Was Konsumenten alles zugemutet wird. Diesmal im Lebensmittel-Check: In Öl gebackenes Kartoffelpulver in Herzform, das unglücklich verliebten Teenagern als Mittel gegen Liebeskummer angedient wird. |
Kelly’s Heartbreakers massive chili - Massiv daneben
Kelly's Chips Massive Chili Heart breakers (Bild: E.Würth/VKI)
Zum Liebeskummer auch noch Übergewicht
Das steht drauf: Kelly’s Heartbreakers massive chili
Gekauft bei: in vielen Geschäften erhältlich
Das ist drin
Der Liebste ist einfach gegangen, die Angebetete hat sich einen anderen geangelt? Kein Problem, es gibt ja Kelly’s. Die Experten für Knabberzeugs aller Art haben ein Herz für unglückliche Teenager und als Rezept gegen Liebeskummer Heartbreakers massive chili entwickelt. „Der knackige Biss hilft Wut abzubauen und der kartoffelige Teig zerschmilzt auf der Zunge. Die Schärfe des Chilis macht wieder glücklich – so hat Herzschmerz keine Chance“, steht auf der Verpackung. Echt super!
Um den Snack unter die unglücklich Liebenden zu bringen, gibt es auch eine Kooperation mit dem Jugendmagazin XPress, einen Fotoroman, ein Gewinnspiel und eine Seite auf Facebook. Nur ja nichts auslassen, wenn es darum geht, die kaufkräftige Zielgruppe der österreichischen Jugendlichen anzubaggern, denen geschätzte 1,715 Mrd. Euro jährlich zur Verfügung stehen. „Das neue Rezept gegen Liebeskummer – das beste Rezept für die Steigerung Ihres Umsatzes“, heißt es unverblümt in einem Branchenmagazin, das sich an Händler richtet. Echt fett, wie hier versucht wird, aus dem Kummer der Kids Kapital zu schlagen.
So wie Schokolade zählen Snacks zu den sogenannten geduldeten Lebensmitteln. Sie ab und zu in kleinen Mengen zu knuspern, geht ok. Als Mittel gegen Frust und Liebeskummer sind sie aber garantiert ungeeignet. Wer sich damit vollstopft, wird seinen Herzschmerz sicher nicht los, ruiniert sich aber, wenn er Pech hat, zusätzlich die Figur. Dann kommt zum Liebeskummer auch noch das Übergewicht, was nun wirklich niemand braucht.
Natürlich konfrontierten wir Kelly’s mit unserer Sicht der Dinge und baten das Unternehmen, zur Werbelinie für ihr Produkt Stellung zu nehmen. Vergebliche Liebesmüh! Statt einer Auskunft erhielten wir eine Auflistung kurioser Beleidigtheiten und eine Aufzählung von Produktvorteilen aus der Abteilung „Lob und Hudel“. In Sachen fragwürdiger Werbebotschaften herrschte dagegen Funkstille.
Reaktionen
Was Kelly’s dazu sagt, dass es mit dem Liebeskummer von Jugendlichen versucht, ein fettes Geschäft zu machen. Der besseren Verständlichkeit wegen geben wir auch auszugsweise unsere Anfrage an Kelly’s wieder.
Anfrage 1:
„Mit Überraschung haben wir festgestellt, dass Sie Kelly´s Heartbreakers massive chili als idealen Snack bei Liebeskummer bewerben. Chips zählen wie auch Schokolade und Co. zu den sogenannten geduldeten Lebensmittel, welche weniger als 10 Prozent der Gesamtenergie ausmachen sollten. Es ist ernährungsphysiologisch keinesfalls empfehlenswert, dieses Produkt als „Frust- bzw. Liebeskummermittel“ zu bewerben und dadurch zu einem unkontrollierten Konsum zu animieren.“
Konsument
7.4.2011
Antwort 1:
„Bedauerlicherweise bezeichnen Sie in Ihrem Schreiben unsere Produkte generell als „geduldete Lebensmittel“. Wir sehen uns damit logischerweise auch als „geduldetes Unternehmen“ in diesem Lande. Wenn man mit solch einer Kardinalaussage und Grundeinstellung einem Unternehmen und seinen Produkten begegnet, hat es wohl wenig Sinn, dazu Stellung zu nehmen. Ich hoffe, dass diese Stellungnahme von einem „geduldeten Unternehmen“, das 360 Mitarbeiter beschäftigt, 220 österreichischen Kartoffelbauern seit Jahrzehnten eine Existenzgrundlage bietet und mit 14.000 t Jahresbedarf zu den größten Mehlabnehmern Österreichs zählt, ausreicht, um abgedruckt zu werden.“
Kelly Gesellschaft m.b.H.
13.4.2011
Anfrage 2:
„Die Bezeichnung „geduldete Lebensmittel“ für salzige Snacks und Süßigkeiten ist eine in der Ernährungswissenschaft und der entsprechenden Literatur übliche Bezeichnung für Lebensmittel dieser Art. Mit 10 Prozent der täglichen Energieaufnahme finden Snacks einen Platz an der Spitze der österreichischen. Ernährungspyramide. Diese Menge halten wir auch für vertretbar.
Die Art und Weise, wie das Produkt Heartbreakers für Jugendliche beworbenen wird, ist aus unserer Sicht bedenklich und wir haben Sie gebeten, zu dieser Werbemaßnahme in Zusammenhang mit diesem Produkt eine Stellungnahme abzugeben.“
Konsument
13.4.2011
Antwort 2:
„Sie sehen, wie strikt Ihre Meinung ist und wie wenig Spielraum sie für Argumente zulässt. Was soll ich jetzt also argumentieren?
Dass wir
. statt Schokolade eben Snacks anbieten wollen und damit nicht den Gesamtprokopfverbrauch an den „geduldeten Snacks“ erhöhen?
. ausschließlich natürliche Gewürze für unsere Produkte verwenden?
. Sonnenblumenöl verwenden und damit den Anteil an gesättigten Fettsäuren auf ein Minimum reduzieren?
. keine Transfettsäuren in den Produkten aufweisen?
. unsere Produkte vielleicht Genuss und Fun ins Leben unserer Konsumenten bringen, weil sie eben einen Unterhaltungswert haben, was auch unsere Werbeaussage reflektieren soll?
. dass es beim Konsum unserer Produkte auf die tägliche Gesamtkalorienaufnahme durch mündige Konsumenten ankommt?
. dass es....
Die Liste der Argumente ließe sich beliebig fortsetzen. Allerdings glaube ich – wie schon erwähnt – dass Sie das nicht näher beeindrucken wird. Denn für Sie gibt es eben nur „empfohlene“ oder „geduldete“ Lebensmittel und dass Menschen an gewissen Produkten auch FREUDE empfinden können und sie in einem ausgewogenen Verhältnis in ihre Ernährung einbauen, bleibt völlig unerwähnt bzw. unberücksichtigt. Unsere Produkte haben nämlich einen Genusseffekt und das ist in der Ernährungswissenschaft eben nicht vorgesehen.
Eigentlich schade, reduziert es doch deutlich die Lebensqualität. So freuen wir uns schon, wenn wir eben „geduldet“ sind.
Kelly Gesellschaft m.b.H.
13.4.2011
Wir meinen: Wem selbst das Geschäft mit dem Liebeskummer von Heranwachsenden nicht zu schmierig ist, braucht keinen auf beleidigt zu machen. Und vielleicht klärt uns auch jemand bei Gelegenheit darüber auf, welchen „Unterhaltungswert“ dieses Produkt haben soll und vor allem – für wen?