Die meisten Betreuungskräfte sind derzeit in einer Form von Scheinselbstständigkeit beschäftigt. Das ist für alle Beteiligten problematisch. Welche Auswege gibt es?
Schon als 2007 die derzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen wurden, zweifelten Experten an deren Rechtskonformität. Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag hielt in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf fest, es bestünden erhebliche Bedenken, dass eine sich vollständig an den Bedürfnissen der zu betreuenden Person orientierende Tätigkeit als selbstständige Tätigkeit ausgeführt werden könne.
Trennung von Arbeit und Freizeit kaum möglich
Experten verweisen zudem auf die spezielle Situation einer "Live-in"-Beschäftigung: Die Pflegekraft arbeitet mit dem Arbeitgeber in einem Haushalt zusammen – daraus resultiert eine emotional aufgeladene Situation, die räumliche und zeitliche Bindung an den Arbeitsplatz lässt eine Unterscheidung zwischen Freizeit und Arbeit kaum zu. Dementsprechend wird das Risiko der Ausbeutung der Betreuungskräfte in solchen Beschäftigungen als besonders groß angesehen, die Situation erinnert nahezu an feudale Verhältnisse ("Herr und Magd").
Legalisierte Ausbeutung
Die Praxis hat all diese Befürchtungen bestätigt. Das belegt die Studie von Simona Durisova über die Ausbeutung der 24-Stunden-Pflegekräfte. Sie hat selbst miterlebt, wie die eigene Familie unter den Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte leidet – sowohl ihre Mutter als auch ihr Vater waren in der 24-Stunden-Betreuung tätig.
Durch die Reform 2008 sei es zwar besser geworden, so Durisova, die Betreuer könnten nicht mehr als Illegale abgeschoben werden. Aber das alles dominierende Problem der Scheinselbstständigkeit sei unverändert geblieben. Die Pflegekräfte könnten über ihre Arbeitszeit, die Art und den Umfang der Leistungen sowie über die Entlohnung nicht autonom bestimmen. Es seien die Vermittlungsagenturen, die die Arbeitsbedingungen mit ihren Klienten ausverhandelten.
Exakte Arbeitszeitregelungen
Selbstständige können frei über ihre Zeit bestimmen. Doch in vielen Werkverträgen – die in aller Regel von den Agenturen und nicht von den Betreuungskräften verfasst werden – finden sich verräterisch exakte Arbeitszeitregelungen: etwa zwei Stunden Ruhepause in einem und dazu einige kürzere Pausen oder die Forderung nach einer 24-stündigen Rufbereitschaft. "Die Arbeitszeitregelungen", so die Studie, "sind der vielleicht deutlichste Hinweis auf eine ausbeuterische Scheinselbstständigkeit zulasten der PflegerInnen."
Wucherzinsen, Sozialversicherung einbehalten
Vor allem, wenn die Agentur weitgehende Inkassovollmachten beansprucht, sind die Missbrauchsmöglichkeiten groß. Agenturen behalten beispielsweise die Sozialversicherungsbeiträge ein und unterlassen es, die Beträge weiterzuleiten. Das kann zu einem bösen Erwachen führen, wenn die Betreuerin nach Jahren erfährt, sie sei gar nicht versichert. Immer wieder werden auch völlig überhöhte Gebühren verlangt. Werden diese nicht pünktlich bezahlt, können schon einmal 0,5 Prozent Verzugszinsen verrechnet werden – pro Tag!