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Ethiktest: Spielzeug - Getrübte Freude

Es gibt Kinder, die an Spielwaren ganz und gar keine Freude finden – jene, die diese Spielwaren unter unvorstellbaren Bedingungen in den chinesischen Sonderwirtschaftszonen produzieren.

Lesen Sie auch unseren Ethiktest: Spielzeughersteller 12/2012

Unter dem Christbaum die herrlichsten Spielsachen, in den vor Freude weit geöffneten Kinderaugen spiegeln sich die Kerzenlichter wider – ein bewegender Moment, an den wir uns immer wieder gerne erinnern. Doch nicht alle können sich über Spielzeug derart freuen.

Überstunden für Kinder

Als der 12-jährige Xiao Fung von seinen verzweifelten Eltern zum Geldverdienen in eine Spielzeugfabrik in Shenzhen/China gebracht wird, schreit er wie am Spieß; er ist kaum zu beruhigen. Allein – es nützt ihm nichts: Bereits am ersten Tag sind Überstunden angesagt, bis 9 Uhr abends steht er in der Halle und zieht den Plastikfiguren namens Aladin bunte Kleider an.

Auftraggeber McDonalds

McDonald’s, der Auftraggeber dieser Fabrik, hat sich zur Einhaltung eines Verhaltenskodex (Code of Conduct) verpflichtet, der Kinderarbeit verbietet und Überstunden beschränkt. Die Einhaltung dieser Bestimmungen lässt der Konzern von einer unabhängigen Agentur überprüfen. Diese hat allerdings nie Kinderarbeit oder andere Regelverletzungen festgestellt. Wie passt das zusammen?

Unfair: trotz Kontrollen

Das Hong Kong Christian Industrial Committee (HKCIC), eine Organisation, die die Lebenssituation von Arbeitern in chinesischen Fabriken verbessern will, weiß die Antwort: Sie hat im August 2000 fünf Fabriken unter die Lupe genommen und dort Beschäftigte interviewt. Deren Angaben zufolge werden Kinderarbeiter am Tag einer Inspektion weggesperrt. Die Arbeiter sind angehalten, im Falle von Überstunden sowie an Samstagen und Sonntagen die Stechuhr nicht zu betätigen. So kommt es, dass trotz der Erfüllung wichtiger Voraussetzungen für faire Arbeitsbedingungen (unabhängige Kontrolle) vieles geblieben ist, wie es war.

Von Nürnberg bis zum Pearl-Delta

Für Jahrhunderte war Nürnberg das Zentrum der Spielzeugherstellung. Doch das ist längst Geschichte. Heute werden 70 Prozent aller Spielwaren weltweit in China hergestellt. Der Großteil der Unternehmen befindet  sich im Pearl-River-Delta in der Provinz Guangdong, in unmittelbarer Nachbarschaft zu Hongkong, in denen die meisten Firmen ihren Verwaltungssitz haben.

Korrupte Behörden

Das Mündungsdelta des Pearl-Flusses ist seit 1984 "offenes Gebiet": Internationalen Investoren werden dort nahezu alle Freiheiten geboten. Sie finden da ein gigantisches Arbeitskräftereservoir vor. Rund 100 Millionen Wanderarbeiter aus dem Landesinneren suchen in den Wirtschaftszonen an der Küste Zuflucht vor der verbreiteten Armut. Zwei Drittel sind Frauen, zum überwiegenden Teil nicht älter als 24 Jahre. Sie sind gefügiger als ältere oder männliche Arbeitskräfte und haben keinen Anspruch auf Kündigungsschutz oder öffentliche Sozialleistungen. Selbst bei groben Gesetzesübertretungen drücken die korrupten lokalen Behörden beide Augen zu.

Mattel, Hasbro, Walt Disney, Warner, Ferrero ...

Hauptnutznießer dieser Verhältnisse sind nicht die Inhaber der oft recht kleinen Fabriken; auch nicht die Firmeneigentümer aus Hongkong, die Aufträge aus aller Welt bekommen. Den größten Profit streifen die internationalen Markenkonzerne ein: Dies sind zum einen die Spielzeughersteller, allen voran die Weltmarktführer Mattel und Hasbro. Dazu zählen aber auch Unternehmen, die Spielwaren in Lizenz erzeugen lassen: Unterhaltungsriesen wie Walt Disney, Warner Brothers oder LucasFilm, die ihre Leinwandhelden in Spielzeug umwandeln lassen, um ein zweites Mal kräftig absahnen zu können (von Micky Mouse bis zu Action-Figuren aus Star Wars).

