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AWD-Sammelklage - Ruiniert statt optimiert

Tausende Kunden des „unabhängigen Finanzoptimierers“ AWD haben durch fragwürdige Anlageempfehlungen Geld verloren. Die Schadenssumme liegt hochgerechnet bei 65 Millionen Euro. Für manche Konsumenten ist der Verlust existenzbedrohend.

„Ich stehe vor einem finanziellen Desaster und mein AWD-Berater, der mir Immofinanz- Aktien als sichere Bank empfohlen hat, ist plötzlich nicht mehr erreichbar ...“

Das waren die ersten Beschwerden, die berühmte Spitze eines Eisbergs, wie sich später herausstellen sollte. Gemeinsam war den Schilderungen, dass AWD an sich auf Sicherheit bedachten Kunden eigentlich Aktien verkauft und die damit verbundenen Risiken im Beratungsgespräch verschwiegen, die Papiere sogar als besonders sicher angepriesen hatte. In der TV-Sendung Bürgerforum im Oktober 2008 erhoben erboste AWD-Kunden, die durch diese Empfehlung herbe Verluste erlitten hatten, schwere Vorwürfe: Sie seien beim Beratungsgespräch bezüglich des Risikos in die Irre geführt worden.

AWD-Geschäftsführer bedauerte

Der anwesende AWD-Geschäftsführer bedauerte und wies alle Vorwürfe zurück. War den geschädigten Kunden zu helfen? Das sollte in einer Sammelaktion geklärt werden, die der VKI – im Auftrag des Konsumentenschutzministeriums – daraufhin in die Wege leitete.

6500 Betroffene haben sich beim VKI gemeldet (Foto: VKI/Karl Schreiner)  

Über 170.000 Euro Verlust

Auch Herr Ing. Robert K. hatte Bekanntschaft mit einem AWD-Berater gemacht und zählt nun zu den Geschädigten. Er benötigte eine Finanzierung für Grundkauf und Hausbau. In den Jahren 2006 und 2007 nahm er zwei Fremdwährungskredite in Höhe von insgesamt 430.000 Euro auf. Die Eigenmittel in Höhe von 250.000 Euro investierte er auf AWD-Empfehlung in Aktien von Immofinanz und Immoeast. Der Ertrag der Aktien sollte es ihm ermöglichen, problemlos zunächst die Zinsen und in weiterer Folge auch einen nennenswerten Teil der Kapitaltilgung abzudecken.

„Mündelsicher“

Der Berater sagte die absolute Sicherheit dieser Veranlagung zu und bezeichnete sie ausdrücklich und ohne jede Einschränkung als „mündelsicher“. Er garantierte sogar einen Wertzuwachs von mindestens 5,5 bis 6 Prozent jährlich. Kapitalverlust? Völlig unmöglich, war die Antwort. Das tatsächliche Risiko war kein Thema, andernfalls hätte sich Herr Ing. K. wohl nie zum Kauf der Aktien entschlossen, sondern die Eigenmittel direkt für Grundkauf und Hausbau verwendet. Zum Kurs von 8,25 Euro hatte er die Aktien gekauft, am 22.12.2008 lagen die Kurse bei 0,44 Euro (Immofinanz) bzw. 0,50 Euro ( Immoeast). Verlust: etwas über 170.000 Euro.

Systematische Beratungsfehler

Mit seiner Erfahrung steht Herr Ing. K. nicht alleine da. Innerhalb weniger Wochen hatten 3.000 Geschädigte ihre Fälle geschildert und Interesse an einer Sammelklage bekundet. Die Auswertung zeigte Parallelen, die systematische Beratungsfehler des AWD vermuten lassen. Aufgrund der Beschwerden ist davon auszugehen, dass AWD-Berater seit Ende der Neunzigerjahre Immofinanz-Aktien als besonders „sicheres und ertragreiches“ Produkt, in vielen Fällen sogar – unter Berufung auf entsprechende Gutachten – als "mündelsicheres Investment“ angepriesen haben.

Gesamtes Vermögen veranlagt

In vielen Fällen wurde das gesamte Vermögen ausschließlich in Immofinanz- oder jedenfalls in Immobilienaktien veranlagt. Oft wurden die Aktien scheinbar als „ Immobilienfonds“ bzw. als Anteil an einem Immobilienfonds tituliert und das Wort "Aktie“ bewusst vermieden. Von "Kapitalgarantien“ sei die Rede gewesen und kein Wort von der Möglichkeit eines Totalverlustes berichteten Geschädigte. Als die Kurse zu sinken begannen, haben AWD-Berater angeblich bis zum Schluss geraten, die Aktien zu behalten, ja sogar vorgeschlagen, weitere zu kaufen.

