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Superfood - Von wegen super

Vor allem Pflanzensamen, exotische Früchte und Algen werden derzeit intensiv als Superfood beworben. Was können diese Lebensmittel, außer viel Geld kosten?

Für den Begriff Superfood gibt es keinerlei rechtlich verbindliche Definition. In den USA führen momentan Heidelbeeren, Sardinen, Spinat, Pistazien, dunkle Schokolade, rote Paprika und Bohnen die Hitliste an. Bei uns werden vor allem Chia, Goji- und Açaí-Beeren in Naturkost- und Reformläden, in Online-Shops und über Direktvertrieb verkauft. Und selbst Supermärkte preisen manche Waren mittlerweile als Superfood an. Was steckt hinter diesem Boom?

Chiasamen

Chia (Salvia hispanica L.) ist eine einjährige krautige Pflanze aus Mexiko. Ihre Samen können roh oder getrocknet gegessen werden und finden sich mittlerweile als Zutat in zahlreichen Lebensmitteln (z.B. Brot, Joghurt, Smoothies). Aus den Samen wird zudem Öl hergestellt.

Chiasamen sind aufgrund ihres hohen Gehalts an Ballaststoffen, Eiweiß und Mineralstoffen anderen Lebensmitteln angeblich überlegen. Sie sollen obendrein die Verdauung fördern, den Blutzucker regulieren sowie Gelenkschmerzen und Sodbrennen lindern. Für Chiaprodukte gibt es derzeit keine von der EU genehmigten gesundheitsbezogenen Werbeaussagen. Die Samen dürfen einzig und allein mit einem Hinweis auf ihren hohen Ballaststoffgehalt beworben werden.

Laut europäischer Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sollten pro Tag nicht mehr als 15 Gramm Chiasamen verzehrt werden. Seit 2014 ist kalt gepresstes Chiaöl als Zutat in pflanzlichen Ölen und Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) erlaubt. Hier wurden ebenfalls Mengenbeschränkungen festgelegt.

Wechselwirkungen mit Blutverdünnern

Achtung: Chiasamen können zu Wechselwirkungen mit blutverdünnenden Arzneien führen. Wer solche Medikamente einnimmt, sollte besser auf Chiasamen verzichten. Vorsicht ist auch geboten bei der Einnahme von Mitteln gegen zu hohen Blutdruck. Eine Rücksprache mit Arzt oder Apotheker ist hier ratsam.

Zu den derzeit gehypten Chiasamen gibt es eine Alternative, nämlich den guten alten Leinsamen. Er liefert in etwa gleich viel Eiweiß, Kalzium, Magnesium, Zink und Omega-3-Fettsäuren. Zudem ist er besser erforscht und wesentlich billiger: Leinsamen kostet zwischen 3 und 19 Euro pro Kilogramm. Für Chiasamen werden derzeit zwischen 9 und 57 Euro pro Kilogramm verlangt.

Goji-Beeren

Goji-Beeren (Bocksdornbeeren) sind bei uns vor allem als Importware aus China erhältlich. Die getrockneten Beeren haben einen recht hohen Vitamin-C-Gehalt, sind aber, so wie andere Trockenfrüchte relativ kalorienreich. Sie werden als Anti-Aging-Mittel angepriesen und sollen u.a. das Herz-Kreislauf-System unterstützen sowie das Immunsystem stärken. Tatsächlich wurde aber bislang keine einzige bei der EFSA beantragte gesundheitsbezogene Aussage genehmigt, weil kein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Behauptungen und dem Konsum von Goji-Beeren festgestellt werden konnte.

Wechselwirkungen mit Gerinnungshemmern

Achtung: Das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat Ende März 2013 eine Warnung über gefährliche Wechselwirkungen mit bestimmten blutverdünnenden (gerinnungshemmenden) Medikamenten (Vitamin-K-Antagonisten) veröffentlicht. Goji-Beeren scheinen den Abbau dieser Medikamente im Körper zu blockieren, sodass es zu einer gefährlichen Wirkstoffanreicherung und verstärkter Blutungsneigung kommt. Patienten, die diese Medikamente einnehmen, sollten unbedingt auf Goji-Beeren in jeglicher Form (getrocknete Früchte, Saft, Marmelade, Nahrungsergänzungsmittel) verzichten.

Getrocknete Goji-Beeren kosten zwischen 30 und 85 Euro pro Kilogramm. Goji-Beerensaft ist um 38 bis 47 Euro pro Liter erhältlich. Wer einen Garten hat, kann sich freuen: Bocksdornsträucher gedeihen auch bei uns gut.