Nutznießer: Handelskonzerne

Aber auch Unternehmen aus dem Lebensmittelsektor verwenden gerne Spielzeug zur Verkaufsunterstützung (z.B. Happy-Meal-Figuren von McDonald’s oder Überraschungseier von Ferrero). Nutznießer sind weiters die Handelskonzerne, ob sie nun Fremdmarken verkaufen oder unter eigenem Namen Spielzeug anfertigen lassen. Auch im Spielzeughandel ist die Konzentration weit fortgeschritten, in vielen Industriestaaten beherrschen eine Handvoll Unternehmen den Markt, wie Wal-Mart und Toys R US in den USA.

1  Prozent bleibt dem Arbeiter

Am Beispiel eines Baby-Spielzeuges von Mattel, das bei Toys R US für 12,99 Dollar gekauft wurde: Die gesamten Produktionskosten (Material, Löhne samt Nebenkosten, Gewinn des Herstellers und Verschiffung) machen nur 13,5 Prozent des Verkaufspreises aus. Und davon kriegen die Arbeiter wiederum nur einen Bruchteil – der Anteil am Endpreis liegt häufig unter 1 Prozent. Den großen verbleibenden Rest können Handel, Markeninhaber und Werbeagenturen untereinander aufteilen.

Sony und Sega

Nicht alles Spielzeug kommt aus den Sonderwirtschaftszonen Chinas oder anderen Ländern der Dritten Welt. Auf dem Sektor Computerspiele sind die japanischen Konzerne Nintendo, Sony und Sega führend, die großteils noch im Inland produzieren. Bei Modelleisenbahnen oder Autobahnen konnten sich europäische Produktionsstandorte halten, wenn auch die Elektronikbauteile aus Fernost zugeliefert werden (zum Beispiel Roco-Eisenbahnen, neben dem Spielehersteller Piatnik der letzte größere Spielwarenproduzent aus Österreich). Überwiegend aus China (oder Ländern mit ähnlichen sozialen Verhältnissen) kommen hingegen Puppen, Action-Figuren, Plüschtiere, Spielzeugautos, Kunststoffspielzeug, aber auch Gesellschaftsspiele.

Schwere Unfälle

Aufgrund der prekären Sicherheitsbedingungen in den Fabriken des Fernen Ostens kommt es immer wieder zu schweren Unfällen. Einer der verhängnisvollsten ereignete sich im Mai 1993, als in der Kader Toy Factory in Thailand ein Feuer ausbrach. Weil sämtliche Türen und Fenster versperrt waren, kamen 188 Menschen darin um, 500 erlitten Verletzungen. Meldungen über diese und andere schockierende Missstände veranlassten die Branche umzudenken. Im Jahr 2001 einigten sich die großen nationalen Spielzeugindustrieverbände, die im Internationalen Council of Toy Industries (ICTI) zusammengeschlossen sind, auf einen gemeinsamen Code of Conduct, der soziale Mindeststandards festschreibt.

Verhaltenskodex ist zu wenig

Der ICTI-Code bleibt jedoch ein Stück Papier, solange sich an den eingangs erwähnten Praktiken nichts ändert. Betriebsprüfungen müssen unangemeldet und unter Beiziehung lokaler Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs) erfolgen. Vor allem aber muss die Produktionsweise umgestellt werden. Derzeit ist es gängige Praxis, dass die Produktion für das Weihnachtsgeschäft binnen drei Monaten zwischen Juli und September erfolgt.

Radikaler Termindruck

Arbeitszeiten von 12 bis 18 Stunden am Tag, siebenmal die Woche, sind keine Seltenheit. Die Konzerne fordern immer kürzere Lieferfristen ein – zwei bis vier Wochen selbst bei hohen Stückzahlen. Daher sind Verhaltenskodizes gut und schön. Doch, so geben Menschenrechtsorganisationen zu bedenken, müssten die Lieferanten auch in die Lage versetzt werden, diese einhalten zu können. Die Markenfirmen müssten den Termin- und Preisdruck auf ihre Zulieferer radikal verringern.

