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Wohnraumfinanzierung - Eine Frage der Zinsen

  • Zinsen sind niedrig wie selten zuvor
  • Trotzdem Spannen von mehreren Tausend Euro
  • Auch bei Nebengebühren Hunderte Euro Unterschied

Wer jetzt seine eigenen vier Wände errichten, renovieren oder einrichten will, kann theoretisch aus dem Vollen schöpfen: Die Zinsen für Kredite zur Wohnraumfinanzierung sind niedrig wie selten zuvor und viele Bau- und Handwerksbetriebe haben noch jede Menge Kapazitäten frei.

Günstige Vorzeichen also, die aber nicht zu voreiligen Schritten verleiten sollten. Denn auch in Krisenzeiten ist nicht alles so billig, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Und gerade bei Langfristprojekten sollte immer auch die Frage gestellt werden: Wie sieht die Sache in fünf, zehn oder mehr Jahren aus?

Bei allen größeren Kreditinstituten angefragt

Um den aktuellen Stand bei den Wohnkreditzinsen zu erheben und deren zukünftige Entwicklung abschätzen zu können, haben wir wie üblich bei Repräsentanzen aller größeren Kreditinstitute in Österreich angefragt. Bis auf Raiffeisen und die Volksbanken, die diesmal nahezu geschlossen nicht einmal eine Reaktion zeigten, erhielten wir aussagekräftige Angaben sowohl zu den Zinskonditionen als auch zu verschiedenen Rahmenbedingungen rund um Wohnraumkredite.

Daraus lassen sich klare Unterschiede zwischen einzelnen Anbietern ausmachen, die sich über die Jahre gesehen zu beträchtlichen Beträgen summieren können.

Fixzins hält nur kurz

Bei Vertragsabschluss schauen Kreditnehmer meist vor allem auf die aktuelle Höhe der Zinssätze und vergleichen diese mit anderen Anbietern. Bei diesem Zinssatz bleibt es aber mit Sicherheit nicht, denn Kreditzinsen sind in der Regel nur sehr kurz fix gebunden, danach variieren sie für die restliche (lange) Laufzeit je nach der Entwicklung auf den Kapitalmärkten.

Die Banken richten dabei ihre Zinsen meist mit etwas Zeitverzögerung nach den sogenannten Referenzzinssätzen (siehe dazu „Was bedeutet ...“) aus: Fallen diese, dann gehen die Hypothekarkreditzinsen zurück; steigen sie, dann werden die Kredite für die Häuslbauer und Wohnungskäufer wieder teurer.

Referenzzinssätze beachten

Zinsentwicklung schwer abschätzbar

Nur auf die aktuell niedrigen Zinsen zu schauen, kann sich also als fataler Fehler erweisen. Doch welcher Kreditnehmer kann schon die Zinsentwicklung auf 20 Jahre abschätzen, wenn sich selbst Experten oft nicht einmal für das nächste halbe Jahr sicher sind?

Derzeit ist die Situation einfach: Sehr viel weiter hinunter kann es nicht mehr gehen; bleibt also nur die Frage, wann und wie rasch es mit den Zinsen wieder hinaufgehen wird, und vor allem: wie stark.

Auf Referenzzinssätze achten

Dazu haben wir uns angesehen, wie sich die Referenzzinssätze in den vergangenen Jahren entwickelt haben und wie sie auf verschiedene Marktereignisse reagierten. Dabei zeigte sich recht deutlich, dass es durchaus eine Rolle spielt, nach welchem Referenzzinssatz die Anbieter ihre Kredite ausrichten.

Bei den meisten Kreditinstituten in unserer Erhebung ist die Zinsentwicklung an den 3-Monats-Euribor gekoppelt. Dieser liegt im langjährigen Durchschnitt bei 3,3 Prozent, zum Zeitpunkt der Erhebungen lag er aber bei rund 0,68 Prozent, das heißt weit unter seinem Mittelwert. Somit ist ein Anstieg und eine deutliche Verteuerung des Kredits in den nächsten Jahren wahrscheinlich.

Meist an 3-Monats-Euribor gekoppelt

Einige andere Anbieter benutzen als Referenzzinssatz einen Mittelwert aus der Sekundärmarktrendite (SMR) Emittenten gesamt und dem 3-Monats-Euribor. Die SMR ist – im Gegensatz zum europaweit gültigen Euribor – vom Finanzmarktgeschehen in Österreich bestimmt und wurde durch die Turbulenzen der letzten Monate an den internationalen Finanzmärkten bei Weitem nicht so dramatisch gedrückt, wie dies beim Euribor der Fall war.