Kokosöl/Kokosfett, Granatapfel, Aloe Vera

Kokosöl/Kokosfett

Kokosöl, auch Kokosfett genannt, wird aus dem Fruchtfleisch der Kokosnuss gewonnen und ist bei Raumtemperatur fest. Kaum bearbeitete Produkte werden häufig als „virgin“ oder „nativ“ ausgelobt und sind vorwiegend im Bio-Handel erhältlich. Kokosöl enthält Laurinsäure und wird deshalb als besonders gesund beworben. Es soll gegen diverse Krankheiten wie z.B. Alzheimer helfen. Sogenanntes Fat Water, Wasser mit Kokosöl, kurbelt angeblich die Fettverbrennung an und hilft beim Abnehmen. Doch ob der regelmäßige Genuss dieses Öls tatsächlich die Gesundheit fördert bzw. die Kilos purzeln lässt, ist bislang nicht geklärt.

Kokosöl kann für Abwechslung in der Küche sorgen. Hochwertige Speiseöle wie Rapsöl sollten aber weiterhin verwendet werden, da sie wertvolle essentielle Fettsäuren wie Omega-3-Fettsäuren liefern. Kokosfett bzw. -öl kostet 6 bis 39 Euro pro Liter, Rapsöl 1 bis 29 Euro pro Liter.

Granatapfel

Granatapfel wird heute hauptsächlich in der Türkei angebaut. Es sind nur die fleischig ummantelten Kerne genießbar. Die Frucht soll u.a. das Wachstum von Brust-, bzw. Prostatakrebs hemmen und Herz-Kreislauf-Beschwerden lindern. Bisher ist allerdings keine dieser Aussagen wissenschaftlich belegt.

Wechselwirkungen wie bei Grapefruitsaft

Achtung: Zwischen Granatapfelsaft und vielen Medikamenten gibt es ähnliche Wechselwirkungen wie bei Grapefruitsaft. Bestimmte Arzneien können im Körper langsamer abgebaut werden und sich unter Umständen bis zu einer toxischen (giftigen) Menge anreichern.

Verglichen mit anderen Obstsorten (z.B. Himbeeren, Erdbeeren) haben Granatäpfel keine besonderen Vorteile. Granatäpfel sind um 1 bis 3 Euro pro Stück zu haben. Granatapfelsaft kostet zwischen 2 und 43 Euro pro Liter.

Aloe Vera

Aloe Vera Pflanzen sind in Wüstengebieten wachsende Liliengewächse. Manche Arten sollen gegen Asthma, Aids und Depressionen helfen oder die Folgen einer Chemotherapie lindern. Für diese und viele andere Behauptungen fehlen allerdings wissenschaftliche Belege.

Aloe Vera wird vor allem zu Saft (aus den Blättern) und zu Gel (aus dem Blattmark) verarbeitet. Gelangen unerwünschte Bestandteile in das Gel, kann es zu Magen-Darm-Beschwerden oder allergischen Reaktionen kommen. Mit Honig aromatisierter oder mit anderen Säften gemischter Aloe-Vera-Saft darf diverse Zusatzstoffe (z.B. Konservierungs-, Verdickungsmittel) enthalten.

Die meisten Inhaltsstoffe, die bislang in Aloe-Vera-Blättern nachgewiesen wurden, sind auch in heimischem Obst und Gemüse zu finden, das garantiert um weniger Geld zu haben ist. Purer Aloe-Vera-Saft kostet zwischen 12 und 48 Euro pro Liter.

Açaí-Beeren, Algen

Açaí-Beeren

Açaí-Beeren sind die Früchte einer Palmenart, die vor allem am unteren Amazonas wächst. Die reifen Früchte haben eine purpurrote bis schwarze Haut. Sie enthalten viele Mineralstoffe, insbesondere sehr viel Kalzium, Anthocyane (dunkelrote Pflanzenfarbstoffe) und bestehen nahezu zur Hälfte aus Fett.

Ihren Ruf als „Superbeere“ verdankt Açaí vor allem dem hohen Anthocyan-Gehalt. Diesen Farbstoffen werden allgemein positive Gesundheitswirkungen zugeschrieben (u.a. als Radikalfänger). Açaí-Produkte sollen auch gegen Erschöpfungszustände und zahlreiche Krankheiten wie z.B. degenerative Erkrankungen und Krebs helfen. Es gibt aber keine Studien, die die behauptete Wirkung belegen.