Keine außergerichtliche Einigung

Es folgte ein Gespräch des VKI mit dem AWD, um die Möglichkeit einer außergerichtlichen Einigung abzuklären. Diesem Vorschlag konnte der AWD nichts abgewinnen. Zehn beispielhafte Fälle prüfte der AWD, die Reaktion: Systematische Beratungsfehler könne man nicht erkennen, schließlich hätten die Anleger durch ihre Unterschrift auf den Beratungsprotokollen bestätigt, sich des Risikos bewusst zu sein (das im Beratungsgespräch aber nach Angaben der AWD-Kunden verharmlost oder gar geleugnet wurde). Gerade einmal in sozialen Härtefällen wollte sich der AWD – kurz vor Weihnachten – großzügig zeigen und teilweise Ersatz leisten. Darüber hinaus lehnte der „unabhängige Finanzoptimierer“ alle Forderungen ab.

Bei 6.500 Fällen Sammelaktion beendet

Bald war die Zahl der gemeldeten Fälle auf 4.500 gestiegen. Die ursprünglich bis 15. Februar befristete Sammelaktion wurde um eine Woche verlängert, nachdem aufgrund der Medienberichterstattung täglich Hunderte neue Fälle hinzukamen. Bei 6.500 Fällen wurde die Sammelaktion beendet. Der AWD holte zum medialen Gegenschlag aus und bezeichnete die VKI-Aktion als „Hexenjagd gegen ein renommiertes Unternehmen“. Nach wie vor wolle man seitens des AWD jeden Fall einzeln prüfen, dass man "auf Zeit“ spiele, sei dezidiert auszuschließen. Wie lange eine solche Einzelprüfung von 6.500 Fällen dauern würde, könne man aber nicht sagen.

Klagen ohne Risiko

Jetzt steht möglicherweise der größte Zivilprozess der jüngeren Geschichte bevor. Die 6.500 Geschädigten erhielten mittlerweile vom VKI detaillierte Informationen und ein konkretes Angebot, sich definitiv der Sammelklage anzuschließen. Sie können ihre Schadenersatzansprüche bis spätestens 31.3.2009 dem VKI abtreten. Der VKI bringt diese Ansprüche in mehreren Wellen, gebündelt in Sammelklagen, gegen den AWD ein. Ein Kostenrisiko gibt es nicht. Wird das Verfahren verloren, springt der deutsche Prozessfinanzierer Foris ein. Im Erfolgsfall bekommt Foris eine bestimmte Quote, die letztlich davon abhängt, wie rasch eine Lösung erzielt werden kann. Die Chancen, dass die Geschädigten finanziell mit einem blauen Auge davonkommen, stehen gut.

Nur ein Missverständnis?

Ob Zufall oder nicht – erst kürzlich landete eine Meldung in den Tageszeitungen, dass der AWD ein erstes Verfahren gegen den VKI gewonnen habe. Die Wahrheit ist: Im Zusammenhang mit dem Vorwurf systematischer Beratungsfehler beim Verkauf von Immoaktien hat der VKI kein Verfahren verloren. Vor dem Bezirksgericht für Handelssachen ging es in einem Musterprozess zwischen VKI und AWD um einen völlig anderen Sachverhalt, nämlich um die Umstände der Aufnahme eines Fremdwährungskredits. In erster Instanz wurde die VKI-Klage abgewiesen. Anlass für ein willkommenes Missverständnis? Potenzielle Beteiligte an der Sammelklage sollten sich jedenfalls nicht verunsichern lassen. Zur AWD-Sammelklage gibt es regelmäßig Informationen aus erster Hand auf unserer Website und der Website unserer Rechtsabteilung www.verbraucherrecht.at.

Was ist eine Sammelklage?

"Machen Sie doch eine Sammelklage!", fordern uns immer wieder Leserinnen und Leser auf, die einen ärgerlichen Sachverhalt vor Gericht gebracht sehen wollen. Doch so einfach ist das leider nicht.

Sammelklage nach österreichischem Recht

Eine „Sammelklage“, wie man sie aus den Vereinigten Staaten kennt, gibt es in Österreich nicht. Wenn dieser Begriff bei uns verwendet wird, ist eine „Sammelklage nach österreichischem Recht“ gemeint, ein rechtliches Instrument, das angesichts unbefriedigender Erfahrungen mit Musterprozessen vor rund zehn Jahren vom VKI erfunden wurde. Musterprozesse (Verfahren, in denen ein Sachverhalt beispielhaft an einem Fall abgehandelt wird) können mitunter nämlich so lange dauern, dass die Ansprüche anderer Geschädigter in der Zwischenzeit verjähren.