  • Produktion in Österreich. Wer nach ethischen Grundsätzen einkaufen will, für den kommen Spielwaren aus heimischer Produktion in Betracht. Der Anteil von Bauteilen aus fragwürdigen Quellen ist in der Regel geringer, zumindest aber haben sie den Vorteil einer geringeren Umweltbelastung durch kürzere Transportwege.
  • Holzspielzeug. Hat gegenüber Kunststoff den Vorzug höherer Umweltverträglichkeit. Seit wenigen Jahren gibt es beispielsweise wieder Baukästen von Matador. Das Holz stammt
    aus Österreich oder Tschechien, wird in Österreich verarbeitet; nach eigenen Angaben werden lediglich 3 Prozent der Holzteile in China gefertigt. 
  • Weltläden. Sie bieten Produkte aus armen Ländern an, die unter sozial verträglichen Bedingungen produziert wurden. Darunter Spielzeug, wie zum Beispiel Stofftiere oder Puzzles, Mobiles und Spiele aus Holz.

Im Kreuzfeuer der Kritik

Diese Unternehmen (mit ihren Spielzeugmarken) stehen – berechtigt oder nicht – am stärksten unter Kritik. Die Anzahl der Minuspunkte stammt aus einem aktuellen Ranking der britischen Ethical Consumer Research Association (ecra).

Unternehmen Marken

ECRA-
Minus-punkte

Spielzeughersteller   
Mattel (USA)

Barbie, Fisher Price, Masters of the Universe, Matchbox - in Lizenz: Batman, Harry Potter, Sesamstraße, …

12
Hasbro (USA)  Action Man, Monopoly, Playskool, Tonka; in Lizenz: Harry Potter, Pokemon, Star Wars, … 11
Chicco (Italien)  Kinderspielzeug und -artikel der Marken Chicco und Prénatal  8
Bandai (Japan)  Bratz-Puppen, Power Rangers, Star Trek, Tamagotchi, …  6
Tomy (Japan)  Micro-Pets, Thomas & Friends, Tomica, Zoids, …  5
     
Lizenzgeber    
Walt Disney (USA)  Micky Maus, Donald Duck, Goofy, Bambi, Pocahontas,   Winnie the Pooh, … 17
McDonald´s  (USA) Happy Meal  k.R.
     
Spielzeughandel     
Wal-Mart (USA)     k.R.
Toys R US (USA)   k.R.

 

Quellen: ECRA, Werkstatt Ökonomie, HKCIC, Greenpeace, Schwarzbuch Markenfirmen
Zeichenerklärung: k.R. = kein (ECRA)-Rating

ECRA-Rating: Eine Liste der Unternehmenssünden

Die britische Organisation ECRA (Ethical Consumer Research Association) unterscheidet in dieser Untersuchung 17 Kriterien, die in die vier Bereiche Umweltschutz, Tierschutz, Soziales und Sonstiges gegliedert sind. Erfasst werden negative Tatbestände. Das (Negativ-)Rating erfolgt in drei Stufen, die in der Tabelle in Form von Minuspunkten (von 0 bis 2) wiedergegeben sind. Ausnahme: Für das Kriterium "Code of Conduct" werden bis zu 3 Minuspunkte vergeben. 0 stellt somit das beste Rating dar, kann aber auch lediglich bedeuten, dass keine negativen Meldungen bzw. Erfahrungen bekannt sind. In der Summenspalte sind die Minuspunkte jedes Unternehmens addiert.

ECRA berücksichtigt in ihrer Datenerhebung Informationsmaterial, das von den Unternehmen zur Verfügung gestellt wird, Publikationen von Non-Government-Organisationen (zB Greenpeace, National Labor Committee/USA, ...), Branchenverzeichnisse, öffentliche Berichte über die Umweltsituation von Unternehmen (Schadstoffemissionen, Verurteilungen, ...) u.a.m.

