Patienten greifen immer wieder in die eigene Tasche, wenn ihnen Ärzte eine „bessere“ Behandlung versprechen. Bekannt werden Fälle von „Kuvertmedizin“ meist nur, wenn etwas schiefgeht.
Der Fall
Herr S. hat sein Leben lang hart gearbeitet. An beiden Händen sind die Daumengelenke stark abgenutzt. Als die Schmerzen unerträglich werden, entschließt er sich zur Operation der Daumensattelgelenke. Dazu stehen zwei Methoden zur Auswahl: eine Operation, bei der nur körpereigene Sehnen und Gewebe verwendet werden, und ein künstliches Gelenk (Prothese). Ein Wahlarzt empfiehlt ein Kunstgelenk. Er weist den Patienten darauf hin, dass die Prothese weniger belastbar und bruchgefährdeter sei als die körpereigenen Sehnen, der Heilungsprozess aber wesentlich rascher verlaufe. Für „persönliche Betreuung“ verlangt der Chirurg zusätzlich 400 Euro – ohne Rechnung. Herr S. ist irritiert, sagt aber zu. Die Operation verläuft ohne Komplikationen und er ist danach schmerzfrei. Nach vier Wochen wird der Gips entfernt, der Daumen ist wieder voll beweglich.
Kassenarzt empfiehlt andere Operationsmethode
Beim Gelenk an der anderen Hand beschließt Herr S., einen Arzt mit Kassenvertrag aufzusuchen. Dieser empfiehlt ihm die andere Operationsmethode, bei der ausschließlich körpereigenes Gewebe verwendet wird („Interpositions-Arthroplastik nach Epping“). Bei Metallprothesen könne es, so der Arzt, zu Lockerungen kommen, die bereits in etlichen Fällen eine neuerliche Operation notwendig gemacht hätten. Herr S. wird darüber aufgeklärt, dass die Operation schmerzhaft sein könne und der Daumen erst nach ein bis eineinhalb Jahren wieder voll funktionstüchtig sein werde.
Wahlarzt verschiebt die OP
Herr S. kehrt zum Wahlarzt, der die erste Operation durchgeführt hatte, zurück. Der verlangt diesmal 450 Euro im Kuvert. S. verweist auf seine geringe Pension und sagt, er könne nur 400 Euro zahlen. Am Tag vor der OP informiert ihn der Arzt, dass die Prothese nicht geliefert worden sei und er die Operation verschieben müsse. Nachdem er weitere Wochen vertröstet wurde, kehrt Herr S. zu seinem Kassenarzt zurück. Bis heute wird er das Gefühl nicht los, dass die Prothese ein Patient bekommen hat, der bereit gewesen ist, 450 Euro zu zahlen.