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Private Pflegeversicherung - Überflüssig

Vorsorgen für das Alter hat Sinn. Das gilt nicht unbedingt für private Pflegeversicherungen.
Nicht mehr allein essen und sich anziehen können oder im Bett dem Ende entgegendämmern: Viele haben Angst davor, geredet wird darüber wenig. „Wer wird sich um Ihre Bedürfnisse kümmern, wenn Sie selbst das nicht mehr können?“, fragt die Wiener Städtische im Werbeprospekt. Die VJV stößt ins gleiche Horn: „Wir werden älter, aber nicht gesünder.“ Ungewiss sei es, wie die Pflege älterer Menschen zu bewältigen sein wird, meint die Austria-Collegialität.

Versorgungslücke herbeigeredet

Die Quelle-Versicherung behauptet, dass zwischen gesetzlichem Pflegegeld und den tatsächlichen Kosten für die Pflege eine Lücke klafft – die nun auch in Österreich durch Angebote privater Versicherer geschlossen werden soll. Ein eigenes Produkt bietet lediglich die Quelle-Versicherung, VJV und Austria offerieren die Pflegeversicherung als Zusatz bei der privaten Krankenversicherung, die Wiener Städtische als Zusatz zur Lebensversicherung. Stimmen die Horrorszenarien oder soll hier Panikmache das Geschäft ankurbeln?

Lebenserwartung in Europa stark gestiegen

Gewiss ist nur, dass die Lebenserwartung in Europa in den letzten Jahrzehnten stark gestiegen ist. Ungewiss ist, wie stark der Bedarf an Pflege im Alter tatsächlich sein wird. Österreichische Schätzungen für das Jahr 2030 schwanken von 650.000 bis 950.000 Personen, je nachdem, wie sich eine verbesserte Vorsorgemedizin auswirken wird.

Staatliches Angebot

Auch ist das staatliche Angebot in Österreich nicht so mies, wie einige private Versicherungen es gerne darstellen: 1993 wurde das gesetzliche Pflegegeld eingeführt (siehe dazu: "Das Pflegegeld"). Es hat sich offenbar bewährt: Eine Studie ergab, dass drei Viertel aller Bezieher damit zufrieden sind, besonders die schwerer Gehandikapten.

Wird man zum Pflegefall und hat nicht privat vorgesorgt, droht laut VJV ein schreckliches Los: „Öffentliche Pflegeheime sind nicht gerade eine erstrebenswerte Alternative zur vertrauten Umgebung.“ Das stimmt so nicht: Weder sind öffentliche Pflegeheime heute noch Orte des Schreckens. Das Wiener Pflegeheim Lainz zum Beispiel hat nicht nur seinen Namen geändert. Im jetzigen Geriatriezentrum Wienerwald sorgt ein vielfältiges Angebot dafür, dass die Alten zwar rasten, nicht aber rosten. Auch sind Pflegeheime nicht mehr unbedingt die Endstation: 1998 konnten 800 der 5000 Betreuten aus dem Geriatriezentrum am Wienerwald wieder nach Hause zurück.

Ein Netz von sozialen Diensten

Weiters werden seit der Einführung des Pflegegeldes vermehrt soziale Dienste angeboten. Heimhilfe oder Krankenpflegepersonal kommen ins Haus. Gerade in den niedrigeren Pflegestufen (siehe dazu: "Das Pflegegeld") ist Betreuung in der vertrauten Umgebung möglich und üblich. Reicht das Pflegegeld nicht aus, sollte der Rest über die Sozialhilfe abgedeckt werden. Das ist bei schwer Pflegebedürftigen in Heimen fast immer der Fall. In Wien kostet ein Platz im Pflegeheim mehr als 30.000 Schilling im Monat. Das zahlt aber kaum jemand; was der Betreute nicht aufbringen kann, übernimmt die öffentliche Hand.

Unbegründete Angst

Die Angst, als Betagter oder Behinderter vor dem Nichts zu stehen, ist also unbegründet. Natürlich ist es hilfreich, wenn man dann auf Erspartes zurückgreifen kann. Etwas mehr Komfort oder Unterstützung, als die staatlich finanzierte Betreuung leistet, verschafft gewiss ein Mehr an Lebensqualität. Doch eine spezielle Versicherung braucht es dazu nicht.

Beim Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs sieht man übrigens keinen Markt für private Pflegeversicherungen. Das Risiko sei zu schwer zu kalkulieren: „Dazu müssten Versicherer die Familiengeschichte des Versicherten erheben lassen. Und das dürfen sie aus Datenschutzgründen nicht.“ Das ist auch besser so.

