Kommen wir nun zum eingangs erwähnten theoretischen Teil dieses Artikels: Zahlen, Daten, Fakten rund ums Thema Pensions-Kluft zwischen Frauen und Männern.
Ein Zehn-Jahres-Vergleich der Statistik Austria aus 2018 fördert ein durchaus überraschendes Bild zutage: Der Anteil der Frauen mit Hochschulabschluss ist nicht nur höher als jener der Männer, die Frauen haben in diesem Punkt sogar noch deutlicher zugelegt. Schon 2008 verfügten mit einem Anteil von 14 Prozent die Frauen im Durchschnitt häufiger über einen universitären Abschluss als Männer (13 Prozent). Zehn Jahre später waren es bei den Frauen 19 Prozent und bei den Männern 16 Prozent.
Warum aber schlägt sich die gute Ausbildung nicht in der Pensionshöhe der Frauen nieder? Noch nicht, muss die Antwort wohl lauten. Die gute Ausbildung ist nämlich unter den jüngeren Frauen stärker verbreitet als unter den älteren.
"Es wird also dauern, bis sich sehr gut ausgebildete Frauen am Arbeitsmarkt etablieren, was dann auch zu einer höheren Pension führen wird", erklärt Christine Mayrhuber, Ökonomin am Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) und Mit-Initiatorin des Projekts Trapez, das sich mit den geschlechtsspezifischen Unterschieden der Alterspensionen beschäftigt.
Viele nur Pflichtschulabschluss
Es gibt aber noch einen zweiten Bildungsfaktor, der zu den niedrigeren Frauen-Pensionen beiträgt: Am anderen Ende der Ausbildungsskala, beim Pflichtschulabschluss, sind Frauen nämlich ebenfalls mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil vertreten. Auch ein daraus resultierendes niedrigeres Einkommen drückt die Höhe der Pension.
Hohe Teilzeitquote
Frauen verdienen im Durchschnitt deutlich weniger als Männer. In Österreich ist diese Einkommenslücke sogar besonders deutlich ausgeprägt. Laut Erhebungen des Europäischen Statistikamts Eurostat verdienen Frauen hierzulande brutto um ein Fünftel weniger als Männer.
Der EU-Durchschnitt dieser Frauen-Männer-Kluft liegt bei 16 Prozent. Dieses geringere Erwerbseinkommen, das sich negativ auf die künftige Pension auswirkt, hängt nicht nur mit schlechterer Bezahlung für gleiche Arbeit zusammen, sondern zusätzlich auch mit dem hohen Anteil an Teilzeitarbeit der Frauen in Österreich. Fast die Hälfte von ihnen (unselbstständig erwerbtätig) arbeitet Teilzeit, bei Männern sind es nur elf Prozent.
Weniger Erwerbsjahre
Ausschlaggebend für die vergleichsweise hohe Zahl an extrem niedrigen Pensionen von Frauen ist noch ein Faktor: Frauen haben häufig nur wenige Erwerbsjahre. Zumindest 180 Monate, das sind 15 Jahre, Beschäftigung müssen nachgewiesen werden, um einen Pensionsanspruch zu erlangen. Einer Analyse des Projekts Trapez zufolge haben 18 Prozent der über 65-jährigen Frauen keinen Anspruch auf Eigenpension. Das sind mehr als 106.000 Personen. 14 Prozent haben nicht einmal eine Hinterbliebenenpension. Sie sind also von der Unterstützung durch das familiäre Umfeld abhängig.
WIFO-Expertin Christine Mayrhuber hat aber auch einen erfreulichen Aspekt gefunden: Der Anteil der Frauen, die keine eigene Pension erhalten, sinkt tendenziell. 2011 waren es noch 21 Prozent.
Dem erfreulichen Aspekt des sinkenden Anteils von Frauen ohne eigene Pension steht allerdings nach wie vor eine unerfreuliche Tatsache gegenüber: die geringe Pensionshöhe. Rechnet man nur die staatliche Pension aus Erwerbstätigkeit, liegt das Mittel für Bezieherinnen über 65 Jahre bei 612 Euro im Monat, wie aus der Trapez-Analyse hervorgeht (Stand 2021). Zählt man Teilversicherungszeiten wie etwa Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen dazu, kommen Frauen im Mittel auf 811 Euro im Monat.
