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Fair reisen - Ballermann, nein danke!

Massentourismus Marke Ballermann ist out – der Trend geht Richtung „mehr Respekt“.

Vorsichtig setzt Nina einen Fuß ins Heck des Kanus. Ihr philippinischer Reiseleiter Benigno, der sein Auskommen kürzlich noch als Fischer verdiente, ruft ihr aufmunternde Worte zu.

Ein aufregender Tag

Vor der 34jährigen liegt ein aufregender Tag: Sie wird vom Boot aus die seltenen Wasservögel der Insel Orlango beobachten. Am Nachmittag steht Schnorcheln am Programm.

Nina wird alles in der Gewissheit genießen, dass ihr Urlaub weder die Umwelt noch die Bevölkerung der Insel belastet. Denn sie hat ihren Urlaub statt bei einem internationalen Hotelmulti bei der ortsansässigen Organisation „Suba Orlango Ecotourism Cooperative“ gebucht. Durch diese Initiative können die Insulaner selbst über Art und Ausmaß des Tourismus entscheiden und auch die Gewinne in die eigenen Taschen fließen lassen.

Die reiselustige Österreicherin war auch schon zwei Jahre zuvor auf den Philippinen, in einem eleganten Hotel mit Golfplatz auf Cebu. „Ich habe mich als Devisen- und damit quasi als Glücksbringerin gefühlt“, erinnert sie sich. „Bis mir auffiel, dass die Einheimischen von all dem gar nichts haben, weil sogar die Mitbringsel im hoteleigenen Souvenirladen in den USA erzeugt werden.“

Deshalb hat Nina umgedacht – und nicht nur sie: Dank der Aufklärung durch NGO’s (Nichtregierungsorganisationen) wie dem heimischen Zentrum für Tourismus und Entwicklung (respect) schwört ein wachsender Teil der jährlich weltweit 700 Millionen Urlauber beim Verreisen auf „fair reisen“: Wer fair gehandelten Kaffee aus dem Supermarktregal nimmt, will nun auch als Tourist die Welt verändern. Das ist möglich, indem beim Buchen der Einklang des Abenteuers mit Mensch und Natur im Zielland hinterfragt wird.

Weg vom Massentourismus

Für solches Umdenken im Tourismus ist es höchste Zeit: Globale Hotelketten, die ihre Renditen an Einheimischen vorbei verdienen, gehören auf allen Kontinenten zu den Schattenseiten dieses umsatzträchtigsten Wirtschaftszweiges der Gegenwart. Besonders in Entwicklungsländern, in die jede vierte Urlaubsreise führt, bleibt für die Bevölkerung vom großen Geschäft oft nur ein Haufen Müll. Das im wahrsten Sinne des Wortes: Die auf Tourismusprojekte in Nepal spezialisierte österreichische NGO Öko-Himal entsorgte jüngst 56.000 leere Bierflaschen aus dem Mount Everest-Nationalpark.

Die weiteren Tourismusprobleme, denen nun mit alternativen Reiseangeboten zuleibe gerückt wird:

  • Anstieg: Fernreisen werden kürzer, aber häufiger. Der jährliche Kerosinverbrauch der Jets liegt bereits bei sagenhaften 230 Milliarden Liter jährlich. Autoreisen nehmen ebenfalls zu. Das Klima leidet darunter. Besonders, wenn die Erwartungen der Welt-Tourismus-Organisation eintreffen: Demnach soll sich die Zahl der Urlauber bis 2020 noch verdoppeln.
  • Wasser: Der Wasserhaushalt vieler Reisedestinationen wird brutal überstrapaziert. Mit dem Wasserverbrauch eines Golfplatzes auf den Philippinen könnten 65 Hektar fruchtbares Land bewässert werden. Jährlich sterben fünf Millionen Menschen, vorwiegend Kinder, an den Folgen von Wassermangel.
  • Strom: Dramatisch ist auch die Situation bei der Stromversorgung. Mit dem Energieverbrauch eines durchschnittlichen Luxushotels könnte ein mittleres Dorf versorgt werden. Doch wer denkt schon daran, wenn allmorgendlich das Handtuch zwecks Reinigung auf den Badezimmerboden segelt?
  • Bauwut: Auch Lebensraum fällt dem Business mit Sonne, Sand und Heiterkeit zum Opfer: Natürliche Küstengebiete werden mit Bettenburgen verbaut. Touristische Infrastruktur wie Straßen, Flugplätze und Yachthäfen verschlingen ebenfalls Grund und Boden.

Die Antwort nennt sich im NGO-Deutsch „nachhaltiger Tourismus“. „Angesichts der Millionen Urlauber, die jedes Jahr die Massenziele stürmen, ist das eine Alternative, der man sich nur in kleinen Schritten nähern kann“, gesteht zwar selbst respect-Geschäftsführer Christian Baumgartner zu. Doch die einzelnen Projekte werden – von den Alpen bis zum Amazonas – immer mehr.