Die langjährige SMR liegt bei etwa 3,8 %, aktuell pendelt sie um die 2,45 %. Für Kreditnehmer heißt das, dass zwar der Einstiegszins höher ist als bei den rein vom Euribor bestimmten Zinssätzen; dafür ist aber auch nicht mit einem so starken Anstieg wie bei auf dem Euribor basierenden Krediten zu rechnen (siehe dazu „Referenzzinssatz zählt langfristig“).

Jeder Prozentpunkt zählt

Jeder Prozentpunkt zählt!

Für potenzielle Kreditnehmer kann sich also ein Blick auf den verwendeten Referenzzinssatz lohnen. Derzeit, vom unteren Ende der Fahnenstange ausgehend, scheint die Mischung aus Euribor und SMR die besser kalkulierbare Variante zu sein. Das ist aber noch nicht gleichbedeutend mit dem günstigsten Angebot, denn die Unterschiede zwischen den einzelnen Anbietern sind groß.

Auch wenn die Zinsen also derzeit noch verführerisch niedrig sind, kann nicht oft genug darauf hingewiesen werden: Lassen Sie sich mögliche Szenarien errechnen – da nach unten hin ohnedies nichts offen ist am besten eine „normale“ Entwicklung mit leichtem bis mittlerem Zinsanstieg und einen Worst Case mit starkem Anstieg und langem Verharren auf einem hohen Zinsniveau.

Differenz von 22.400 Euro

Geben Sie sich bei den Zinsen außerdem so knausrig wie sonst nie, denn hier machen selbst kleine Unterschiede viel aus: Wir haben die Gesamtzinssätze nach den Anbieterangaben berechnet und sind auf eine Bandbreite von 2,2 bis 4,1 Prozent gekommen.

Das ergibt – bei einem Kredit in Höhe von 100.000 Euro auf 20 Jahre – über die gesamte Laufzeit betrachtet die gewaltige Differenz von 22.400 Euro! Die Gesamtberechnung basiert natürlich auf Annahmen, da die genaue Entwicklung der Zinsen in den nächsten 20 Jahren nicht absehbar ist. Das Beispiel zeigt aber doch die große Wirkung bei kleiner Ursache!

Nebenkosten

Nebenkosten läppern sich

Ein weiterer Punkt, der oft unterschätzt wird, sind die Kontogebühren: Ein paar Euro auf oder ab im Jahr – das macht bei einem Kredit über mehrere Tausend Euro nicht wirklich etwas aus, denkt man. Ein Trugschluss, wie genaues Nachrechnen zeigt: Die Quartalsgebühren schwanken zwischen 5,66 und 15,15 Euro.

Das ist ein Unterschied von fast 38 Euro im Jahr, bei einer 20-jährigen Wohnfinanzierung sind es an die 760 Euro – in Häuslbauerwährung ausgedrückt also schon eineinhalb Fenster oder auch der gesamte Carport samt Blumenkistenhalterung!

Auch bei den Bearbeitungsgebühren geht die Schere weit auseinander: von 0,5 bis 2 Prozent. Wieso manche Banken für den Aufwand mit den Kreditnehmern viermal mehr als andere verrechnen müssen, ist für uns nicht nachvollziehbar und für Kreditnehmer auf jeden Fall ein Anlass, um Verhandlungsgeschick zu beweisen.

Konto und Versicherung

Konto und Versicherung gewünscht

Viel einheitlicher als bei den Gebühren gehen die Banken bei den mit einem Kredit verbundenen Nebenprodukten vor: Nahezu immer ist gewünscht, dass der Kunde über ein Gehaltskonto bei der kreditgebenden Bank verfügt und eine Kreditrestschuldversicherung abschließt oder eine bereits vorhandene Er- und Ablebensversicherung einsetzt.

Wie günstig ein Kredit ausfällt, hängt nicht zuletzt auch davon ab, ob man gerade zur rechten Zeit am rechten Ort anfragt: Je nach Geschäftsstrategie hat ein Institut vielleicht die Vorgabe, sein Kreditvolumen zu vergrößern, während die Konkurrenz potenziellen Kreditnehmern eher abwinkt.

Das wirkt sich nicht nur bei den Kreditzinsen aus, sondern auch bei den Nebengebühren, also den Kosten für die Kontoführung und die Bearbeitung, bei denen die Bankmitarbeiter oft noch am ehesten ein wenig „nachgeben“ können. Es gilt also: Prinzipiell immer das Terrain für mögliche Nachlässe sondieren; aber wenn eine Bank partout nicht will, bringt auch hartnäckiges Nachbohren nichts.

Tabelle: Hypothekarkredite

Neues Gesetz für Verbraucherkredite

Seit 11. Juni dieses Jahres gilt das neue Verbraucherkreditgesetz, das im Sinne der Konsumenten einige wichtige Neuerungen bei Krediten, Kontoüberziehung, Ratenzahlung und Leasing vorsieht. Verbessert wurden unter anderem Rücktrittsrecht, Rückzahlungsmodalitäten und Informationspflichten, was eine europaweite Vergleichbarkeit ermöglichen soll.

