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Ja! Natürlich 30 Jahre Bio-Pionier
Bio über den Tellerrand hinaus: Kritisch zu sehen ist insbesondere der kategorische Charakter des Slogans. Bild: Screenshot janatuerlich.at

Ja! Natürlich: Bio-Werbung auf dem Prüfstand

Ein Konsument stößt sich an der „Gut fürs Klima“-Aussage einer Ja! Natürlich-Kampagne. Ist man bei Rewe da bei der Vermarktung seiner Bio-Schiene übers Ziel hinaus geschossen?

Was uns stutzig gemacht hat

Nur den offensichtlich ruchlosen Konzernen auf die Finger zu klopfen, jenen, die ihr erdöltriefendes Kerngeschäft in ein grünes Licht rücken, ist nicht unser alleiniger Ansporn. Wir wollen auch die Marken herausfordern und pushen, die vermeintlich grüne Vorreiter bzw. Musterschüler sind.

Deshalb widmen wir uns diesmal Ja! Natürlich. Ein Konsument, der sich an einer Werbekampagne der Bio-Schiene von Rewe stößt, hat sich bei uns gemeldet. Er kritisiert die Kampagne „Bio über den Tellerrand hinaus“, die Rewe anlässlich von 30 Jahren Ja! Natürlich lanciert hat, und bei der versucht wird, die Vorteile von Bio-Produkten herauszustreichen.

Der Konsument hat uns ein Foto eines Plakatsujet mit der bereits erwähnten Kernbotschaft „Bio über den Tellerrand hinaus“ über mittelt (siehe Bild unten). Dort wird mit weiteren grünen Claims gearbeitet, wie z. B. „Gut fürs Klima“, „Gut für die Artenvielfalt“ oder „Gut fürs Tierwohl“. Insbesondere die Botschaft, der zufolge Bio-Produkte generell gut fürs Klima seien, befeuert den Unmut des Konsumenten, da er sie für falsch hält.

Plakat Ja! Natürlich Bio über den Tellerrand hinaus Gut für uns und die Natur
Bild: Privat

Der Check

Vorausschickend gesagt: Dieser Check war einer der aufwendigsten in der VKI-Greenwashing-Geschichte. Die Materie ist gelinde gesagt komplex und die Datenlage bisweilen uneindeutig, Studien teils widersprüchlich. Im Kern steht die, gern auch mal hitzig geführte, Grundsatzdebatte: Wie nachhaltig ist Bio-Landwirtschaft bzw. sind Bio-Produkte wirklich?

Wenn man der Ja! Natürlich-Kampagne Glauben schenken mag, dann gibt’s nichts Besseres. Um es vorweg zu nehmen: Ganz so einfach ist es nicht, die Sache mit Bio. Und ebenfalls vorausschickend: Es würde den Rahmen sprengen, alle vorgebrachten Vermutungen und Vorwürfe im Detail wissenschaftlich aufzuarbeiten. Im Sinne der Transparenz führen wir am Ende aber Links zu den für den vorliegenden Check relevantesten Studien an.

Konzentrieren wir uns auf die „Gut fürs Klima“-Aussage: Auf janatuerlich.at wird die Kampagne ebenfalls präsentiert (Stand: Mitte Jänner 2025, siehe Screenshot unten). Dort ist zu lesen, dass Bio-Landwirtschaft im Durchschnitt um 25 % weniger treibhausgaswirksame Emissionen verursache (wohl im Vergleich zu konventioneller Landwirtschaft). Eine knackige Ansage, leider ohne jeglichen Beleg oder Quelle. Fragt man nach – was wir getan haben –, verweist Rewe auf eine Studie im Auftrag von Greenpeace, bei der die Klimawirkung von neun verschiedenen Produkten verglichen wurde. Die Produkte scheinen mehr oder weniger willkürlich ausgewählt: Rindfleisch, Schweinefleisch, Eier, Milch, Tofu, Hafermilch, Brot, Äpfel, Tomaten. Bei der Auswahl anderer Produkte wäre der Durchschnitt der Treibhausgasreduktion vielleicht anders ausgefallen.

Schaut man sich hingegen andere Studien und Metastudien an, die in den vergangenen Jahren zur „Bio-Frage“ veröffentlicht wurden, – was wir ebenfalls gemacht haben – ist die Sachlage alles andere als eindeutig. Unterm Strich, insbesondere auch infolge der geringeren Flächeneffizienz von Bio, gibt es beim Thema Klimaschutz wohl eher wenig Unterschied zwischen konventioneller und Bio-Landwirtschaft. Um wirklich eindeutige Aussagen treffen zu können, braucht es jedoch noch deutlich mehr an Forschung zum Thema, da diese Frage auch stark von geografischen und klimatischen, also regional sehr unterschiedlichen Bedingungen abhängt.

Ja! Natürlich Gut für den gesunden Boden Gut fürs Klima Gut für die Artenvielfalt
Bild: Screenshot janatuerlich.at

Was sagt Rewe dazu?

