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Fast Fashion: „Es braucht Anreize, um Gutes zu tun“ - Interview mit DariaDaria

Die Öko-Influencerin und Aktivistin Madeleine Alizadeh alias DariaDaria ist eine der erfolgreichsten Bloggerinnen im deutschsprachigen Raum. Sie hat mit „Dariadéh“ ihre eigene nachhaltige Modelinie auf den Markt gebracht. 

Madeleine Alizadeh alias DariaDaria im Gespräch über Nachhaltigkeit in der Modeindustrie. (Foto: Madeleine Alizadeh)Im Interview erklärt sie, wie wir alle etwas zu einem Wandel in der Modeindustrie beitragen können und warum nachhaltige Mode nicht teuer sein muss.

KONSUMENT: Ein Tipp, den jede und jeder von uns sofort umsetzen kann, damit der Kleiderschrank nachhaltiger wird?

Alizadeh: Jedes Kleidungsstück, das wir besitzen, kann nachhaltig sein, wenn
wir es so lange wie möglich nützen. Das heißt auch, etwas zu reparieren oder umschneidern zu lassen, bevor man es einfach wegwirft. Sollte ein Neukauf notwendig sein, dann ist es sinnvoll, auf Herstellungsumstände, Materialien und die Philosophie der Marke zu achten, also zu öko-fairen Stücken zu greifen.  

Warum unterstützten Sie Fast Fashion seit einigen Jahren nicht mehr? Gab es prägende Erlebnisse?

Ein Augenöffner für mich war das Unglück in Rana Plaza in Bangladesh, bei dem über 1200 Menschen ums Leben gekommen und über 800 Kinder zu Waisen geworden sind. Ich habe dann auch die Doku „Gift auf unserer Haut“ gesehen, die einen Schalter in mir umgelegt hat. Ab dem Zeitpunkt war für mich klar, dass ich etwas ändern möchte. Der Film „True Cost“ hat mir später dann auch die Zusammenhänge nochmal genauer vor Augen geführt.  

Sie haben sich auf Instagram gegen das Modeunternehmen „Primark“ gestellt. Wieso?

Es gibt einige Fast Fashion Labels, die daran interessiert sind, den Lebenszyklus ihrer Mode sehr kurz zu halten. Das heißt nichts anderes, als dass Kleidung an Konsumenten und Konsumentinnen äußerst billig verkauft wird, diese aber sehr rasch wieder ersetzt werden soll. In Summe geben wir also mehr Geld aus und es entstehen Berge an Kleidungs-Müll. Sich damit zu brüsten, finde ich schlecht, weil es Ausbeutung von Mensch und Natur bedeutet. Dagegen wollte ich ein klares Statement setzen.  

Trotzdem behaupten Unternehmen wie H & M, nachhaltig zu produzieren. Stichwort Conscious-Kollektion: Hat in den letzten Jahren ein Umdenken in der Modewelt stattgefunden?

Begriffe wie Fair Fashion, Organic Cotton und nachhaltige Mode sind momentan absolute Verkaufsargumente, das haben auch die großen Marken erkannt und verwenden sie zunehmend. Bei den meisten Unternehmen fällt diese Praxis absolut unter die Kategorie Greenwashing, da sich an dem Geschäftsmodell, also dem Kernmodell, dass ja schnelle, billige Mode ist, nichts ändert.  

Bedeutet ein in China oder Bangladesch hergestelltes Kleidungsstück gleich Ausbeutung?

