect.at/4pfoten.at/petition/110302/index.php oder Ärzte-gegen-Tierversuche: http://www.aerzte-gegen-tierversuche.de/infos/kosmetik-chemikalien/118-kosmetik-und-tierversuche/.

Prüfsiegel für tierversuchsfreie Kosmetik

 IHTK: Internationaler Herstellerverband gegen Tierversuche in der Kosmetik/Prüfsiegel des Deutschen Tierschutzbundes

HCS - Humane Cosmetic Standard (der "springende Hase")

IHTK - Internationaler Herstellerverband gegen Tierversuche in der Kosmetik / Prüfsiegel des Deutschen Tierschutzbundes

   
Veganblume: Prüfsiegel der Vegan Society  

Veganblume - Prüfsiegel der Vegan Society

BDIH - Bundesverband Deutscher Industrie- und Handelsunternehmen, Prüfzeichen für kontrollierte Naturkosmetik

Nähere Informationen finden Sie auf Vierpfoten.at: Labels für tierversuchsfreie Kosmetik.

Dr. Klaus Schröder: "Es fehlen Forschungsprogramme"

KONSUMENT: Wie wahrscheinlich ist eine Verlängerung der Frist für ein Verkaufsverbot von an Tieren getesteten Kosmetikprodukten und Inhaltstoffen nach 2013?

Schröder: Bei Prüfungen, wo eine Substanz erst nach Jahren eine negative Wirkung entfaltet, sind die Alternativmethoden noch weiter zu entwickeln und lassen noch keine gesicherte Aussage über die Sicherheit einer Substanz zu. Hier ist am ehesten mit einer Verlängerung der Frist zu rechnen. 

Was versteht man unter Alternativmethoden?

Hier greift das 3R Prinzip (Russel und Birch 1959): Reduce, Refine, Replace. Wo Tierversuche nicht vermieden werden können, werden sie auf das notwendige Maß reduziert bzw. die Versuchsbedingungen für die Tiere verbessert. Reine Ersatzmethoden verzichten auf den Tierversuch und nutzen z.B. Zellkulturtechnologien wie die biotechnologische Rekonstruktion von Geweben, Haut- oder Augenhornhautmodellen. Andere greifen auf Gewebe und Organe von Schlachttieren zurück (Rinderaugen, Schweinehaut etc.), und auch computergestützte Systeme kommen zum Einsatz, die Vorgänge im Körper simulieren. 

Wer ist verantwortlich für die Entwicklung von Alternativmethoden?

Im Entwurf des neuen Tierversuchsgesetzes für Österreich wird in §1 das Ziel definiert, Alternativen zum Tierversuch zu fördern. Somit scheint sich der Bund verantwortlich für die Entwicklung zu fühlen. Programme sind seitens des Forschungsministeriums allerdings nicht aufgelegt, wie dies zum Beispiel in Deutschland der Fall ist. Dort nimmt das BMBF eine jährliche Ausschreibung von Forschungsgeldern vor. Eine enge Kooperation zwischen Wissenschaft, Regulation und Industrie bezüglich der Nutzung und Anwendung von Daten aus Zellkulturversuchen oder Computersimulationen wäre wünschenswert. Letztendlich ist aber auch ein klares Bekenntnis der Politik/Gesetzgebung erforderlich, da Alternativmethoden einzusetzen, wo sie entwickelt und validiert und akzeptiert sind. 

Was kann zet dazu beitragen?

Zet hat sich seit der Gründung um eine verstärkte Kooperation in diesem Bereich gekümmert: unter anderem mit der Organisation von Kongressen, die alle Beteiligten an einen Tisch bringen, wie Anfang September 2012 beim Kongress von EUSAAT (European Society for Alternatives to Animal Testing).

Buchtipp: "Nachhaltig leben"

Durch das eigene Konsumverhalten einen Beitrag zu einer "besseren" Welt zu leisten, ist der Wunsch vieler Verbraucher. Doch welche Möglichkeiten hat der Einzelne, dies im Alltag umzusetzen? Unser Buch gibt Tipps und Anregungen für all jene, die ganz individuell zu einem verantwortungsvollen Lebensstil finden wollen.

www.konsument.at/nachhaltig-leben

Aus dem Inhalt

  • Lebensmittel: fair und natürlich
  • Lifestyle: modisch, aber ökologisch
  • Mobilität, Tourismus, Freizeit
  • Nachhaltigkeit im Haushalt
  • Abfall vermeiden, Ressourcen schonen
  • Trend: gemeinsam nutzen statt besitzen

160 Seiten, 14,90 € + Versand

KONSUMENT-Buch: Nachhaltig leben (Bild:VKI)

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