Ansprüche abtreten

Bei der Sammelklage treten die Geschädigten dem VKI ihre Ansprüche gegen ein und denselben Beklagten ab und der VKI als Kläger bringt alle Ansprüche in einer Klage gegen den Beklagten vor Gericht. Somit landen alle Fälle bei nur einem Richter, der alle Zeugen und Sachverständigen hört und ein Urteil spricht. Das ist nicht nur ökonomisch sinnvoller, sondern auch gut für die Rechtssicherheit: Viele Einzelklagen könnten zu vielleicht gegenläufigen Urteilen führen.

Höherer Streitwert

Der Streitwert einer Sammelklage setzt sich aus den einzelnen Ansprüchen zusammen und ist daher erheblich höher als bei Einzelverfahren. Das führt – im Interesse beider Streitteile – zu einer Kostendämpfung. Hohe Streitwerte ermöglichen auch, das Kostenrisiko durch einen Prozessfinanzierer abdecken zu lassen. Die Geschädigten tragen dann kein Kostenrisiko, müssen sich aber verpflichten, im Erfolgsfall vom erstrittenen Betrag einen bestimmten Prozentsatz (meist um die 30 Prozent) an den Finanzierer abzugeben.

David gegen Goliath

Schließlich tritt man bei der Sammelklage gemeinsam einem wirtschaftlich überlegenen Beklagten gegenüber. Die Erfahrung zeigt, dass sich viele kleine "Davids" gegen "Goliaths" durchsetzen können.

Interview: „Die Chancen stehen sehr gut“

Gespräch mit Dr. Peter Kolba, Leiter der VKI-Rechtsabteilung

Wie schätzen Sie die Erfolgschancen ein?
 VKI-Bereichsleiter Dr. Peter Kolba (Foto: VKI/Karl Schreiner)
Die AWD-Beschwerden füllen
mittlerweile eine Regalwand.
Im Mai werden die ersten Klagen
eingebracht. -
Im Bild Dr. Peter Kolba, Leiter
der VKI-Rechtsabteilung

"Sehr gut. Schließlich steigt ein Prozessfinanzierer nur ein, wenn er die Aussicht, das Verfahren zu gewinnen, für wahrscheinlich hält. Der VKI will den Geschädigten helfen, der Finanzierer will Geld verdienen – und wenn beide Interessen in dieselbe Richtung gehen, dann bekommen Geschädigte, die sonst gar nicht klagen könnten, die Chance, ihre Ansprüche durchzusetzen.

"Wo liegt die Brisanz des Verfahrens?

"Es wird zu klären sein, ob der AWD seiner Werbedarstellung als "unabhängiger Finanzoptimierer“ entsprochen hat oder ob – wie es für uns den Anschein hat – seine Berater nur darauf trainiert waren, Aktien an konservative Anleger als "sicher", "mündelsicher", "sicher wie ein Sparbuch" zu verhökern.

Angelpunkt werden die von den Beratern ausgefüllten und von den Kunden unterzeichneten Gesprächsprotokolle sein. Dort war von den Risken zu lesen – allein in den Gesprächen wurden diese offenbar systematisch nicht erwähnt. Daher stellt sich die Frage: Was zählt mehr – ungelesen unterzeichnetes Kleingedrucktes oder der Inhalt des Beratungsgespräches?"

Kann es sein, dass die Geschädigten zwar recht bekommen, aber letztlich ihr Schaden angesichts der riesigen Summen nicht oder nur zum Teil ersetzt wird?

"Der AWD hat in der Vergangenheit Millionen an Provisionen verdient und muss nun angesichts der Schadenersatzforderungen auch entsprechende Rückstellungen bilden. Wir gehen davon aus, dass der AWD-Konzern die Schäden ersetzen kann, wenn er nur will. Im Übrigen besteht auch eine Haftpflichtversicherung, die zur Zahlung herangezogen werden kann."

Was raten Sie Anlegern, die meinen, durch andere Finanzdienstleister oder auch Banken geschädigt worden zu sein?

