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Nachhaltig reisen - Auf die sanfte Tour

Immer mehr Menschen möchten in ihrem Urlaub Rücksicht auf Mensch und Natur nehmen – die Tourismusbranche stellt sich zunehmend auf diese Wünsche ein.

Die Welttourismusorganisation zählte 2012 erstmals mehr als eine Milliarde Auslands­reisen, davon ein Großteil Flugreisen. Das hat Folgen: Schätzungen zufolge ist der ­Tourismus bereits für ca. 12 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Doch ein Umdenken findet statt: Immer mehr Menschen wünschen sich einen ökologisch vertretbaren Urlaub mit Rücksicht auf die einheimische Bevölkerung sowie faire ­Arbeitsbedingungen in den Urlaubsländern.

Laut einer Umfrage von TripAdvisor, der weltweit größten Reise-Website, haben 25 Prozent der europäischen Urlauber bei der Planung ihres letzten Urlaubs "grüne ­Aspekte" mit einbezogen. Mehr als ein Drittel der Befragten plant, diesem Thema in Zukunft mehr Raum zu geben.

Umweltfreundliche Anreise

Ausschlaggebend für nachhaltiges Reisen ist die Anreise, vorzugsweise per Bahn oder Bus. "Wenn eine Familie zu viert mit dem Auto nach Kroatien fährt, ist das immer noch nachhaltiger als zu fliegen", erklärt Julia ­Balatka, Geschäftsführerin des auf nach­haltigen Urlaub spezialisierten Reisebüros Odyssee Reisen.

Klimasünder Flugzeug

Denn Flugzeuge gehören mit ihrem enormen CO2-Ausstoß zu den größten Klimasündern: Kohlendioxid ist in der ­Atmosphäre 2,7-mal schädlicher als in Bodennähe. Selbst wenn Flüge im Vergleich zum Bahnfahren oft günstiger erscheinen, haben auch Billigflüge ihren Preis: Wenn man die versteckten Kosten für Gepäckmitnahme, Sitzplatzreservierung oder Buchungsgebühren hinzurechnet, sind die Billigflieger gar nicht mehr so günstig. Zusätzlich werden bei allen Fluggesellschaften Steuern und Sicherheitsgebühren fällig.

Kompensationsprojekte für Flugmeilen

Wer trotzdem fliegen möchte und einen Beitrag zum Umweltschutz leisten will, kann die CO2-Emissionen mithilfe von Kompensationsprojekten wie atmosfair ausgleichen. Auf der Website wird die Flugroute eingegeben, woraufhin der Emissionsrechner den Umweltschaden und den daraus resultierenden Kompensationsbetrag ermittelt. Dieses Geld verwendetAtmosfair: CO2-Kompensation etwa dazu, erneuerbare Energien in Entwicklungsländern auszubauen. Andere seriöse Anbieter von CO2-Kompensationen sindMyClimate: CO2-Kompensation undArktik.

Kreuzfahrtschiffe: kaum Auflagen

Neben Flugzeugen gehören Kreuzfahrtschiffe zu den großen Klimasündern: Sie fahren meist mit Schweröl, einem Abfallprodukt der Ölindustrie. Anders als für den Straßenverkehr gibt es für die Seeschifffahrt kaum umweltspezifische Auflagen.

Die "schwimmenden Städte" tragen in erheblichem und sukzessive steigendem Maß zu den globalen Schwefeldioxid-, Stickoxid- und Feinstaub­emissionen bei. Dazu kommt, dass Tausende Kreuzfahrttouristen die von den Schiffen angelaufenen Städte regelrecht überschwemmen. Das wird für Einheimische und andere Touristen zunehmend zum Ärgernis, wie Gegenkampagnen in Venedig oder Dubrovnik beweisen. Auf Kreuzfahrten sollte daher verzichtet werden, auch wenn sie zuletzt zu Dumpingpreisen angeboten wurden.

