Dass Koffein-Shampoo und andere kosmetische Koffein-Produkte Frauen und Männer mit erblich bedingtem Haarausfall helfen, ist nicht bewiesen. Dazu liegen keine vertrauenswürdigen Studien vor.
Wir sagen: Die Beweislage ist unzureichend. |
Erblich bedingter Haarausfall (androgenetische Alopezie) ist weit verbreitet. In Europa sind rund acht von zehn Männern über 70 Jahre davon betroffen sowie vier von zehn Frauen dieser Altersgruppe. Dass Männer deutlich häufiger Haarausfall haben, liegt am Geschlechtshormon Testosteron. Dieses kann die Haare am Wachsen hindern und den Haarausfall beschleunigen. Erblich bedingter Haarverlust ist keine Krankheit, gesundheitlich nicht bedenklich und streng genommen „nur“ ein kosmetisches Problem. Aber natürlich kann der Haarverlust äußerst belastend sein.
Lässt sich die Glatze aufhalten?
Viele Betroffene suchen nach Möglichkeiten, den Haarverlust zu stoppen bzw. das Haarwachstum anzuregen. Hersteller von Haarpflegeprodukten vertreiben Shampoos, Spülungen und Tonics, die Koffein enthalten. Die Substanz soll die Haarwurzeln anregen und Haare wieder sprießen lassen. Aber können Haarpflegeprodukte mit Koffein bei Männern und Frauen wirklich für mehr Haare am Kopf sorgen? Und zwar so, dass der Effekt auch erkennbar ist? Oder sind derartige Versprechen an den Haaren herbeigezogen? Unsere Kooperationspartner von medizin- transparent.at haben sich für uns die Studienlage genau angesehen.
Keine Studien an Frauen
Die Suche in wissenschaftlichen Datenbanken förderte sowohl Laborstudien als auch Studien an Testpersonen zutage. In den Laborstudien konnte zwar gezeigt werden, dass Koffein die Kopfhaut durchdringt und bis in die Haarwurzeln gelangt. Daraus lässt sich aber nicht automatisch schließen, dass es dort auch so wirkt, wie von den Herstellern versprochen. Dies wurde in sechs Studien an Männer mit erblich bedingtem Haarausfall untersucht – Studien an Frauen waren nicht auffindbar. In den Studienergebnissen ist von weniger Haarausfall und höherer Zufriedenheit durch Haarpflegeprodukte mit Koffein die Rede. Alle sechs Arbeiten weisen jedoch erhebliche Mängel auf und sind alles andere als vertrauenswürdig.
Keine Kontrollgruppe
In zwei Studien wurde nur die Zufriedenheit der Teilnehmer nach der Anwendung eines Koffeinshampoos beurteilt. Dabei fehlte es an einer Kontrollgruppe, die kein Koffeinshampoo verwendete. In einer von einem Koffeinshampoohersteller finanzierten Studie gab es zwar eine Kontrollgruppe, doch sowohl die Teilnehmer als auch die Studienleiter wussten, wer welches Produkt verwendete. Ob Koffeinprodukte gegen Haarausfall wirken, kann anhand der vorliegenden Ergebnisse deshalb nicht beantwortet werden.
Minoxidil oder Finasterid
Gegen erblich bedingten Haarausfall gibt es Substanzen, deren Wirkung besser erforscht ist als jene von Koffein. Minoxidil (zum Auftragen auf die Kopfhaut) oder Finasterid (als Medikament zum Schlucken) etwa hemmen nachweislich die Wirkung von Testosteron und damit den Haarausfall.
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