Eines der wichtigsten Konsumentenrechte wird nach EU-Vorgaben erneuert. Aus Konsumentensicht gehen die Änderungen nicht weit genug, sagen Mag. Thomas Hirmke und Dr. Petra Leupold aus unserer Rechtsabteilung. Insbesondere die Nachhaltigkeit komme zu kurz.
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Gewährleistung ist ein Top-Thema der Beschwerden, die an den VKI herangetragen werden. Was sind die größten Probleme der Konsumentinnen und Konsumenten?
Leupold: Tatsächlich geht es – langfristig betrachtet – in nahezu jedem dritten Beschwerdefall um ein Gewährleistungsproblem. Das zeigt, wie wichtig das Gewährleistungsrecht im Alltag ist und auch, wie schwierig es offensichtlich durchzusetzen ist. In vielen Fällen ist der Gang zu Gericht so gut wie aussichtslos. Wir können diesen Schritt oft gar nicht empfehlen, besonders, wenn es um eher geringe Beträge aber technisch komplexe Fragen geht. Da braucht es dann einen Sachverständigen und schon ist das Kostenrisiko unangemessen hoch.
Dr. Petra Leupold, LL.M. (UCLA)
VKI-Juristin, hat den Gesetzesentwurf begutachtet
"Das Gewährleistungsrecht könnte einen sinnvollen Beitrag für langlebigere Produkte leisten."
Ein Beispiel aus der Praxis?
Hirmke: Ein Klassiker war etwa ein Musterprozess mit einem vom Händler behaupteten Feuchtigkeitsschaden bei einem defekten Smartphone. Bei einem Streitwert von 99 Euro lag das Kostenrisiko in erster Instanz bei 9.000 Euro! Nach zwei Jahren Prozess hat das Gericht entschieden, dass dem Konsumenten der Kaufpreis zu erstatten ist. Das ist unzumutbar! Unsere grundsätzliche Erfahrung ist leider: Lenkt das Unternehmen nicht von sich aus ein, hat man oft schon verloren.
Innerhalb der ersten 6 Monate nach dem Kauf wird davon ausgegangen, dass ein Mangel schon beim Kauf vorhanden war. Nach Ablauf dieser sechs Monate muss der Konsument beweisen, dass dies der Fall war. Die neue Regelung verlängert diese Frist nunmehr auf 12 Monate. Ein Fortschritt?
Hirmke: Ab 1.1.2022 wird diese sogenannte „Vermutungsfrist“ für Waren und digitale Dienstleistungen in der Tat auf ein Jahr verlängert. Dennoch wünschen wir uns, dass diese Frist länger wäre. Denn der Nachweis, dass ein Produkt bereits beim Kauf mangelhaft war, ist mit vernünftigem Aufwand naturgemäß schwierig zu erbringen. Die Gewährleistungsfrist von insgesamt 2 Jahren wurde übrigens nicht verlängert. Es kommt aber in der Praxis immer wieder vor, dass Mängel erst danach auftreten; dann schaut man als Konsument durch die Finger.
Mag. Thomas Hirmke
Leiter der VKI-Rechtsabteilung
„In der Praxis besteht das Gewährleistungsrecht in vielen Fällen nur auf dem Papier.“
Was braucht es, um die Konsumentenrechte entscheidend zu verbessern?
Leupold: Die Fristen müssten unseres Erachtens verlängert und die Durchsetzung des Gewährleistungsrechts erleichtert werden. Dazu zählen eine Reduzierung des Kostenrisikos und die Vereinfachung der Verfahren. Dann gibt es noch einen wesentlichen Punkt: Es gibt ja viele Produkte, wo die Konsumentinnen und Konsumenten berechtigter Weise erwarten, dass sie 10, 15 Jahre halten. Das wird ja teilweise auch in der Werbung vermittelt. Da wären Sonderregelungen nötig. Es ist doch nicht sinnvoll, wenn solche Produkte etwa kurz nach Ablauf der Gewährleistung aus Kostengründen nicht mehr repariert, sondern entsorgt werden.
Hirmke: Es gibt ja auch Produktmanipulationen wie beim VW-Dieselskandal oder frühzeitige Obsoleszenz. Damit Gewährleistungsrechte auch bei diesen effektiv durchgesetzt werden können, braucht es ferner eine Haftung des Herstellers oder Importeurs in den EWR-Raum. Das ist wesentlich, weil Organisationen wie dem VKI nur dadurch eine gebündelte Geltendmachung von Ansprüchen gegen den verantwortlichen Hersteller ermöglicht wird. Gleichzeitig ließe sich damit der österreichische Einzelhandel entlasten, der in diesen Fällen haftet, obwohl er meist für den Mangel nicht verantwortlich ist, und im Anschluss mühevoll Regress entlang der Vertriebskette nehmen muss.