Hotels gezielt auswählen

Hotels gezielt auswählen

Wer nachhaltig urlauben möchte, findet ­Informationen vor allem im Internet (siehe Linktipps), aber auch bei spezialisierten ­Reiseveranstaltern wie Odyssee Reisen. Das Wiener Reisebüro, das sozial verträgliche und nachhaltige Reisen vermittelt, wurde mit dem Qualitätssiegel "CSR Tourism Certified" (jetzt "TourCert"), dem höchsten Nachhaltigkeitsstandard im Tourismus ausgezeichnet.

Auf Gütesiegel achten

"Bei herkömmlichen Tourismus-Angeboten werden Mensch und Natur im Urlaubsland oft ausgebeutet", weiß Geschäftsführerin Julia Balatka. "Wir bieten statt All-inclusive-­Urlaub kleine, landestypische Unterkünfte." Denn Touristen sollten sich immer die Frage stellen: Wem gehört das Hotel? "Große Hotelketten sind oft nicht im Urlaubsland behei­matet und rekrutieren die top bezahlten ­Hotelmanager im eigenen Land", erklärt ­Balatka. "Die einheimischen Angestellten werden dagegen mit Billiglöhnen abgefertigt."

Hotels mit Gütesiegel schneiden im Vergleich mit herkömmlichen weitaus besser ab (siehe Kapitel "Wegweiser durch den Gütesiegel-Dschungel").

Couchsurfing

Nachhaltig reisen bedeutet auch: eintauchen in die Kultur des Reiselandes inklusive Kennenlernen der heimischen Bevölkerung. Eine gute Gelegenheit, Einheimische zu treffen, bietet Couchsurfing. Dahinter steht eine weltweite Community, deren Mitglieder Schlafplätze für Reisende zur Verfügung stellen und im Gegenzug dafür andere Kulturen und Sprachen kennenlernen möchten (Couchsurfing).

Wer es bevorzugt, Menschen aus anderen Ländern nur zu treffen, kann auch das tun: Es wird einfach im Profil angegeben. Ein Blick vor dem Urlaub auf die Couchsurfing-Website kann sich also in jedem Fall auszahlen.

Respektvoller Umgang

Respektvoller Umgang

Der respektvolle Umgang mit der Bevölkerung im Urlaubsland zeigt sich auch beim Fotografieren. "Achten Sie auf lokale Sitten und Verhaltensregeln, denn oft ist Foto­grafieren aus kulturellen oder religiösen Gründen nicht erwünscht", schreibt die ­Naturfreunde Internationale (NFI) in einer ihrer Aussendungen.

Die NFI, Dachverband der Naturfreundebewegung, möchte mit der Marke "respect" einen Tourismus fördern, der ökologisch, soziokulturell und wirtschaftlich langfristig tragbar ist. NFI ver­öffentlicht regelmäßig Publikationen, die wertvolle Tipps für verantwortungsvolles Verhalten auf Reisen geben.

Auch das Forum anders reisen, eine Gruppe von 130 Reise­veranstaltern, hat sich nachhaltigen Tourismus zur Aufgabe gemacht. "Die Mitglieder des forum anders reisen streben eine ­Tourismusform an, die langfristig ökologisch tragbar, wirtschaftlich machbar sowie ethisch und sozial gerecht für ortsansässige Gemeinschaften sein soll", so die Selbst­beschreibung.

Nachhaltiger oder prekärer Tourismus

Der weltweit boomende Tourismus hat schwerwiegende Folgen: Die Urlaubsflüge heizen das globale Klima auf, die Ansprüche der Gäste verschärfen in den Zielgebieten Konflikte um Land und Wasser und erhöhen den Druck auf Ökosysteme. Angestellte werden zu prekären Bedingungen beschäftigt, Frauen benachteiligt und Kinder ausge­beutet.

Hier beginnt die Verantwortung der Reisenden: Wenn Touristen sich bewusst machen, dass sie Spuren hinterlassen und die Lebensbedingungen der einheimischen Bevölkerung sowie den Zustand der besuchten Natur- und Kulturattraktionen mit beein­flussen, können ­Urlaubsziele auf nachhaltige Weise geschont werden.

Wegweiser durch den Gütesiegel-Dschungel

Die Tourismusbranche produziert ständig neue Gütesiegel, die die Nachhaltigkeit ihres Angebotes unter Beweis stellen sollen.

