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Saftiger Irrtum - Schweinegulasch von Lidl
Coquette Schweinegulasch (Bild: VKI, K. Schreiner)
Coquette Schweinegulasch Zutaten (Bild: VKI, K.Schreiner)
Geschmacksverstärker
Das steht drauf: Coquette Schweine-Gulasch
Gekauft bei: Lidl
Das ist drin
Ein angebliches Gourmet-Schweinegulasch aus der Dose um preiswerte 2,69 Euro und „ohne Zusatz von Geschmacksverstärkern": Das klingt nicht nur gut, sondern auch nach einem einigermaßen naturbelassenen Produkt. Die lange Zutatenliste dieses Fertiggerichts aus Deutschland spricht allerdings eine andere Sprache. Dort finden sich Farbstoffe, Verdickungsmittel, Säuerungsmittel und eine Zutat mit dem unaussprechlichen Namen Proteinhydrolysat.
Dabei handelt es sich um künstlich aufgespaltete Eiweiße (Proteine), die entweder durch Zugabe von Säuren unter hohen Temperaturen und Druck oder durch den Einsatz von Enzymen (Fermenten) gewonnen werden. Was dabei herauskommt, ist unter anderem Glutaminsäure, deren Salz das Glutamat ist. Also ein Stoff, der selbstverständlich geschmacksverstärkende Eigenschaften hat. Da er aber praktischerweise bei der Produktion entsteht und nicht extra zugesetzt wird, entfällt die Kennzeichnung mit einer E-Nummer. Für die tägliche Einkaufspraxis heißt das: Auch Produkte ohne E-Nummern wie E 620–625 (Glutaminsäure und Glutamate) können geschmacksverstärkende Substanzen enthalten.
Reaktionen
Was Lidl dazu sagt, dass in einem Schweine-Gulasch "ohne Zusatz von Geschmacksverstärkern" trotzdem geschmacksverstärkende Substanzen drin sind.
„Alle Eigenmarken-Produkte unterliegen strengen Qualitätskontrollen. Das betrifft nicht nur das Produkt selbst, sondern auch die Verkehrsfähigkeit hinsichtlich Auszeichnung/ Deklaration. Mehrmals im Jahr verlangt Lidl von jedem Lieferanten eine Prüfung der gelieferten Artikel bei einem unabhängigen Institut. So wurde für den betreffenden Artikel z.B. erst im Oktober 2009 eine Deklarationsprüfung beim Institut Gissel, Laboratorium für Bakteriologie und Lebensmittelhygiene, durchgeführt. Auch hier wurde erneut die Verkehrsfähigkeit bestätigt. Auf Rückfragen sowohl beim Hersteller wie auch bei einem Gutachter bekamen wir die Antwort, dass das Produkt rechtmäßig gekennzeichnet ist. Auch eine am 22.2. in Auftrag gegebenen Prüfung/Stellungnahme des österreichischen Instituts Analyticum - Labor für Lebensmitteluntersuchung ergab die rechtlich ordnungsgemäße Kennzeichnung des Artikels. Wir zitieren aus dem Gutachten (siehe Anhang das gesamte Gutachten und die fachliche Zusammenstellung über natürliche Glutaminsäure):
Gemäß Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 ist definiert:
Geschmacksverstärker sind Stoffe, die den Geschmack und/oder Geruch eines Lebensmittels verstärken. Lebensmittelrechtlich handelt es sich bei der Bezeichnung Geschmacksverstärker nicht um einen Lebensmittelbestandteil, sondern um einen Zusatzstoff. Die Auslobung „ohne Zusatz von Geschmacksverstärkern“ bedeutet also, dass keine Geschmacksverstärker (im Sinne eines Lebensmittelzusatzstoffes) zugesetzt sind.
Das heißt aber nicht, dass keine Lebensmittel bzw. Lebensmittelzutaten enthalten sind, die Inhaltsstoffe mit geschmacksverstärkender Wirkung enthalten können.
Aus Diehl, J.F.; Chemie in Lebensmitteln, Wiley VCH Verlag GmbH, Weinheim 2000 geht hervor: Glutaminsäure ist als Bestandteil von Proteinen in der Natur weit verbreitet. Die meisten Lebensmittel enthalten natürlicherweise Glutaminsäure, sowohl in freier wie in gebundener Form.
Auch Schweinefleisch enthält zwischen 3,61 und 4,14 g/100g Glutaminsäure (Souci Fachmann Kraut, Die Zusammensetzung der Lebensmittel. Nährwert-Tabellen, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart).
Großteils ist die Glutaminsäure in Proteinen gebunden, freie Glutaminsäure ist in Spuren vorhanden. Durch Erhitzen wie z.B. der Sterilisation von Dosenkonserven wird aber weitere Glutaminsäure freigesetzt.
Bei Würze handelt es sich um eine Lebensmittelzubereitung, deren Zusammensetzung im ÖLMB, Kapitel B11 Suppenartikel und verwandte Erzeugnisse, genau geregelt ist. Diese wird mittels Hydrolyse eiweißreicher Stoffe, also aus pflanzlichem oder tierischem Ausgangsmaterial gewonnen.
Nicht nur die Zutat Würze, sondern auch die Zutat gekörnte Brühe enthält Würze und somit auch ein Eiweißhydrolysat. Das scheint den Verfassern aber entgangen zu sein. Also enthalten Schweinefleisch, gekörnte Brühe und Würze ebenfalls Glutaminsäure. Diese sind aber Lebensmittel und es wird auch nicht gesagt, dass keine Glutaminsäure enthalten ist.
Daher ist die Auslobung „ohne Zusatz von Geschmacksverstärkern“ weder falsch noch irreführend, sondern als freiwillige Information an den Verbraucher zu sehen, um diesen darauf hinzuweisen, dass der Zusatzstoff Geschmacksverstärker im vorgenannten Produkt nicht eingesetzt wird. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass dem Produkt keinerlei Geschmacksverstärker zugeführt wurden und die Deklaration den derzeit rechtlichen Parametern entspricht.
Glutinsäure entsteht laut Gutachtermeinung bei jedem Kochprozess von Fleisch. Trotzdem nehmen wir die von Ihnen geäußerten Bedenken hinsichtlich einer eventuellen Missverständlichkeit der Aussage für den Konsumenten sehr ernst. Um zukünftig Doppeldeutigkeiten zu vermeiden, haben wir deshalb dem Produzenten den Auftrag erteilt, die Ausstattung/Deklaration zu ändern. Wir möchten auf diesem Wege aber festhalten, dass es sich um eine mehrfach geprüfte Aussage und rechtmäßig gekennzeichnete Ausstattung handelt.“
Marion Häberle, Qualitätsscherung
Lidl Austria, Salzburg
Wir meinen: Die fette Auslobung "ohne Zusatz von Geschmacksverstärkern" hinterlässt beim Konsumenten – wohl nicht ganz ungewollt – den Eindruck, dass es sich hier um eine Produkt handelt, das frei von geschmacksverstärkenden Substanzen ist. Wir freuen uns, dass Lidl demnächst die Verpackung ändert, um zukünftig "Doppeldeutigkeiten zu vermeiden".