Im Handel ist meist Açaí-Pulver zu finden, das mit Füllstoffen und Maltodextrin versetzt sein kann. Açaí-Pulver kostet bei uns zwischen 160 und 262 Euro pro Kilogramm.

Übrigens: Heimische dunkle Beeren wie Brombeeren, Holunder-, Heidel- und Apfelbeeren (Aronia), Kirschen, rote Weintrauben oder auch Blaukraut (Rotkohl) enthalten ebenfalls reichlich Farbstoffe. Je länger diese Früchte bzw. Gemüse unter natürlichen Bedingungen reifen, desto höher ist der Gehalt.

Algen

Im Handel werden Algen in erster Linie getrocknet und in Form von Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) angeboten. Vor allem die AFA-Algen (Aphanizomenon-Flos-Aquae-Alge) sollen eine heilende Wirkung bei diversen Erkrankungen haben. Für diese Behauptungen gibt es aber keinerlei wissenschaftliche Nachweise.

Gifte und Bakterien

Belegt ist hingegen, dass bestimmte AFA-Algen Gifte bilden können, die das Nervensystem angreifen; AFA-Algen können obendrein mit leberschädigenden Bakterien verunreinigt sein. Wie alle NEM sind auch Algenpräparate unnötig und manche von ihnen möglicherweise auch noch gesundheitsschädlich.

Schwankender Jodgehalt

Essbare Algen, die in der asiatischen Küche als Zutat von Suppen, Saucen, als Salat oder als Hülle von Maki eingesetzt werden, gelten als besonders wertvoll, weil sie viel Jod und andere Nährstoffe enthalten. Pro Tag sollten aber nicht mehr als 0,5 mg Jod konsumiert werden. Ein Mehr kann ernsthafte gesundheitliche Folgen haben. Da der Jodgehalt getrockneter Algen stark schwankt, sollten nur Produkte mit deklariertem Jodgehalt gekauft werden. Wird regelmäßig jodiertes Salz verwendet, ist bei ausgewogener Ernährung mit heimischen Lebensmitteln die Nährstoffversorgung sichergestellt.

Essbare Algen können aber durchaus Abwechslung in den Speiseplan bringen. Im Nährwertvergleich schneiden Algen hinsichtlich Eiweiß, Jod und B-Vitaminen besser ab als Spinat. Spinat liefert dafür mehr Vitamin C, A und E und mehr Omega-3-Fettsäuren (Linolensäure). Zusätzlich zu bedenken: Spinat wird üblicherweise in größeren Portionen gegessen als Algen. Getrocknete Algenblätter kosten zwischen 100 und 619 Euro pro Kilogramm.

Matcha, Weizengras, Noni, Mangostane

Matcha

Matcha ist gemahlener Grüntee und wird als Tee, mit Milch (Macha Latte), als Zutat von Smoothies und Cocktails getrunken. Er wirkt belebend: Eineinhalb Teelöffel Pulver enthalten in etwa so viel Koffein wie ein Espresso. Einige Studien liefern Anhaltspunkte, dass passionierte Grüntee-Trinker eventuell seltener an Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden oder daran sterben. Eine Ursache-Wirkung-Beziehung, wie z.B. „Grünteekonsum schützt vor Herzinfarkt“, lässt sich daraus aber nicht ableiten.

Matcha kostet 113 bis 1.333 Euro pro Kilogramm. Vorsicht: Diverse Produkte am Markt sind „gestreckt“.

Weizengras

Unter Weizengras versteht man die 10 bis 15 cm langen Schößlinge des Weizens. Weizengras soll u.a. verjüngend wirken und viele Krankheiten bekämpfen. Bestätigt ist bislang nur, dass Weizengras eine gute Quelle für den Pflanzeninhaltsstoff Lutein ist, von dem vermutet wird, dass er eine besondere Schutzfunktion für die Augen hat.

Eine offizielle Nährwerttabelle für Weizengras gibt es bislang nicht. Frisches Weizengras oder frischer Weizengrassaft ist im Handel nur selten zu kaufen. Überwiegend wird Weizengraspulver aus getrockneten Halmen angeboten. Weizengraspulver kostet 47 bis 249 Euro pro Kilogramm.

Noni

Noni ist die Frucht des indischen Maulbeerbaums. Noniprodukte (z.B. Saft, Kapseln) werden damit beworben, dass sie den Schlafbedarf senken, Heißhunger dämpfen und schmerzstillend wirken. Von der EU sind aufgrund fehlender wissenschaftlicher Beweise keinerlei gesundheitsbezogene Aussagen für Noniprodukte genehmigt.

