- Bis zu fünf von hundert Kindern sind unkonzentriert und überaktiv
- In die Behandlung müssen alle Bezugspersonen eingebunden werden
Buben haben öfter ADD als Mädchen
Mit dem „Zappelphilipp“ hat der Psychiater Heinrich Hoffmann und Autor des „Struwwelpeter“ die Störung 1847 erstmals beschrieben. Als Krankheit hat sie die Bezeichnung ADHS, Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung, womit ein Bündel an Verhaltensauffälligkeiten gemeint ist: extreme Konzentrationsschwäche, starker Bewegungsdrang, Impulsivität und Aggressivität. In das Krankheitsbild ADD (Attention Deficit Disorder) fällt auch das unkonzentrierte, verträumte Kind – die „Traumsuse“. ADD mit oder ohne Hyperaktivität haben drei bis fünf Prozent der Kinder, Jungen dreimal häufiger als Mädchen.
Probleme treten oft erst in der Schule auf
Schon in den ersten Lebensjahren sind betroffene Kinder unruhig, oft Schreibabys, wollen nicht einschlafen, beginnen früh zu laufen, viele sind richtige Plaudertaschen. In Kindergarten und Schule können sie kaum stillsitzen, es fällt ihnen schwer, sich beim Spiel zu konzentrieren und dem Unterricht zu folgen. ADHS-Kinder lassen sich leicht ablenken, sind vergesslich, unaufmerksam und viele eben auch zappelig. Weil die kleinen Chaoten andere nerven, gehen ihre Freundschaften auseinander, gelegentlich werden sie zu Außenseitern.
Zu Hause gibt es ständig Streit, weil das Kind Appelle und Regeln der Eltern einfach ignoriert. Oft fällt das Problem erst in der Schule auf, weil ihr Bewegungsdrang den Unterricht empfindlich beeinträchtigt, Sprechstörungen und leichte Ablenkbarkeit Lernschwierigkeiten nach sich ziehen und Probleme mit der Handführung das Schriftbild beeinträchtigen. Das kann die gesamte Entwicklung beeinflussen; im Vergleich mit gesunden haben ADHS-Kinder ein höheres Risiko, einen Unfall zu erleiden.
Was ist lebhaft, was ist überaktiv?
Gibt es die Krankheit ADHS überhaupt? Wann ist ein Kind lebhaft, wann „hyperaktiv“? Auffälliges Verhalten zeigen alle Kinder gelegentlich, und das ist normal – sei es, weil sie sich bei einem Besuch besonders hervortun wollen, weil sie auf Konflikte mit einem Lehrer mit Störaktionen in seinem Unterricht reagieren oder Ähnliches mehr. Als krankhaft wird die Verhaltensstörung dann eingestuft, wenn sie in allen Lebenssituationen auftritt, länger als sechs Monate anhält und nicht durch spezielle Umstände zu erklären ist: etwa, weil sich das Kind benachteiligt fühlt, seelischer oder körperlicher Gewalt ausgesetzt ist oder weil die Eltern sich trennen. Die Gründe müssen abgeklärt werden, und um dem Kind zu helfen, müssen diese Bedingungen verändert werden.
Kein Erziehungfehler
Die Ursachen für ADHS sind noch weitgehend unbekannt. Es wird vermutet, dass – genetisch bedingt – der Stoffwechsel der Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin gestört ist. Das bewirkt, dass das Gehirn unwichtige innere und äußere Reize und Impulse schlecht ausfiltern und hemmen kann – es kommt zu einer Reizüberflutung. Aufmerksamkeit, Merkfähigkeit und der Ausgleich von Gefühlserregungen sind behindert. Bildgebende Verfahren zeigen, dass das Gehirn der betroffenen Kinder von klein auf etwas anders zu funktionieren und organisiert zu sein scheint. Diese Erkenntnisse entlasten die Eltern, denen früher vielfach Erziehungsfehler vorgehalten worden waren. Und sie widerlegen die Hypothese, hinter ADHS stehe eine Nahrungsmittelunverträglichkeit.