Zum Inhalt

Geld für jeden Bürger: Bedingungsloses Grundeinkommen - "Sprung ins kalte Wasser"

premium

Alternativlos oder Utopie? Interview mit Univ.Prof. Barbara Prainsack. Sie ist Expertin für Gesundheitspolitik und Verfechterin eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE).

Barbara Prainsack - Professorin für Vergleichende Politikfeldanalyse (Foto: Gregor Hofbauer)

KONSUMENT: Hat die Corona-Krise das Bewusstsein für ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) geschärft?
Univ.Prof. Barbara Prainsack: Das klassische Argument, dass die Tüchtigen eine ­Arbeit haben und mit denen, die keine ­Arbeit haben, sei etwas falsch, hält jetzt nicht mehr. Man sieht, dass es jeden treffen kann, und das führt bei vielen zum Wunsch nach einer berechenbaren und bedingungslosen Grundsicherung. Die Uni Wien hat im April und im Oktober 2020 eine repräsentative Umfrage zum bedingungslosen Grundeinkommen gemacht. Die Zustimmung ist in dieser Zeit um sieben Prozentpunkte gestiegen. Davor waren es rund 40 Prozent, die dafür waren, und 40 Prozent, die dagegen waren. Und ja, das Thema ist auch vermehrt von den Medien aufgegriffen worden.

Sind wir überhaupt reif für ein BGE? Macht zu viel Freiheit nicht orientierungslos, gar hilflos? (Lohn-)Arbeit gibt vielen doch den nötigen Halt?
Wahrscheinlich ist keine Gesellschaft wirklich reif dafür, es wäre ein Sprung ins kalte Wasser. Das BGE wäre ein Ermächtigungsinstrument, etwa für Menschen, die in ihre Ausbildung investieren möchten, oder für wichtige Erholungspausen. Wer hat heute noch Ruhe, sich wirklich zu erholen, um wieder gut arbeitsfähig zu sein? Das BGE würde jedenfalls nicht alle Probleme des Arbeitsmarktes lösen. Zudem wäre jetzt, während der Krise, ein schlechter Zeitpunkt, es einzuführen, weil es ja jetzt nur wenige Jobs gibt, weil die Ausgaben nicht über die Wirtschaftsleistung gedeckt werden können. Wir können aber jetzt darüber nachdenken und in ein paar Jahren konkreter werden – wenn wir aus der Krise wieder auftauchen.

Gibt es Staaten, in denen das BGE bereits erfolgreich umgesetzt wurde?
Ein universelles BGE, also eines für alle Bewohner eines Landes, hat es bisher nicht gegeben. Manche sehen die Ausschüttungen aus dem Alaska Permanent Fund als Grundeinkommen an. [Anm: Alle Bewohner Alaskas bekommen jährlich eine Dividende aus den Gewinnen des Erdöl-Geschäfts ausgezahlt.] Betrag pro Person und Jahr: derzeit 992 Dollar. Das ist also nicht existenz­sichernd. Es gab auch immer wieder Experimente zum BGE für bestimmte Gruppen; etwa in Finnland, wo 2.000 arbeitslose Finnen zwei Jahre lang ein bedingungsloses Grundeinkommen in Höhe von 560 Euro pro Monat erhielten. In Australien, das aufgrund der schon 2019 wütenden Buschfeuer noch länger in der Krise ist, wird seit einiger Zeit über ein Grundeinkommen diskutiert.

Premium

Weiterlesen mit KONSUMENT-Abo:

  • 24-Stunden-Ticket
    oder
  • Online-Flatrate

Zugriff auf alle Artikel und Testergebnisse schon ab 3,75 Euro/Monat

Jetzt weiterlesen

Bereits registriert? Hier anmelden.

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

Gesundheits- und Krankenpflege: Fehler vermeiden

Gesundheits- und Krankenpflege: Fehler vermeiden

Immer mehr Menschen brauchen Pflege. Vielfach wird diese durch pflegende Angehörige oder professionelle Pflegekräfte geleistet. Dabei gilt es, die Pflegemaßnahmen sorgfältig auszuwählen.

Altersvorsorge: Was Frauen beachten müssen

Altersvorsorge: Was Frauen beachten müssen

Damit im Alter nicht jeder Euro zweimal umgedreht werden muss, sollten Frauen möglichst früh die Weichen für eine selbstbestimmte, unabhängige finanzielle Absicherung stellen.

Kalte Progression: Mehr Geld im Börsel

Kalte Progression: Mehr Geld im Börsel

Lohnerhöhungen wurden von der kalten Progression teilweise aufgefressen. Das ändert sich ab 2023, ein Abfederungsmechanismus zieht der schleichenden Steuererhöhung die Zähne.

Gefördert aus Mitteln des Sozialministeriums 

Sozialministerium

Zum Seitenanfang