Die EFSA schließt nicht aus, dass einzelne Personen empfindlich (mit Leberentzündungen) auf Noni reagieren. 30 ml (ca. 2 Esslöffel) Nonisaft pro Tag werden als sicher angesehen. Nonisaft kostet zwischen 27 und 56 Euro pro Liter.

Mangostane

Die Mangostane stammt ursprünglich aus Südostasien. Mangostanesaft neutralisiert angeblich freie Radikale und fördert u.a. die Verdauung. Eine wissenschaftliche Bewertung durch die EFSA hat jedoch ergeben, dass sämtliche beantragte gesundheitsbezogene Werbeaussagen zu unspezifisch bzw. nicht nachweisbar sind.

Purer Mangostanesaft kostet bis zu 42 Euro pro Liter. Für Mischungen mit anderen Beerensäften und Granatapfelsaft werden bis zu 68 Euro pro Liter verlangt.

Fazit

Fazit: Gesund wie andere Lebensmittel

Als Superfood angepriesene Früchte, Samen und Gräser sind Lebensmittel wie viele andere auch. Manche enthalten zweifelsohne eine größere Menge an Stoffen, die für die Gesundheit förderlich sein können. Aber hoch gepriesene Vitamine, Mineralstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe finden sich ebenso in heimischen Nahrungsmitteln.

Geringere Mengen verzehrt

Außerdem: Nährstoffdeklarationen und -vergleiche erfolgen üblicherweise je 100 Gramm Lebensmittel. Von Beeren, Algen, Samen etc. werden aber meistens wesentlich geringere Mengen verzehrt.

Zu frühe Ernte, zu starke Verarbeitung bzw. Aufbereitung für den Transport und die wochenlange Lagerung in Schiffcontainern gehen zu Lasten empfindlicher Inhaltsstoffe. Die leicht verderblichen Açaí-Beeren können z.B. nur tiefgekühlt, als Pulpe oder gefriergetrocknet nach Europa gekarrt werden. Als Alternative bietet sich oft nur der umweltbelastende Transport im Flugzeug an.

Rückstandskontrolle

Wenn Ihnen Algen, exotische Früchte und Samen schmecken, oder Sie sie einfach einmal probieren möchten: Achten Sie beim Kauf darauf, dass die Ware rückstandskontrolliert ist. Bei chinesischen Goji-Beeren wurden z.B. schon mehrfach hohe Pestizidbelastungen festgestellt. Bei Chiasamen gibt es Hinweise auf den Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln, die in Europa verboten sind.

Auf Pulver oder Kapseln verzichten

Von der Aufnahme bestimmter Stoffe in konzentrierter, isolierter Form ist wegen möglicher unerwünschter Wirkungen generell abzuraten. Wenn schon Superfood, dann am besten die ganzen Früchte verzehren und auf Pulver oder Kapseln verzichten!

Zusammenfassung

  • Nicht erlaubt. In der EU ist bei Lebensmitteln Werbung, die die Verhütung, Linderung oder Beseitigung von Krankheiten verspricht, grundsätzlich verboten.
  • Beschränkt zulässig. Nährwert- sowie gesundheitsbezogene Werbeaussagen, Health-Claims, dürfen nur dann verwendet werden, wenn sie wissenschaftlich abgesichert sind und von der EU genehmigt wurden.
  • Teuer vermarktet. Als Superfood angepriesene Importware kostet mehr, ist aber nicht unbedingt besser als heimische Produkte.
  • Gesund essen. Kein Lebensmittel ist für sich alleine gesund. Gesund kann nur eine ausgewogene Ernährung mit vielen verschiedenen Lebensmitteln sein. Orientierung bietet die österreichische Ernährungspyramide (www.bmg.gv.at/home/Schwerpunkte/Ernaehrung).
  • Wechselwirkungen. Manche Früchte und Samen können Wechselwirkungen mit Medikamenten haben. Auch allergische Reaktionen sind möglich. Halten Sie daher Rücksprache mit Ihrem Arzt bzw. Ihrer Ärztin.

 

Untersuchungsmethoden

Diverse Produkte, die als Superfood ausgelobt werden, wurden überprüft und die wissenschaftliche Datenlage dazu wurde analysiert. Neben der Beschreibung der jeweiligen Samen bzw. exotischen Früchte wurden, falls möglich, Vergleiche mit heimischen Lebensmitteln angestellt, die als Alternative dazu infrage kommen.

Die Preiserhebung zu den einzelnen Produkten erfolgte im April 2016 und wurde in den gängigen Supermärkten und Bio-Supermärkten durchgeführt.

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