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Kundendaten und Kaufverhalten - Vermessen

Das Kaufverhalten wird nicht nur beim Online-Shopping mitprotokolliert. Mit neuen Tracking-Techniken analysiert der Handel seine Kunden auch in den Geschäften.

„Den Kunden verstehen. Die Wünsche des Konsumenten kennen. Wissen, was er will, bevor er es selbst weiß.“ Es ist eine altbekanntes Credo der Werbebranche, dass die Marketing- und Umsatzmaschinerie umso geschmierter läuft, je mehr Ahnung man von seiner Klientel hat. Die Möglichkeiten, solches Wissen über die Kunden anzuhäufen und zu verwerten, sind in Zeiten von Big Data gewaltig gestiegen. Immer mehr stationäre Händler versuchen derlei Tracking-Verfahren (Tracking, engl. für Verfolgung) auch in die analoge Welt zu übertragen.

O2O-Measurement

O2O-Measurement, Online-zu-Offline-Messung, nennt sich der neue IT-Trend. So bietet beispielsweise Google den Händlern eine Reihe von Möglichkeiten, ihre Kunden zu vermessen. Bei einer Studienpräsentation erklärte ein Vertreter von Google Österreich, dass 47 Prozent der befragten Händler messen, ob eine Person, der online Werbung für ihr Unternehmen gezeigt wurde, dann auch eine ihrer Filialen besucht hat.

28 Prozent der Händler messen sogar, ob jemand, der mit Online-Werbung für sie in Kontakt gekommen ist, dann einen Kauf in einer ihrer Filialen getätigt hat. Tendenz stark steigend, zumal die Methode hierzulande erst seit knapp zwei Jahren im Einsatz ist. Wohlgemerkt: Die Umfrage wurde nicht in den USA, sondern unter den größten heimischen Handelskonzernen durchgeführt.

Google Maps genügt

Die Voraussetzungen dafür, dass eine derartige Schnüffelei überhaupt möglich ist, sind denkbar einfach: Der Einzelne muss ein Smartphone mit sich herumtragen, darauf Google Maps installiert und dort den Standortverlauf aktiviert haben. Noch weit mehr lässt sich messen, wenn sich der Nutzer auf einem Online-Auftritt eines Händlers einloggt oder seine App installiert.

Es kann dem Händler noch viel exaktere Standortdaten übermitteln, als dies über GPS möglich ist. Vor welchem Regal steht die Person und wie lange? Entscheiden die Algorithmen der Marketingsoftware, dass die Person eine kleine Motivation zum Kauf braucht, dann schicken sie ihr einen Rabattcoupon aufs Handy. Willkommen in der Welt der individualisierten Werbung!


Lesen Sie auch unseren Cartoon: Datenhandel 8/2018 zu diesem Thema.

Beacons und spionierende Schaufensterpuppen

Wie anonym ist anonymisiert?

Auf Nachfrage nach den Messmethoden und dem Umgang mit den Daten wird in der Regel beschwichtigt. Bei manchen Werten handle es sich bloß um Hochrechnungen. Niemals würden personenbezogene Daten verarbeitet, und wenn es um Infos gehe, die Rückschlüsse auf eine Person ziehen ließen, dann würden diese Daten anonymisiert. Folglich falle man nicht unter die seit Mai dieses Jahres EU-weit geltende Datenschutzgrundverordnung. Doch was heißt anonymisiert eigentlich? Denn ob die Kennung, die auf den Servern der Big-Data-Firmen gespeichert wird, nun eine Nummer ist oder der Vor- und Nachname eines Kunden – am Ende ist es doch immer eine einzelne Person, die verfolgt wird.

Außerdem fanden Forscher vom MIT Media Lab und der Universität von Löwen in Belgien heraus, dass es gerade bei den per GPS erhobenen Standortdaten ein Leichtes ist, sie zu re-personalisieren. Da unsere Bewegungsprofile in den allermeisten Fällen recht charakteristisch sind, reichen nur vier dieser Zeit-Ort-Datenpunkte aus, um 95 Prozent der Personen zu identifizieren.

Bluetooth-Sensoren

Ein weiteres Helferlein bei der Vermessung der Kunden sind sogenannte Beacons. Dabei handelt es sich um münzgroße Sensoren, die an verschiedenen Stellen in den Geschäften installiert sind und in regelmäßigen Abständen Bluetooth-Signale aussenden. Hat der Smartphone-Besitzer Bluetooth aktiviert, tritt das Beacon mit dem Gerät in Kontakt. Es kann dem Händler noch viel exaktere Standortdaten übermitteln, als dies über GPS möglich ist.

Vor welchem Regal steht die Person und wie lange? Entscheiden die Algorithmen der Marketingsoftware, dass die Person eine kleine Motivation zum Kauf braucht, dann schicken sie ihr einen Rabattcoupon aufs Handy. Willkommen in der Welt der individualisierten Werbung!

Spionierende Schaufensterpuppen

Schon vor sechs Jahren sorgte das Eye See-Mannequin für medialen Wirbel. Dabei handelt es sich um eine Schaufensterpuppe mit versteckter Kamera im Auge. Die schöne Spionin der italienischen Firma Almax filmt aber nicht bloß das Geschehen vor den Auslagen. Sie ist in der Lage, die Passanten zu analysieren und in Kategorien einzuteilen, zum Beispiel nach Kriterien wie Alter, Herkunft, Geschlecht oder Aufenthaltsdauer. Das Ziel der Ausspähung fasst Almax wie folgt zusammen: Das Personal könne besser auf die Kundschaft abgestimmt werden, Verkaufsströme besser im Blick gehalten und zielgruppenspezifischere Marketingstrategien eingesetzt werden.

Zwar hagelte es damals Kritik von Verbraucherschützern. Doch genutzt hat sie wenig, denn das Mannequin in verdeckter Mission ist immer noch im Einsatz, dem Hersteller zufolge unter anderem auch in Europa. Den Vogel abgeschossen in Sachen Konsumenten-Erforschung hat jedoch wieder einmal Amazon. Der Erfinder des Empfehlungs- Marketings (Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch …) hat sich ein Patent auf einen vorausschauenden Versand sichern lassen. Demnach werden Produkte in Lager in der Nähe des Kunden verschickt, von denen der Online-Händler offenbar schon weiß, dass jener sie bestellen wird.

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