Die einzelnen Kriterien:

Umweltschutz

  • Umweltbericht: Top-Rating (0 Minuspunkte) bei ausreichend spezifiziertem und von unabhängiger Stelle überprüftem Umweltbericht.
  • Emissionen: Gradmesser sind negative Berichte bzw. Gerichtsverfahren wegen Verschmutzung von Wasser, Luft oder Boden.
  • Atomkraft: Aktivitäten in diesem Wirtschaftssektor, wobei die Produktion von AKW-Teilen mit 2 Punkten bewertet wird; die Herstellung von Messgeräten oder EDV-Anlagen für AKWs hingegen mit 1 Punkt .
  • Diverses: Negativ verbucht wird weiters jede andere Form umweltschädlicher Produktion, zB: PVC, Autos, fossile Treibstoffe etc.

Tierschutz

  • Tierversuche: Tierversuche für nicht-medizinische Produkte – 2 Minuspunkte, für medizinische Produkte 1 Minuspunkt.
  • Tierfabriken: Betreiber von Tierfabriken für Fleisch, Eier, Fisch oder Pelze bzw. Verkäufer solcher Produkte.
  • Diverses: Das Unternehmen ist in anderen Wirtschaftsbereichen involviert, in denen Tiere gequält werden, darunter die Produktion von Leder oder Gelatine, Betreiben von Zoos oder Zirkusbetrieben.

Soziales

  • Totalitäres Regime: Top-Rating für Unternehmen, die in keinem Land aktiv sind, das auf der Schwarzen Liste steht (von Afghanistan bis Zimbabwe); ausgenommen, es handelt sich um Produkte mit dem Fairtrade-Logo.
  • Arbeitnehmerrechte: Dem Unternehmen bzw. dessen Lieferanten wird die Verletzung von Arbeitnehmerrechten vorgeworfen, wie zB: Zwangsarbeit, Kinderarbeit, exzessive Überstunden, Bezahlung unter dem Existenzminimum, Diskriminierung, gefährliche Arbeitsbedingungen.
  • Code of Conduct: 3 Punkte, wenn das Unternehmen über keinen (öffentlich zugänglichen) Code of Conduct (Verhaltenskodex) verfügt. 2 Punkte: Unternehmen ist Mitglied eines Handels- oder Industrieverbandes, der sich einen Kodex auferlegt hat. 1 Punkt: Unternehmen hat einen eigenen Kodex. 0 Punkte: Die Einhaltung des Kodex wird von unabhängiger Stelle überprüft.
  • Marketing: Das Unternehmen praktiziert Marketing-Methoden, die im Verdacht stehen, schwere Körperverletzungen zu verursachen (2 Punkte) oder zumindest gesundheitsgefährlich (1 Punkt) zu sein.
  • Waffen: Produktion oder Verkauf von Waffen jeder Art (2 Punkte); auch das Angebot nicht-strategischer Güter an das Militär (ausgenommen Lebensmittel) wird negativ bewertet (1 Punkt).

Sonstiges

  • Gentechnologie: Genetische Modifikation von Tieren oder Pflanzen für nicht-medizinische Zwecke.
  • Boykott-Aufruf: Das Unternehmen oder die Marke ist von einem Boykott-Aufruf betroffen.
  • Politische Aktivitäten: Lobbying für Freihandel auf Kosten von Umwelt, Gesundheit und Menschenrechten.
  • Missbrauch: Menschenrechtsverletzungen, Landvertreibung oder Pornografie (2 Punkte); exzessive Managementgehälter oder Ausnutzung von Steueroasen (1 Punkt).

  • Fair spielt: Für die Beachtung von Arbeitnehmerrechten in der Spielwarenindustrie setzen sich die Aktion "Fair spielt" in Deutschland (www.woek.de) sowie das Hong Kong Christian Industrial Committee in Hongkong (www.cic.org.hk/Website gibt es nicht mehr) ein. Sie bieten auf ihren Websites umfangreiche Informationen.
  • PVC im Spielzeug: Dazu gibt es Infos unter www.greenpeace.at.
  • Schwarzbuch Markenfirmen:  Über "die Machenschaften der Markenfirmen"
    informiert "Das neue Schwarzbuch Markenfirmen", Deuticke Verlag 2003.
  • Eine Liste der über 60 Weltläden in Österreich gibt es im Internet unter www.weltlaeden.at.
  • Den Verhaltenskodex der Spielzeugindustrie (ICTI-Code) finden Sie unter www.toy-icti.org.

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