Rewe antwortet auf unsere Fragen mit dem Verweis auf eine einzelne Studie, rückt die eigene Marketingstrategie in den Fokus und kündigt an, Quellenangaben auf der Website künftig stärker zu berücksichtigen. Die ungekürzte Stellungnahme ist auf konsument.at/gwc downloadbar.

Fazit

Die Bio-Landwirtschaft erbringt einige relevante Leistungen für „die Welt“, sogenannte Ökosystemleistungen, etwa geringere Bodenerosion, was z. B. bei Starkregenereignissen, die durch den Klimawandel öfter auftreten, von hoher Bedeutung ist. In vielerlei Hinsicht, z. B. auch in puncto Pestizid- und Düngemitteleinsatz oder Artenvielfalt, sticht sie die konventionelle Landwirtschaft tatsächlich aus. Insofern ist es nachvollziehbar, dass man diese „Leistungen“ in einer Werbekampagne vor den Vorhang holt.

Aber hält das grüne Versprechen? Die Slogans dieser Kampagne sind unbelegt, Quellen werden nicht genannt. Hier hat Rewe uns gegenüber Besserung gelobt – immerhin. Dennoch, gerade beim Klima-Thema solch simplifizierende, eindimensionale (Werbe-)Aussagen zu treffen, steht einer etablierten Marke, einem selbsternannten Bio-Pionier wahrlich nicht gut zu Gesicht. Einer Marke, deren handelnde Akteur:innen im Hintergrund um die komplexe Sachlage ja bestens Bescheid wissen.

Kritisch zu sehen ist insbesondere der kategorische Charakter der Slogans. Selbst wenn Bio-Produkte z. B. besser fürs Klima wären als konventionelle (was die Studienlage ja nicht wirklich hergibt), kann daraus nicht geschlussfolgert werden, dass diese gut fürs Klima wären – ein klassischer Fall von „weniger nicht nachhaltig ≠ nachhaltig“. Botschaften, die nach unumstößlichen Wahrheiten klingen, führen zu Unmut so wohl bei Leuten, die Bio gut finden, als auch bei jenen, die der Bio-Landwirtschaft nicht so viel abgewinnen können. Der Unmut ist berechtigt, wie wir finden. Anstatt Bio als absolut „gut für“ zu positionieren, wäre es sinnvoller gewesen, in Richtung Relativierung und Konkretisierung zu gehen („besser als ...“). Der Erklärungsansatz, den wir von Rewe auf Nachfrage bekommen haben, wonach sich die Kampagne auf den generellen Marken-Claim „Gut für mich und gut für die Natur“ stützt, ist als Argument nicht nachhaltig.

Auch mit Blick auf die sich abzeichnende Verschärfung der Rechtslage für grüne Werbeaussagen (EU Green Claims Directive) würde die Kampagne aufgrund fehlender Transparenz und Nachweise wahrscheinlich eine rote Flagge erhalten. Hier muss Ja! Natürlich definitiv nachschärfen.

Links

Thünen-Report 65, 2019, „Leistungen des ökologischen Landbaus für Umwelt und Gesellschaft“: thuenen.de/media/publikationen/thuenen-report/Thuenen_Report_65.pdf

Organic agriculture, food security, and the environment, Annual Review of Resource Economics, 2018: annualreviews.org/content/journals/10.1146/annurev-resource-100517-023252

The greenhouse gas impacts of converting food production in England and Wales to organic methods, Nature Communications, 2019: nature.com/articles/s41467-019-12622-7

Organic and conservation agriculture promote ecosystem multifunctionality, ScienceAdvances, 2021: science.org/doi/10.1126/sciadv.abg6995

Melden Sie Greenwashing!

Um den Markt in Bezug auf Greenwashing bestmöglich zu kontrollieren, sind wir auf Ihre Mithilfe angewiesen. Deshalb können wir unsere monatliche Aufforderung nur wiederholen: Melden Sie uns Greenwashing! Der VKI geht aktiv und erfolgreich gegen Greenwashing auf allen Ebenen vor. Der Greenwashing-Check ist ein großer Erfolg und wir bleiben weiterhin dran.

Wir blicken auch deshalb optimistisch in die Zukunft, weil sich in Sachen Greenwashing auf EU-Ebene einiges tut. Wenn die sogenannte Green-Claim-Verordnung wie geplant 2024 in Kraft tritt, bedeutet das: leichtere Rechtsdurchsetzung bei irreführenden grünen Werbebotschaften.

Logo des VKI-Greenwashing-Checks in grün und blau.
Greenwashing? Grünes Mascherl, nichts dahinter? Melden Sie es uns! Bild: VKI

Sie sind über ein dreistes grünes Werbe­versprechen gestolpert? Helfen Sie mit bei unserer ­Offensive gegen Greenwashing! Ein Formular dafür finden Sie auf konsument.at/greenwashing-meldeformular.

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