Pflege-stufe

Anzahl Be-zieher

Leistung in öS

durch-schnittlicher Pflegebedarf in Stunden

typische Zielgruppe

1

39.098

2.000,–

mehr als 50 im Monat

benötigt eher Hilfe im Haushalt

2

118.78

3.688,–

mehr als 75 im Monat

„Alters-pflegefall“

3

58.109

5.690,–

mehr als 120 im Monat

z. B. Rollstuhlfahrer ohne Inkontinenz und mit voll funktions-fähigen Armen, schwer Sehbehinderte

4

25.583

8.535,–

mehr als 160 im Monat

z. B. Blinde

5

20.117

11.591,–

mehr als 180 im Monat, außer-gewöhnlicher Pflege-aufwand

z. B. Taubblinde, Rollstuhlfahrer mit Handicap an den Armen

6

4.456

15.806,–

mehr als 180 im Monat, zielgerichtete Bewegung von Armen und Beinen möglich

zeitlich nicht koordinierbare Betreuung bei Tag und Nacht nötig

7

3.027

21.074,–

mehr als 180 im Monat, außer keine ständige Anwesenheit einer Pflegeperson nötig

auf lebens-notwendige Hilfsmittel angewiesen (z.B. Beatmungs-gerät)

Gesamt 269.171 1)

       

Zeichenerklärung: 1) Stand: Oktober 1999; die rund 50.000 Empfänger von Landespflegegeld (Pflegebedürftige ohne eigene Pension) sind nicht enthalten

Quelle: u. a. Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger

 

Am Markt vorbei - Die Quelle-Versicherung zahlt nur bei schwerer Pflegebedürftigkeit.

Das Angebot . Abgeschlossen werden kann diese Pflegezusatzversicherung zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr. Wird der Versicherte pflegebedürftig, zahlt die Versicherung eine monatliche Pflegerente, die bei Unfall verdoppelt wird.

Der Haken . Diese Leistung gibt es erst ab Pflegestufe 5 des gesetzlichen Pflegegeldes. Der Großteil der Pflegegeldbezieher ist jedoch in niedrigeren Stufen eingereiht. In der Praxis beziehen betagte Menschen, wenn überhaupt, nur im allerletzten Lebensabschnitt für wenige Monate Pflegegeld der Stufen 5 bis 7. Ein Beispiel. Frau M. schließt mit 65 Jahren diese Versicherung ab und zahlt jeden Monat 1593 Schilling Prämie ein, um im Ernstfall eine Pflegerente von 30.000 Schilling monatlich zu erhalten. Mit 75 erleidet Frau M. einen Schlaganfall, sie erhält Pflegegeld der Stufe 2.

Die private Versicherung zahlt noch nicht . Frau M. ist pflegebedürftig, sie erhält aber kein Pflegegeld von der Quelle-Versicherung, im Gegenteil: Sie muss weiterhin die 1593 Schilling monatliche Prämie zahlen. Das Geld könnte sie für zusätzliche Hilfsdienste besser gebrauchen.

Der Versicherungsfall tritt ein . Mit 80 hat sich der Zustand von Frau M. dramatisch verschlechtert. Sie wird auf Pflegestufe 5 eingereiht, die Quelle-Pflegeversicherung zahlt ihr monatlich 30.000 Schilling. Nach fünf Monaten stirbt Frau M.

Ernüchternde Bilanz . Einbezahlt hatte Frau M. 286.740 Schilling. Erhalten hat sie davon nur 150.000. Hätte sie das Geld auf ein Sparbuch mit drei Prozent Verzinsung gelegt, hätte sie nach 15 Jahren rund 341.000 Schilling beisammengehabt. Oder sie hätte immerhin schon über 240.000 Schilling verfügen können, als sie mit 75 Jahren erstmals pflegebedürftig wurde.

Besondere Enttäuschung. Frau M. hatte gehofft, dass die private Pflegeversicherung ihr das Pflegeheim erspart und sie daheim bleiben kann. Tatsächlich musste sie doch in ein Heim: In den Pflegestufen 5 bis 7 ist häusliche Pflege nahezu nicht mehr zu bewerkstelligen.

Nur für den schlimmsten Fall. Bei der Quelle-Versicherung verweist man darauf, dass die Pflegeversicherung nur die schwersten Fälle von Pflegebedürftigkeit abdecken soll. Wenn auch bei niedrigeren Pflegestufen gezahlt würde, käme die Prämie zu teuer. Fazit: Der „Normalfall“ ist hier nicht versichert!

Über alles Wichtige zum gesetzlichen Pflegegeld informiert die Broschüre „Pflege“. Reihe Einblick Nr. 5 vom Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales

Zu bestellen über das Sozialservice: Vorwahl der jeweiligen Landeshauptstadt plus 1775.

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