Weniger Pensionsjahre wegen Kinderbetreuung
Frauen sammeln im Durchschnitt um acht Versicherungsjahre weniger an als Männer. Zählt man nur die Erwerbsjahre, so zeigt sich sogar eine Kluft von zwölf Jahren. Fast fünf Jahre widmen Frauen in Österreich sich im Durchschnitt ihren Kindern. Diese Kindererziehungszeiten werden zwar auf die Pension angerechnet, allerdings mit einem oft geringeren Betrag als bei einer Vollzeitbeschäftigung. Im Jahr 2023 wird für die Kindererziehung ein fiktiver Verdienst von 2.090,61 Euro dem Pensionskonto gutgeschrieben. Daraus ergibt sich ein Pensionsanspruch von monatlich ca. 32 Euro. Staatliche Pension: fast 50 Prozent Unterschied
Geringere Einkommen, kürzere Erwerbszeiten, lange Teilzeit-Arbeit, Kindererziehung: All das führt zu einem finanziellen Nachteil für Frauen im Alter. Zieht man nur die staatlichen Pensionszahlungen heran, lag 2017 der Unterschied bei neu zuerkannten Alterspensionen zwischen Frauen und Männern bei 48,1 Prozent. In anderen Worten: Frauen hatten im Durchschnitt ein um fast 50 Prozent geringeres Pensionseinkommen als Männer.
Unter den „Worst 5“ in der EU
Österreich befindet sich mit dem Pensions-Gap unter jenen EU-Ländern mit dem höchsten Unterschied zwischen Männer- und Frauen-Pensionen. In nur vier Ländern ist diese Kluft noch größer: Luxemburg, Niederlande, Malta und Zypern. Den geringsten Unterschied findet man interessanterweise – mit Ausnahme von Dänemark – in ehemaligen Ostblockländern. Betrachtet man die Frauen-Männer-Pensionskluft über mehrere Jahre, ist keine eindeutig sinkende Tendenz zu erkennen.
Steigt die Kluft durch Corona?
Es ist zu befürchten, dass die aktuellen Krisen die Kluft zwischen Frauen- und Männer-Pensionen größer werden lassen. Steigende Arbeitslosigkeit, die Frauen besonders stark betrifft, sowie die Verfestigung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung verschärfen die Ursachen für den "Gender-Gap", wie die Kluft zwischen Männer- und Frauen-Einkommen bzw. -Pensionen in der internationalen Fachwelt genannt wird. Vermehrte Kinderbetreuung und Home-Schooling könnten in dem auf Erwerbsjahre zentrierten österreichischen Pensionssystem den geschlechtsspezifischen Pensionsunterschied wieder vergrößern.
WIFO-Expertin Christine Mayrhuber sieht für unselbstständig Beschäftigte allerdings keine allzu großen Auswirkungen der Corona-Krise auf die spätere Pensionshöhe. Kurzarbeit und Anrechnung der Arbeitslosigkeit auf die Pension würden den Effekt der Krise mildern. Problematischer sieht sie die Lage für Selbstständige. Der Anteil von Frauen unter den Ein-Personen-Unternehmen sei groß. Sie hatten unter den Lockdowns besonders zu leiden. Die staatlichen Ersatzleistungen zielten nicht auf das staatliche Pensionskonto ab – auf dieses wurde in Lockdown-Zeiten für die Selbstständigen nichts dazugebucht.
Pensionssplitting: Vorteile & Nachteile
Seit 2005 gibt es für Eltern eine Möglichkeit, die die Pensions-Kluft zwischen Frauen und Männern verkleinern soll: das Pensionssplitting.
Eltern können für die Jahre der Kindererziehung auf freiwilliger Basis eine Aufteilung der Pensionsgutschriften vereinbaren. Jener Elternteil, der erwerbstätig bleibt, überträgt jenem, der bei den Kindern zu Hause ist, einen Teil seiner Pensionskontogutschriften – möglich sind bis zu 50 Prozent.
"Aus rein ökonomischer Sicht ist das Splitting eine gute Sache", ist Christine Mayrhuber überzeugt. Während der Erwerbstätigkeit gebe es keine finanziellen Einbußen durch das Aufteilen der Einzahlungen auf das Pensionskonto. Und im Alter muss das auch nicht unbedingt eine geringere Pension für beide Partner bedeuten. Denn die dann etwas niedrigere Pension eines Partners vermindert dessen Steuerlast. Netto könnte also – für beide Partner gerechnet – durchaus die gleiche Summe herauskommen.
Im Artikel "Was ist Pensionssplitting" beantworten wir die wichtigsten Fragen zum Thema.
Achtung, Ausgleichszulagensatz!
Ursula Janesch vom Referat Sozialrecht und -politik der Arbeiterkammer Niederösterreich rät trotzdem zur Vorsicht: Ist nämlich bei Pensionsantritt die Pension sehr niedrig und liegt unter dem Ausgleichszulagensatz, wird sie von staatlicher Seite aufgebessert. Und genau diese Aufbesserung könnte nach einem Pensionssplitting geringer ausfallen.
Skeptisch ist auch VKI-Expertin Gabi Kreindl. Denn abgesehen davon, dass Pensionssplitting kaum bekannt ist, geht sie nicht davon aus, dass Männer Pensionsansprüche freiwillig abgeben. Daher sprechen sich manche für ein verpflichtendes Splitting aus. Aber auch in diesem Fall überwiegt die Kritik am Splitting.