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Private Krankenversicherung - Der Zufall regiert

Private Krankenversicherer können Personen mit Vorerkrankungen als Kunden ablehnen. Die Auswahlkriterien sind allerdings sehr undurchsichtig.

Ist man einmal drinnen, bleibt’s dabei: Anders als eine Rechtsschutz-, Kasko- oder Unfallversicherung kann der Versicherer eine Krankenzusatzversicherung im Schadensfall nicht kündigen. Dementsprechend kritisch mustern die Assekuranzen daher neue Kunden. Am liebsten sind ihnen kerngesunde junge Leute. Wer unter schweren Krankheiten leidet oder gelitten hat, hat keine Chance auf eine Polizze.

Testpersonen mit Vorerkrankungen

Wir haben im Auftrag der Arbeiterkammer Wien untersucht, wie die Anbieter von Zusatzkrankenversicherungen Anträge von Personen mit Vorerkrankungen behandeln. Dazu ließen wir vier Testpersonen bei Beratern aller sieben Versicherungsanstalten nach zwei Tarifen fragen: nach dem österreichweiten Stationärtarif für ASVG-Versicherte (Sonderklasse im Spital) und nach dem Privatarzttarif.

Allergien, Übergewicht, Bluthochdruck

Eine Mutter suchte für ihren 3-jährigen Sohn (A) an, der im Jahr davor wegen Bronchitis ins Spital musste und möglicherweise eine Allergie gegen Gräserpollen und Hühnereiweiß hat. Eine 23-jährige Testperson mit starkem Übergewicht (B) wird wegen einer Schilddrüsenunterfunktion behandelt. Zu viel Gewicht schleppt auch unser 40-jähriger Tester (C) mit sich herum, dazu wurden Bluthochdruck und erhöhte Leberwerte festgestellt, außerdem erlitt er vor kurzem einen Knochenbruch. Die 43-jährige Testerin (D) plagen ein Restless-Legs-Syndrom (RLS), eine Penicillin-Allergie und Divertikel (Ausstülpungen des Darms).

Unsere Testpersonen hatten somit teils erhebliche, aber keine unmittelbar lebensbedrohenden gesundheitlichen Probleme. Die Befunde zu den Vorerkrankungen wurden den Versicherern von allen Testpersonen zur Verfügung gestellt.

Bei allen Anbietern anklopfen

Kein Schnäppchen

Billig sind Zusatzkrankenversicherungen nicht. Die Bandbreite der Monatsprämien (ohne Selbstbehalt, Stationärtarif für gesunde Neueinsteiger) reicht beispielsweise von 77,84 Euro für einen 28-jährigen Mann bei Muki bis zu 165,94 Euro (Frau, 43) bei der Allianz.

Grundsätzlich gilt: Je jünger, desto preiswerter; Frauen zahlen mehr als gleichaltrige Männer. Aber diese Normtarife sind nur Richtwerte. Wie unsere Erhebung zeigt, müssen Personen mit Vorerkrankungen oft höhere Prämien in Kauf nehmen, wenn sie sich privat krankenversichern wollen. Hier gehen die Versicherer nicht nach einheitlichen Kriterien vor.

Polizze? Ja, aber …

Auffällig wird die unterschiedliche Vorgangsweise beim Antrag für das dreijährige Kind. Er wurde zwar im Prinzip von allen Anbietern angenommen, aber zu recht unterschiedliche Konditionen. Allianz, Generali und Uniqa sagten bedingungslos Ja. Die Donau verlangte eine um 70 Prozent höhere Prämie. Die zum gleichen Konzern gehörende Wiener Städtische hingegen akzeptierte die normale Prämie und verzichtete sogar auf die Wartezeit (so nennt man die Frist, die normalerweise zwischen Abschluss der Versicherung und erstmaliger Inanspruchnahme liegen muss).

Die Merkur forderte ebenfalls um 20 Prozent mehr und schränkte den zuvor angebotenen Erlass der Wartezeit wieder ein. Der Verein muki schloss Leistungen für Allergien aus und verlängerte für Bronchitis die Wartezeit auf 36 Monate.

