„Jessas, wo ist mein Börsel“, rief Herr Diplomingenieur Peter. Er wollte sein Büro verlassen, schlüpfte in seine Jacke und kramte dort nach seinem Geld. Doch er griff ins Leere. Mit der Barschaft von rund tausend Schilling war auch die Bankomatkarte futsch. So rief er beim Sperrnotruf an, um seine Karte sperren zu lassen. Selbstverständlich hatte er seinen Code nicht im Börsel gelassen. Doch zur Sicherheit ließ er sich am nächsten Morgen bei seiner Bank, der Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien, einen Kontoauszug ausdrucken.
Bankomatmissbrauch - Hüten wie seinen Augapfel
Gewaltiger Verlust. Er glaubte, seinen Augen nicht zu trauen. Der unbekannte Gauner hatte tatsächlich den Code geknackt! Und sich auch vom Konto bedient, und zwar ausgiebig. Nachdem er 5000 Schilling aus einem Bankomaten gezogen hatte, war der unbekannte Täter zu einem Foyerautomaten der Raiffeisenbank gegangen und hatte in Minutenabständen jeweils 30.000 Schilling behoben. Jetzt klaffte auf Herrn Peter’s Konto ein Loch von 155.000 Schilling. Er erstattete Anzeige bei der Polizei.
Wir vermuten einen Defekt. Herr Peter wusste, dass unsere Rechtsabteilung dem Missbrauch von Bankomatkarten nachgeht. Denn wir halten den PIN-Code keineswegs für todsicher. Auch wenn ihn der Kartenbesitzer geheim hält: Es ist nicht auszuschließen, dass er errechnet oder ausspioniert werden kann. Hier kam vermutlich noch ein Defekt am Foyer-Selbstbedienungsautomaten dazu. Denn im Informationsblatt der Raiffeisenbank NÖ-Wien war nur von einer täglichen Behebungsmöglichkeit von 30.000 Schilling die Rede. Daher suchten wir das Gespräch mit der Bank.
Eine Schwachstelle im System. Dabei stellte sich heraus: Es lag mitnichten ein Defekt am bankeigenen Geldausgabeautomaten vor, sondern die Raiffeisenbank NÖ-Wien hatte dort klammheimlich das Behebungslimit erhöht. Nun ist es möglich, das gesamte Konto abzuräumen. Diese Funktion kann man auch nicht sperren lassen. Allerdings wurden die Kunden der Raiffeisenbank NÖ-Wien davon nicht verständigt. Viele Konsumenten lehnen jedoch die Erhöhung der Bezugslimits ab, wie unsere Leserlobby zeigte (siehe weitere Artikel: „Plastikgeld“ [Konsument 5/2000]).
Gefahr für Raiffeisen-Kunden. Immerhin versprach Raiffeisen, Herrn Peter 120.000 Schilling zu refundieren. Denn im Werbeblatt stand ja, dass man täglich nur 30.000 Schilling abheben kann. Die Bankomatenbetreiberfirma zahlte 5000 Schilling in Kulanz zurück. Wir können allen Kunden der Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien nur raten, ihre Geldbezugskarte zu hüten wie ihren Augapfel. Auf dem restlichen Schaden von 30.000 Schilling wird Herr Peter wohl sitzen bleiben. Außer, wenn der unbekannte Dieb doch noch ausgeforscht wird.
Namen betroffener Konsumenten wurden von der Redaktion geändert.