Fall 1. Elena ist 14 Jahre alt und hat seit ihrer Geburt spastische Lähmungen an Armen, Beinen, Rumpf, Hals und Kopf. Sie kann nicht selbstständig gehen, sitzen oder essen und braucht in jeder Lebenslage Unterstützung. Weil sie auch nicht auf die Toilette gehen kann und stuhl- und harninkontinent ist, ist sie auf Inkontinenzprodukte angewiesen. In der Vergangenheit bekam sie diese in ausreichender Menge von der Wiener Gebietskrankenkasse. Heuer im April musste Elenas Mutter beim Bandagisten einen Fragebogen beantworten. Daraus wurde der „medizinisch notwendige Bedarf“ an Inkontinenzhosen ermittelt. Für Elena wurde ein Bedarf von 2,4 Stück pro Tag festgelegt. Früher hatte sie 5 Stück pro Tag von der Krankenkasse bekommen. Nachdem die Mutter hartnäckig blieb, gestand der Bandagist Elena zwei Packungen Inkontinenzhosen mehr pro Quartal zu – das sind insgesamt 3 Stück pro Tag.
Fall 2. Frau M. ist 97 und hat eine kleine Pension sowie Pflegegeld der Pflegestufe 3. Auch ihr wurde mit 1. April 2021 die Zahl der Inkontinenzhosen, die bis dahin von der Krankenkasse bezahlt worden waren, um fast die Hälfte gestrichen. Sie erhält nur noch 2 Pants statt wie bisher 3,5 pro Tag. Die Tochter müsste nun rund 800 Euro pro Jahr privat für die Inkontinenzprodukte ihrer Mutter zahlen.
Interventionen
Die Wiener Pflege- und Patientinnen- und Patientenanwaltschaft (WPPA) intervenierte in beiden Fällen. Die Ombudsstelle und die Leistungsabteilung der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) teilten daraufhin Elenas Mutter mit, dass dieser Bereich komplett an die Vertrags-Bandagisten ausgelagert worden sei. Der Bandagist wiederum berief sich auf die Vorgaben der ÖGK, wie der Bedarf zu berechnen sei. Die WPPA wandte sich daraufhin an die Generaldirektion der ÖGK und ersuchte auch die Ombudsstelle um eine Stellungnahme. Eine ausführliche Antwort der ÖGK ist noch ausständig, doch wurde der WPPA eine grundsätzliche Überprüfung zugesagt.
Fazit
Mit Beginn des Jahres 2021 (in Wien ab 1.4.2021) hat die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) die Abgabe von Inkontinenzprodukten neu geregelt. Ziel ist es, die Verordnungen direkt und schneller zu erledigen. Dazu hat die ÖGK mit ihren Partnerunternehmen (Bandagisten) eine neue Regelung für die Berechnung des Bedarfs vereinbart. Die WPPA fordert, dass dabei gemeinsam mit den Betroffenen die individuellen Bedürfnisse ermittelt und keine Durchschnittswerte herangezogen werden. Die WPPA konnte inzwischen einen Teilerfolg verbuchen. Familien, die eine erhöhte Familienbeihilfe bekommen, können nun weiterhin den höheren Quartalsbedarf beziehen.