Nein, das muss es nicht unbedingt bedeuten. Es gibt auch in diesen Ländern vorbildlich geführte Produktionsstätten, die von unabhängigen Stellen kontrolliert werden. Es ist auch wichtig, diese zu unterstützen und zu fördern, weil sich nur so vor Ort was ändern kann. Allerdings ist es schwer bis unmöglich, ständig vor Ort zu sein als Einzelunternehmerin. Was auch ein Grund war, warum wir unsere Produktion dieses Jahr nach Portugal verlegt haben. Made in Europe ist aber noch lang kein Garant für fair und öko. In Rumänien war der Mindestlohn eine Zeit lang zum Beispiel niedriger als in China, und in Bulgarien herrscht sehr viel Ausbeutung in der Modeindustrie. Made in Europe und Made in Asia können sowohl gute, wie auch schlechte Rahmenbedingungen bedeuten.  

Sie haben Textilfabriken in Indien besucht. Was waren Ihre Erlebnisse vor Ort?  

Das war eine sehr intensive Erfahrung, die Eindrücke haben mich persönlich geprägt. Wir haben einen Musterbetrieb gesehen, der für das befreundete Label „Mela Wear“ Kleidung produziert. Dank des von ihnen und dem Fabrikbesitzer ins Leben gerufenen „Living-Wage“- Projekts, das den Lohn der Näherinnen vom Mindestlohn (minimum wage, was der Standardentlohnung für Näher und Näherinnen entspricht) auf den existenzsichernden Lohn heben soll, sind die NäherInnen dort sehr zufrieden und die Fluktuation ist gering. Leider arbeiten nicht alle Betriebe so. Es war toll, zu sehen, dass es auch besser geht, wenn da ein Wille ist.  

Wie könnte ein faires System in der Modewelt aussehen?

Es bedarf eines Umdenkens der Konsumenten und Konsumentinnen, eines Umdenkens der großen Marken aber vor allem auch politische bzw. wirtschaftliche Veränderung. Wenn es billiger ist, unethisch und unökologisch zu produzieren, darf man sich nicht wundern, dass das alle machen. Man darf leider nicht nur von Altruismus ausgehen, sondern muss einsehen, dass es für viele (leider) Anreize braucht, um Gutes zu tun.  

Oft geht das Vorurteil um, dass faire Mode automatisch unleistbar ist. Was raten Sie Leserinnen und Lesern mit kleinem Budget?

Es gibt mittlerweile viele Marken, die faire Mode zu günstigen Preisen anbieten. Basic-T-Shirts die fair und öko sind, gibt es bereits ab 10 Euro. Wer nachhaltig agieren möchte, aber nicht auf das regelmäßige Shopping-Erlebnis verzichten möchte, dem kann ich Flohmärkte, Tauschparties oder Secondhandläden empfehlen. Hier finde ich immer wieder echte Schätze zu fairen Preisen. Außerdem können faire Labels, wenn die Nachfrage steigt, auch skalieren und billiger werden.  

Für Einsteiger in das Thema: Bücher, Filme, die Sie empfehlen?

Wie schon zuvor erwähnt, kann ich jedem und jeder den Film „True Cost“ ans Herz legen. Sonst finde ich folgende Bücher gut: „Clothing Poverty“ von Andrew Brooks, „Stitched Up“ von Tansy Hoskins und „Wardrobe Crisis“ von Clare Press.  

Wer ist am Zug, um sozial-ökologisch nachhaltige Mode noch viel weiter zu verbreiten, wir Verbraucher oder die Wirtschaft?

Das ist nicht schwarz-weiß, sondern wechselwirkend zu betrachten. Niemand darf aus der Verantwortung entlassen werden: weder die Konsumenten und Konsumentinnen noch die Politik oder Wirtschaft. Wichtig ist es, die Fehler an unserem herrschenden System zu erkennen und auf allen Ebenen zu agieren. 
 


*Die Anfrage zum Interview hatten wir Anfang 2019 gestellt. Aus Termingründen hat das Interview nur schriftlich (per E-Mail) stattgefunden. Zum Zeitpunkt unserer Interview-Anfrage war auch nicht bekannt, dass Madeleine Alizadeh bei den Nationalratswahlen 2019 für die Grünen kandidieren will. – Das Manuskript ist redigiert und gekürzt. Die Redaktion 

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