Gleicher Befund, uneinheitliche Reaktion

Das identische Krankheitsbild führte also zu völlig unterschiedlichen Einschätzungen seitens der Versicherer. Wer Vorerkrankungen hat und sich krankenversichern möchte, sollte unbedingt bei allen Anbietern anklopfen. Das tat auch unsere 23-jährige Testerin B – und holte sich bei allen Versicherern kalte Füße. Die Ablehnung fiel recht unterschiedlich aus. Allianz, Merkur und Wiener Städtische gaben keine konkrete Begründung an. Muki und Merkur führten vor allem das starke Übergewicht ins Treffen, Generali ebenfalls (auf Nachfrage). Die Donau hüllte sich zunächst in Schweigen und lehnte dann auf Nachfrage ab.

Seitens der Uniqa wurde erst ein Vertrag (allerdings mit verlängerte Wartezeit für Schilddrüsenunterfunktion) in Aussicht gestellt. Sogar der Abbuchungsauftrag war schon unterschrieben. Doch dann lehnte der Versicherer wegen des Übergewichts ab.

Unterschiedliche Bewertungen

Begründung ausständig 

Unser 40-jähriger Tester C wurde von vier Anstalten (Donau, Generali, Merkur und Wiener Städtische) als Kunde abgelehnt. Konkrete Begründung wurde keine gegeben. Die Wiener Städtische verwendete übrigens für die Ablehnung die Floskel: "Unsere ablehnende Stellungnahme … stellt keine Beurteilung des derzeitigen Gesundheitszustandes dar und ist einem individuellen ärztlichen Befund in keiner Weise gleichzusetzen."

Unterschiedliche Bewertungen

Drei Versicherer akzeptierten diesen Kandidaten trotz seiner Vorerkrankungen, allerdings mit Prämienzuschlägen. Die Allianz verteuerte die Prämie um insgesamt 55 Prozent: 30 Prozent wegen des Gewichts, 25 Prozent wegen Fettstoffwechselstörung und Bluthochdruck (dafür muss der Kunde auch 9 Monate Wartezeit in Kauf nehmen); Spätfolgen des Knochenbruchs sind für ein Jahr ausgeschlossen.

muki schloss die Folgen des Knochenbruchs für 36 Monate aus und verlangte eine um 30 Prozent höhere Prämie. Die Uniqa schließlich schlug auf die Prämie 30 Prozent auf und verlängerte für Bluthochdruck und erhöhte Blutfettwerte die Wartezeit auf 24 Monate. Dabei hatte Tester C Glück gehabt: Die ebenfalls übergewichtige Testerin B war mit ihrem Wunsch nach einer Krankenversicherungen ja überall abgeblitzt.

Nachverhandeln nützt mitunter

Durchwachsen fiel auch die Bilanz unserer 43-jährigen Testperson D aus: Wegen Terminschwierigkeiten konnte sie kein Anbot bei der Uniqa einholen. Sonst erhielt sie nur von der Allianz grünes Licht, allerdings mit Einschränkungen: einer um 20 Prozent höheren Prämie und um 12 Monate verlängerten Wartezeit für Darmerkrankungen. Bei ihren anderen Vorerkrankungen (Restless-Legs-Syndrom, Penicillin-Allergie) würde es keine Leistungen geben, wenn eine Spitalsbehandlung nötig wäre. Der Berater verhandelte nach und erreichte, dass die Vorerkrankungen wenigstens im Privatarzttarif (nicht aber im Spitalstarif) abgesichert sind.

Langfristig planen

Mehrere Offerte einholen

Diese Erfahrungen zeigen: Gerade wer schon vom einen oder anderen Wehwehchen geplagt wird, sollte unbedingt bei allen Anbietern von Zusatzkrankenversicherungen anklopfen. Mit Vorerkrankungen gehen die einzelnen Anbieter sehr unterschiedlich um. Begründung für eine Ablehnung wird oft keine gegeben. Nachfragen sollte man da schon. Und natürlich kann ein engagierter Berater auch noch nachverhandeln und vielleicht bessere Konditionen herausholen.