Zu den wichtigsten Punkten zählen:

  • Die verpflichtende Angabe eines Effektivzinssatzes: Dies ist in Österreich bei Bankkrediten schon lange der Fall, gilt jetzt aber zum Beispiel auch für Leasingverträge.
  • Europäisches Standardinformationsblatt: Damit soll der Kunde Angebote anhand von einheitlich definierten Kennzahlen – beispielsweise effektiver Jahreszins und Gesamtbetrag – europaweit vergleichen können.
  • Ein 14-tägiges Rücktrittsrecht: Bislang war ein Rücktritt überhaupt nicht möglich. Hypothekarkredite und Leasingverträge sind davon aber weiterhin ausgenommen.
  • Die vorzeitige Rückzahlung: Ab sofort können die weit verbreiteten variabel verzinsten Kredite vorzeitig zurückgezahlt oder umgeschuldet werden – Pönalen oder sonstige Strafkosten sind nicht mehr erlaubt. Ausnahmen gibt es bei Fixzinssatzkrediten, wo eine gewisse Entschädigung vereinbart werden darf, und bei Hypothekarkrediten: Hier kann im Vertrag eine Kündigungsfrist von maximal sechs Monaten festgelegt werden.

Was bedeutet ...

… Referenzzinssatz: Repräsentativer, meist kurz- bis mittelfristiger Zinssatz, an dem sich die Marktzinssätze orientieren. Die Oesterreichische Nationalbank veröffentlicht z.B. monatlich den Durchschnittswert der beiden Finanzmarktindikatoren Euribor (3 Monate) und Sekundärmarktrendite Emittenten gesamt.

Die Banken richten die an ihre Kunden weitergegebenen Guthabenund Kreditzinssätze nach diesen Referenzzinssätzen aus; manche bedienen sich dazu auch eines gemischten Wertes.

… Euribor: Der Euribor (European Interbank Offered Rate) ist jener Zinssatz, zu dem sich Banken untereinander Geld leihen. Er orientiert sich am Leitzinssatz der EZB (Europäischen Zentralbank) und ist somit europaweit gültig.

… Sekundärmarktrendite (SMR): Die SMR orientiert sich an der durchschnittlichen Rendite der an der Wiener Börse notierenden Anleihen. Historisch gesehen lag die SMR bisher meist über dem Euribor.

Referenzzinssatz zählt langfristig

Wichtiger noch als der aktuelle Zinssatz für einen Kredit ist derzeit (aufgrund der niedrigen Zinsen) die langjährige Durchschnittsentwicklung, und da schneiden Kredite, die sich an einer Mischung aus Sekundärmarktrendite (SMR) und 3-Monats- Euribor orientieren, günstiger ab.

Beispiel für die Entwicklung von Wohnbaukrediten je nach Referenzzinssatz anhand realer Angebote, Annahme: Finanzierung von 100.000 Euro.

Anbieter A

Aufschlag auf den Referenzzinssatz 3-Monats-Euribor: 2 %

  • Euribor aktuell: 0,68 %, Kreditzinssatz aktuell somit: 2,68 %
  • Euribor langjährig: 3,3 %, Kreditzinssatz langjährig somit: 5,3 %

Anbieter B

Aufschlag auf den Referenzzinssatz SMR Emittenten ges. + 3-Monats-Euribor: 1,25 %

  • Euribor aktuell 0,68 %, SMR aktuell 2,45 %, Mittelwert: 1,565, Kreditzzinssatz aktuell somit: 2,815 %
  • Euribor langjährig 3,3 %, SMR langjährig 3,8 %, Mittelwert 3,55 %, Kreditzinssatz langjährig somit: 4,8 %

Fazit:

–> Aktuell haben Kreditnehmer bei Anbieter A einen Zinsvorteil von 135 Euro.

–> Langfristig haben Kreditnehmer bei Anbieter B einen Zinsvorteil von 500 Euro pro Jahr.

Zusammenfassung

  • Günstig, aber große Bandbreite. Auch wenn Kredite derzeit insgesamt noch sehr günstig sind, gibt es doch große Unterschiede zwischen den Angeboten.
  • Referenzzinssatz ansehen. Aktuell niedrige Kreditzinsen können bei steigendem Zinssatz langfristig das teurere Angebot sein.
  • Nebenkosten beachten. Selbst bei wenigen Euro mehr pro Jahr kommen über die gesamte Laufzeit mehrere Hundert Euro zusammen, daher hohe Kontoführungs- und Bearbeitungsgebühren nicht einfach hinnehmen.

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