Jahr der Fairness

Was fair reisen für Urlauber bedeuten kann, haben respect und WWF (World Wide Fund For Nature) in einer Broschüre zum laufenden „Jahr der Fairness“ zusammengefasst. Hauptpunkt: Je weiter man fährt, desto länger sollte man bleiben. Würde jeder Tourist nur zwei Tage länger verweilen und entsprechend seltener verreisen, würde sich die Zahl der Reisen gleich um ein Viertel reduzieren.

Weitere Tipps für den „nachhaltigen“ Urlaub: Zahlreiche Magazine und Homepages engagierter Tourismus-Gruppen und -Verbände nennen spezielle Angebote (siehe dazu: "Fair - nicht schwer"). So präsentiert die Zeitschrift „Verträglich Reisen“ das erstaunliche südafrikanische Projekt „Direct Action Center of Peace and Memory“: Ehemalige Mitglieder von Nelson Mandelas ANC führen Urlauber zu Schauplätzen ihres Befreiungskampfes gegen das Apartheidregime.

Fair Reisen bedeutet laut respect-Broschüre auch, Produkte der Region statt Importware zu konsumieren. Im Piemont ist also Barolo angesagt, in der Steiermark Kürbiskernöl, in Brüssel Chikoree und in Bremen grüner Hering.

Innerhalb eines Landes sollte mit dem Zug statt mit dem Flieger gereist werden. Wer stundenweise Mietwägen samt Fahrer statt einen Leihwagen nimmt, sichert Arbeitsplätze. Als Unterkünfte bieten sich mittlere Hotels an, weil sie meist von Einheimischen betrieben werden und ihren Mitarbeitern ein ordentliches Lohnniveau bieten.

Das tägliches Wechseln der Handtücher und Bettwäsche sollte verweigert werden. Und ordentliche Kleidung, also etwa lange Hosen für Männer, gehört auch zu den Empfehlungen von respect und WWF.

Persönlicher Nutzen

Dass laut Umfrage 95 Prozent der Touristen einen „fairen“ Urlaub grundsätzlich gut finden, überrascht kaum. Dass rund ein Drittel von ihnen bereit ist, unter diesen Bedingungen auch mehr zu bezahlen, schon eher. Und dass es mindestens sieben Prozent schon tun, klingt viel versprechend.

Dem höheren Preis für das „Fairreisen“ stehe freilich auch ein persönlicher Mehrwert gegenüber, meinen die Initiatoren. „Ein Reiseerlebnis wird intensiver, wenn wir etwa bei unserem Peru-Angebot nach einer Inka-Stadt auch ein örtliches Straßenkinderprojekt besuchen“, sagt Rolf Pfeifer vom deutschen Reiseanbieterverband „Forum Anders Reisen“. Mit solcher Wohlfühl-Argumentation statt dem erhobenen Zeigefinger soll die touristische Nische endgültig vom Thema für die Müslifraktion zum zeitgemäßen Angebot für alle gemacht werden.

Umweltzeichen für Tourismus

Urlauben für eine bessere Welt ist auch schon in Österreich angesagt. So wird das Österreichische Umweltzeichen für diesbezüglich vorbildliche Tourismusbetriebe verliehen. Zu den Kriterien gehören die Verwendung von Naturmaterialien in Bett und Bad, Abholdienste für Gäste ohne PKW, biologische Lebensmittel für die Küche oder etwa Einkauf von saisonalen Produkten bei regionalen Anbietern.

Die Idee zieht so immer weitere Kreise: Auch schon Promis wie Roland Düringer, Chris Lohner und Reinhard Fendrich engagieren sich dafür. Die AUA unterstützte eine Kampagne gegen Kindesmissbrauch in Urlaubsländern mit einem auf Langstreckenflügen gezeigten Spot. Und ein besonders provokanter Vorschlag wird eben in Deutschland diskutiert: Flugtickets könnten dort schon bald mit folgendem Aufdruck versehen werden: „Achtung – mit diesem Flug belasten Sie das Klima!“

Fair - nicht schwer

Österreichische Drehscheibe des Themas fair Reisen ist das 1998 mit Unterstützung der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit gegründete Zentrum für Tourismus und Entwicklung „respect“. Bei respect ist unter anderem eine kostenlose Broschüre mit sachdienlichen Tipps erhältlich. Adresse: Diefenbachgasse 36/3, 1150 Wien. Telefon: (01) 895 62 45. Internet: www.respect.at. - Sozialverträgliche Reiseangebote im Internet: www.eco-tour.org, www.forum-anders-reisen.de, www.verträglich-reisen.de.

Mit dem Titel „Verträglich Reisen“ erscheint auch ein „Magazin für Reisen und Umwelt“ mit Angeboten und Artikeln zum Thema. Adresse: Verträglich Reisen GmbH, Herzogstraße 105, D 80796 München. Tel. + 49/ (0) 89 30881-18.

In Österreich hat unter anderem das Reisebüro Pineapple Tours nachhaltige Urlaubsangebote im Programm. Adresse: Währinger Straße 135, A-1180 Wien. Telefon: (01) 403 98 83-0.

Eine Liste der mit dem Österreichischen Umweltzeichen ausgezeichneten Hotels findet sich unter www.umweltzeichen.at; Hotels aus ganz Europa gibt es unter www.yourvisit.info.

Umweltfreundliche Hotels tragen dieses Zeichen.

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