Schummeln lohnt sich nicht

Mitunter werden wie im Fall von Tester C auch Prämienermäßigungen versprochen, falls sich eine Erkrankung (wie hier das Übergewicht) bessern sollte. Abzuraten ist davon, bei den Gesundheitsangaben im Antrag auch nur ein bisschen zu schummeln. Wird eine dem Versicherer verschwiegene Vorerkrankung virulent, muss dieser nicht zahlen.

Langfristig planen

Wer eine Zusatzkrankenversicherung abschließen will, muss sich darüber im Klaren sein, dass dies eine langfristige Entscheidung sein sollte. Kündigt man und will sich später nochmals versichern lassen, ist eine neuerliche Gesundheitsprüfung zu absolvieren. Außerdem wird wegen des höheren Einstiegsalters die Prämie dann sicher teurer.

Steigende Prämien, bescheidene Leistungen

Prinzipiell steigt die Prämie aber jedes Jahr, und das nicht wenig. Ärgerlich fanden wir, dass unseren Testern gegenüber der Eindruck erweckt wurde, die genannten Prämienhöhen wären für ewige Zeit in Stein gemeißelt. Vor Abschluss einer Zusatzkrankenversicherung sollte daher unbedingt geklärt werden, ob man sich die monatliche Prämienzahlung ein Leben lang leisten kann oder will.

Dabei ist auch einzukalkulieren, dass die Leistungen bei manchen Tarifen (Privatarzt, Zahnversicherung) sehr bescheiden ausfallen, weil die Behandlungskosten nur anteilig übernommen werden und außerdem mit einem Jahreslimit gedeckelt sind. Wer bereits privat krankenversichert ist, sollte vor einer kostspieligen Behandlung nach Möglichkeit eine schriftliche Deckungszusage des Versicherers einholen.

Sparpotential

So können Sie die Kosten einer privaten Zusatzkrankenversicherung senken:

Tarifauswahl: Der Regionaltarif für das eigene Bundesland kommt günstiger als ein österreichweiter Tarif. Wer Leistungen für alle Spezialisten oder Unikliniken will, benötigt allerdings den teureren Österreichtarif. Nur Tarifbausteine wählen, die man wirklich braucht. Ein Zahnkostentarif beispielsweise zahlt sich oft nicht aus, weil die Kosten nur zum Teil und nur bis zu einer bestimmten Höhe pro Jahr übernommen werden. Das Krankenhaus-Taggeld bringt Angestellten und Beamten nichts, weil ihr Gehalt ohnedies weiterläuft. Bei Zusätzen für Wellness und Vorsorge das Kosten-Nutzen-Verhältnis hinterfragen.

Prämienrückgewähr: Nimmt man in einem Jahr (in manchen Verträgen sind es zwei Jahre) keine Leistung in Anspruch, zahlt der Versicherer einen Teil der Prämie zurück. Kleinere Arztrechnungen daher nicht beim Versicherer einreichen, sondern selbst begleichen.

Selbstbehalt: In unserer Erhebung haben wir Selbstbehalte von ca. 500 bis 1.500 Euro jährlich festgestellt. Übernimmt man diese Beträge selbst, spart das zwischen 30 und 60 Prozent der Prämie.

Optionstarif: Junge Menschen, die noch gesund sind, zahlen nur eine geringe Prämie und verzichten vorläufig auf Leistungen. Bis zum Alter von 40 bis 45 Jahren (je nach Versicherer) ist der Umstieg auf den Normaltarif ohne neuerliche Gesundheitsprüfung möglich. Auch beim Normaltarif kommt die Prämie dann wegen des frühen Einstiegs günstiger. Sinnvollerweise sollte dieser Tarif mit dem Tarifbaustein "Sonderklasse nach Unfall" kombiniert werden, denn laut Statistik müssen jüngere Menschen eher nach einem Unfall ins Spital.

Rabatte: Schließen (Ehe-)Paare oder Familien mit Kindern gemeinsam eine Zusatzkrankenversicherung ab, sind Ermäßigungen bis zu zehn Prozent möglich. Preiswerter sind auch Gruppenversicherungen über Arbeitgeber oder Betriebsrat. Scheidet man aus dieser Gruppe aus, muss der Versicherer einen Einzelvertrag auf Basis von Alter und Gesundheitszustand beim Eintritt in die Gruppe anbieten.