"Es gilt ganz allgemein: Schadenersatzansprüche verjähren in drei Jahren ab Kenntnis von Schaden und Schädiger. Man muss also rasch – bei einer Konsumentenberatungsstelle oder einem Anwalt – abklären, ob eine Klage auf Schadenersatz Aussicht auf Erfolg hätte. Will man ohne Risiko klagen, dann braucht man die Deckung einer Rechtsschutzversicherung oder einen Prozessfinanzierer."

AWD in der Werbung

  •  „AWD ist Europas führender unabhängiger Finanzdienstleister. In Deutschland, Österreich und der Schweiz halten wir die Spitzenposition und in Großbritannien sind wir unter den Top 3 der Finanzdienstleister.“
  • „Kunden zu begeistern, steht bei AWD an erster Stelle. Mit innovativen Services rund um das Thema Finanzen.“
  • „Ihre AWD-Garantien. Mehr als nur Versprechungen. Vorteilsgarantie. Individualitätsgarantie. Qualitätsgarantie. Unabhängigkeitsgarantie.“

Erfolgreiche Sammelklagen des VKI

  •  Sammelklagen gegen Reiseveranstalter für Schadenersatz wegen Brechdurchfall-Epidemien in All-inclusive-Clubs: Den Urlaubern wurden zwischen 30 und 50 Euro pro Tag refundiert.
  • Sammelklagen gegen Banken wegen gesetzwidriger Zinsgestaltung bei variabel verzinsten Verbraucherkrediten: Die Geschädigten bekamen rund 70 % der zuviel bezahlten Zinsen zurück.
  • Sammelklage gegen eine Bank als Folge des WEB-Skandals: Die Geschädigten bekamen – rund 20 Jahre nach dem Skandal – immerhin noch rund ein Viertel des Schadens ersetzt.

Was ehemalige AWD-Berater berichten

Bei uns haben sich zahlreiche Ex-AWD-Mitarbeiter gemeldet. Sie bestätigen in wichtigen Punkten die Angaben geschädigter Kunden. Auszüge aus den Gesprächsprotokollen.

... über „Mündelsicherheit“: „Im Rahmen meiner Tätigkeit habe ich auch Immofinanz Aktien vermittelt. Diese wurden den Beratern des AWD von der Bereichsleitung des AWD als ,mündelsichere‘ Anlageform zur Vermittlung empfohlen. Dabei wurde auch auf ein Gutachten verwiesen und dieses in Kopie den Beratern ausgefolgt. Gleichzeitig wurden die Berater jedoch angewiesen, in den Gesprächsprotokollen anlässlich von Vermittlungen diese Anlageform als ,höchst spekulativ‘ anzukreuzen.“

... über die Beratungsgespräche: „Der Gesprächseinstieg zu einem Kunden war eine sogenannte Wirtschaftsanalyse, die zu einer sogenannten Wirtschaftsbilanz führte. Anhand dieser Wirtschaftsbilanz wurde in einem zweiten Gesprächstermin versucht, dem Kunden Produkte zu verkaufen. So wurden Versicherungen optimiert, ,Pensionslücken‘ geschlossen usw. Was mich besonders gestört hat war der Umstand, dass die Wirtschaftsbilanz immer so erstellt wurde, dass jedenfalls Handlungsbedarf, also Vermittlungsbedarf, gegeben war.“

... über das Risiko und die Risikobelehrung: „Die Immobilienaktien, so auch Immofinanz, war jenes Produkt des AWD, das für jene Anleger geeignet schien, die ‚gut schlafen wollen’. Die Immobilienaktien wurden also sicherheitsbewussten und risikoaversen Anlegern angeboten. Bis zu 40.000–50.000 Euro konnten diese Aktien auch ohne jede Streuung angeboten werden ... die Gesprächsnotizen sollten mit dem Kunden rasch besprochen werden; der Berater füllt die Gesprächsnotiz beim Kunden aus. In den Schulungen wurde vermittelt, dass das Augenmerk auf das Kundengespräch zu legen sei und die Gesprächsnotiz, die zu unterschreiben war, nur eine Formalität darstelle.“

... über Empfehlungen und Provision: „Es war der Rat seitens des AWD, etwa Sparprodukte von Banken schlechtzumachen; die Vermittlung von Sparbüchern, Bausparverträgen oder Ähnlichem war also nie ein Thema. Vielmehr gab es die Anweisung, Immofinanz- oder Convertaktien immer zum Thema zu machen ... Insbesondere Kapitalerhöhungen bei Immofinanz waren immer wieder Impuls für verstärkten Verkauf. Innerhalb der ‚sicheren’ Produkte war der Verkauf von Immofinanzaktien mit den meisten Punkten im Provisionssystem versehen.“

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