Eine ausführliche Übersicht über 170 Labels und Zertifikate weltweit bietet der "Global Certification Quickfinder" auf "Destinet", der Informationsplattform des Netzwerkes für Nachhaltigen Tourismus Ecotrans. Einen kompaktenLabelguide: Nachhaltigkeit im Tourismus zum ­Herunterladen finden Sie auf der Homepage der Naturfreunde Internationale. Glaubwürdig sind Gütesiegel, wenn sie durch eine unabhängige Stelle regelmäßig überprüft werden – hier ein kleine Auswahl:

- Das Österreichische Umweltzeichen war das erste staatliche Ökolabel im Tourismus weltweit. Es wurde 1996 für Hotels und Restaurants eingeführt und wird seit 2008 auch für Pauschalreiseangebote in Österreich und anderen Ländern vergeben. Das Österreichische Umweltzeichen zeichnet u.a. Beherbergungsbetriebe für ihre Spitzenqualität und umweltfreundliche Politik aus (über 80 Hotels). Ökologische Lebensmittel von regionalen Anbietern sind genauso selbstverständlich wie der verantwortungsvolle Umgang mit Wasser und Energie (Österreichisches Umweltzeichen).

- Etwa 400 Betriebe in ganz Europa führen das EU-Ecolabel. Die Auswahlkriterien sind weitgehend identisch mit denen des Umweltzeichens (Ecolabel).

- Das Zertifikat TourCert kennzeichnet basierend auf internationalen Qualitäts- und Umweltmanagement-Standards vorbildliche Unternehmen (vor allem Reiseveranstalter aus Deutschland, Österreich und der Schweiz). Überprüft wird anhand von ca. 250 Kriterien und Indikatoren die gesamte Wertschöpfungskette – vom Papierverbrauch im Büro über die Größe der Reisegruppen bis zur Art der Anreise (TourCert).

- Green Key ist eines der weitestverbreiteten Labels. An die 2300 Betriebe sind nach diesen Kriterien zertifiziert. Green-Key-Hotels sind vor allem in Europa, aber auch in Marokko, Tunesien oder Jordanien zu finden (The Green Key).

Weiters:

Linktipps

Zusammenfassung

  • Keine Kurzstreckenflüge. Verzichten Sie wenn möglich aufs Fliegen, auf jeden Fall aber auf Inland- und Kurzstrecken­flüge. Die Bahnfahrt dauert oft nur wenig länger und ist weitaus umweltfreundlicher.
  • Längerer Aufenthalt bei Langstreckenflügen. Passen Sie nach Möglichkeit die Dauer Ihrer Reise der Entfernung an: Der WWF empfiehlt beispielsweise bei einer Entfernung von 2.000 km einen Mindestaufenthalt von 15 Tagen.
  • Vorher informieren. Erkundigen Sie sich vor der Reise bei Ihrem Anbieter und unterwegs im Hotel nach den sozialen und ökologischen Auswirkungen der angebotenen Leistungen.
  • Auf Gütesiegel achten. Nutzen Sie glaubwürdige Labels, die regelmäßig einer unabhängigen Prüfung unterzogen werden, als Orientierungshilfe.

Buchtipp: "Nachhaltig leben"

Durch das eigene Konsumverhalten einen Beitrag zu einer "besseren" Welt zu leisten, ist der Wunsch vieler Verbraucher. Doch welche Möglichkeiten hat der Einzelne, dies im Alltag umzusetzen? Unser Buch gibt Tipps und Anregungen für all jene, die ganz individuell zu einem verantwortungsvollen Lebensstil finden wollen.

www.konsument.at/nachhaltig-leben

Aus dem Inhalt

  • Lebensmittel: fair und natürlich
  • Lifestyle: modisch, aber ökologisch
  • Mobilität, Tourismus, Freizeit
  • Nachhaltigkeit im Haushalt
  • Abfall vermeiden, Ressourcen schonen
  • Trend: gemeinsam nutzen statt besitzen

160 Seiten, 14,90 € + Versand

KONSUMENT-Buch: Nachhaltig leben (Bild:VKI)

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