Tabelle: für ASVG-Versicherte

Tabelle: für BVA-Versicherte

Tabelle: für GSVG-Versicherte

Infografik: Zusatzkrankenversicherer

Hier die Versicherungsleistungen für unsere Testpersonen mit Vorerkrankungen.

Die Grafik zeigt, ob eine Versicherung überhaupt akzeptiert wurde und wenn ja, mit welchen Prämienzuschlägen, zusätzlichen Wartezeiten und/oder Leistungsausschlüssen. (Klicken Sie auf das Vorschau-Bild)

(Bild: VKI)

Sie können die Grafik auch als PDF-Datei herunterladen.

Zusammenfassung

  • Offerte vergleichen. Bei der Beurteilung von Vorerkrankungen legen private Krankenversicherer unterschiedliche Kriterien an. Daher bei allen Anbietern Offerte einholen.
  • Wahrheitsgetreu antworten. Werden Vorerkrankungen verschwiegen, muss der Versicherer nicht zahlen, wenn die Krankheit neuerlich auftritt.
  • Auf Leistbarkeit achten. Prämien von Zusatzkrankenversicherungen sind generell hoch. Man sollte daher vorab prüfen, ob man sie sich fürs ganze Leben leisten kann und will.
  • Deckungszusage. Vor einer teuren Behandlung Okay des privaten Krankenversicherers einholen.
  • Sparmöglichkeiten nützen. Günstigere Regionaltarife, Verzicht auf Taggeld- Tarif, Prämienrückgewähr, wenn man keine Leistung in Anspruch nimmt, Selbstbehalt, Optionstarife für junge Menschen, Rabatte für Familien oder für ganze Firmenbelegschaften (Gruppenversicherung).

Kommentar von V. Kaiser: Roulette der Sonderklasse

 Veronika Kaiser (Bild: Wilke)
E-Mail: Redakteurin
Veronika Kaiser

Wer eine Zusatzkrankenversicherung hat, wird von einem "fertig ausgebildeten Arzt" in "privater Hotelatmosphäre" behandelt, schreibt der Marktführer Uniqa in seiner Werbebroschüre. Privatpatienten dürften eine zweite Meinung einholen, ob eine Operation wirklich notwendig ist.

Promi-Primar?

Nun, auch einfache ASVG-Versicherte werden nicht von Medizinstudenten im dritten Semester operiert. Und selbstverständlich können auch Kassenpatienten bei einem zweiten Arzt nachfragen, ob ein Eingriff sinnvoll ist. Ob aber Zweibettzimmer, OP-Wunschtermin oder Promi-Primar das Geld für die Zusatzkrankenversicherung wert sind, muss jede und jeder selbst entscheiden.

Hürdenlauf

Liegen schon gesundheitliche Probleme vor, wird der Abschluss einer solchen Versicherung jedenfalls zum Hürdenlauf. Denn zuerst muss eine Gesundheitsprüfung absolviert werden. Und die ist ein ziemliches Glücksspiel, wie unsere Erhebung zeigte, bei der vier Testpersonen mit Vorerkrankungen nach einer Zusatzkrankenversicherung fragten. Jeder Versicherer bewertet die Kunden in spe anders und nach nicht immer nachvollziehbaren Kriterien. So wurde eine jüngere weibliche Testerin mit starkem Übergewicht von allen sieben Versicherern abgelehnt. Ein ebenfalls korpulenter Mann hingegen wurde von drei Anbietern akzeptiert – wenn auch zu deutlich höheren Prämien. Bei keiner unserer Testpersonen war eine einheitliche Linie feststellbar.

70 Prozent Prämienzuschlag beim Dreijährigen

Sogar bei unserem dreijährigen Junior-Tester wurden in einem Fall 70 Prozent Prämienzuschlag verlangt, andere Anbieter zeigten sich weniger streng. Den Grund für eine Ablehnung erfuhren unsere Tester nur selten. Oder erst später. So wurde die übergewichtige Testerin von zwei Versicherern im Glauben gelassen, dass sie einen Vertrag erhalten würde. Erst auf Nachfrage wurde ihr die Ablehnung mitgeteilt. Assekuranzen halten sich offenbar gerne bedeckt. Mehr Transparenz wäre hier wohl angebracht!

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